Der Prozess oder Schaut auf diese Stadt!
Am heutigen Freitag erscheint das Kursbuch 190 mit dem Titel „Stadt. Ansichten.“ Der Band geht in einer Reihe von Essays der Frage nach aktuellen Entwicklungen der Stadt als Laboratorium für neue Formen sozialen und politischen Lebens nach. Unter anderem spielen auch Regensburg und die derzeit laufenden Ermittlungen in der Spendenaffäre in dieser Kursbuch-Ausgabe eine Rolle: Hermann Sottong reflektiert an diesem Beispiel unter dem Titel „ Stadt. Bürger. Sinn“ Glanz und Elend der Stadtpolitik. Ein kurzer Auszug.
In dieser Situation wird nun der anstehende Prozess mit höchster Spannung erwartet. Insofern es um die Lehrstückhaftigkeit des Ganzen und die möglichen aufklärerischen Aspekte geht, wäre jedenfalls eine glatte Verurteilung nicht einmal unbedingt wünschenswert.
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Interessant und potenziell für den (stadt-)politischen Diskurs fruchtbar kann dieser Prozess dagegen vor allem dann werden, wenn die Dinge nicht restlos und eindeutig aufgeklärt und entsprechend abgeurteilt werden können. Für das Gericht wird es ohnehin ein intrikates Problem werden, nicht nur den Unterschied zwischen „Bestechung“ und „Vorteilnahme“ fallbezogen zu definieren. Es wird sich auf die ein oder andere Art auch damit beschäftigen müssen, wie politikwirksame Systeme von Gefälligkeiten zu beschreiben und in ihren Auswirkungen zu bewerten sein könnten. Es wird indirekt womöglich Beiträge zu der hochbrisanten Frage liefern, woran ein Bürger eigentlich merken kann, ob und dass ein Regierender „zum Wohle der Stadt“ handelt.
Nachdenken über “pragmatische Politik”
Es wird sich – weiter – im Rahmen eines solchen Diskurses vor Gericht notwendig eine Menge Stoff für ein Nachdenken darüber ergeben, was das eigentlich für ein Teufelszeug ist, das sich da „pragmatische Politik“ nennt. Denn es zeichnet sich jetzt bereits ab, dass der OB und seine zu befragenden politischen Mitakteure, etwa der altgediente fraktionsführende SPD-Haudegen Hartl, so argumentieren könnten, dass der Eindruck entstehen müsste, man hätte in den zur Verhandlung stehenden Fällen auch dann nicht anders gehandelt (und entscheiden können), wenn keinerlei Zahlungen im Spiel gewesen wären. Einfach deshalb, weil die entsprechenden Entscheidungen im Zusammenhang mit der Stadtpolitik folgerichtig, pragmatisch, mit dem größten Mehrwert für das Allgemeine behaftet gewesen seien. Damit würde sich aber das wunderbar paradoxe Bild ergeben, das abbildet, wie ein Politiker, der nach dieser Rationalität des „Pragmatischen“ handelt, so aussehen kann, als ob er bestochen worden wäre, obwohl er genau gleich entschieden hätte, wenn niemand versucht hätte, ihn sich und seinen Interessen gewogen zu stimmen.
Die Logik, die sich hinter einer solchen Struktur verbirgt, ist ja die gleiche, die sich in der Tautologie „Was gut ist für die Wirtschaft ist auch gut für die Bürger“ ausdrückt. Die beträchtlichen Geldsummen, die letztlich aus Unternehmenskassen in die Kriegskasse des wahlkämpfenden Genossen Wolbergs geflossen sind, würden beim Erfolg einer solchen Verteidigungslinie des Politikers dann als Fehlinvestition erscheinen. Für eine solche fatale „unternehmerische“ Fehleinschätzung müssten dann aber wiederum Erklärungen gesucht werden. Eine mögliche könnte lauten, dass der Unternehmer die geäußerte politische Haltung des SPD-Kandidaten – zum Beispiel hinsichtlich der Bedeutung der sozialen Gerechtigkeit und mithin auch des sozialen Wohnungsbaus – so sehr ernst genommen habe, dass er glaubte, diese Haltung durch entsprechende Zuwendungen zum eigenen Vorteil aufweichen zu müssen.
“Das große Ganze”…
Was eben, spinnt man die denkbare Argumentation des sich verteidigenden Politikers weiter, gar nicht notwendig gewesen wäre, da er ja – ganz den Grundsätzen pragmatischen politischen Handelns verpflichtet – ein paar Tausend Quadratmeter sozialen Wohnraums gerne von der Waagschale genommen habe, um sicherzustellen, dass der Baulöwe beispielsweise weiterhin Millionen in den Fußballverein stecke. Weil nämlich in der Gesamtberechnung des städtischen Gemeinwohls das fortgesetzte Gaudium Zigtausender Fußballfans mitsamt den anfallenden Besucherströmen und dem damit verbundenen Konsum stimmungspolitisch und ökonomisch am Ende schwerer wiege. (Und das alles wahrscheinlich noch garniert mit der offenbar unausrottbaren Selbstbildillusion sogenannter Entscheider, sie hätten eben die seltene Fähigkeit, „das große Ganze“ in den Blick zu nehmen.)
Ist es am Ende vielleicht wirklich so gelaufen, dass Wolbergs tatsächlich nicht nur den „gewöhnlichen“ Bürgern, sondern auch dem Unternehmer eine so starke Haltung seinerseits suggerieren konnte, dass dieser glauben musste, mit seinem Geld etwas entgegensetzen zu müssen, um sich den Mann zu verpflichten? Und war es dann vielleicht so, dass Wolbergs diese ganzen Gefälligkeiten während seines Wahlkampfrauschs gar nicht wahrgenommen hatte, sich diese Haltung aber nach der Wahl ganz wie von selbst in der Anwendung politpragmatischer Rationalitäten aufzulösen begann? Während – zum Vergleich – die Bundesbürger im Falle Angela Merkels den Pragmatismus gewählt haben, um dann feststellen zu müssen, dass Merkel dieses Pragmatismus bei gelegentlichen Anfällen von Haltung „verriet“, wäre es im Falle Wolbergs demnach genau umgekehrt gelaufen. Ein Kandidat, der als Vertreter einer bestimmten Haltung angetreten und genau dafür gewählt worden war, entpuppt sich danach als ein „Dealmaker“.
Aus: Hermann Sottong. Stadt. Bürger. Sinn. Glanz und Elend von Stadtpolitik – der Fall Regensburg.
Mit freundlicher Genehmigung von Kursbuch, Hamburg 2017.
Ãœber das Kursbuch
Das Kursbuch wurde 1965 von Hans Magnus Enzensberger gegründet und war lange Zeit einer der wichtigsten kritischen Begleiter der bundesdeutschen Öffentlichkeit. Eine besondere Leistung war es, Themen zu setzen, die sonst nicht auf der öffentlichen Agenda standen, und damit der Gesellschaft und den sozialen und Emanzipationsbewegungen einen kritischen Spiegel vozuhalten. Nachdem es 2008 eingestellt wurde, hat der Murmann Verlag das Kursbuch im Jahr 2012 wiederbelebt. Das Kursbuch erscheint viermal jährlich.
gustl
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In dieser Stadt wird sich nicht ändern, im Gegenteil, es wird schlimmer: der inkompetente und korrupte Dreck wird nicht weggewischt sondern mit schmutzigem Lappen nachhaltig in den Ecken verteilt. Es gibt keine erlösende Reinigung. Huber und Maltz-Schwarzfischer hören auf die gleichen Leute, die schon bei Schaidinger mitgemischt haben. Das System „manus manum lavat“ hat sich für Politiker und Unternehmer in Regensburg bewährt und wird deshalb auch von diesen Leuten weiter geführt.