Helmut und die schwarzen Männer
59 Euro an Polizeikosten sollte der Eslarner Querdenken-Guru Helmut Bauer bezahlen, weil ein Beamter ihm gegenüber „unmittelbaren Zwang“ angewendet hatte. Er klagte und bekam vor dem Verwaltungsgericht Regensburg recht.
Sein Markenzeichen, den schwarzen Cowboyhut, hat Helmut Bauer links neben sich auf den Tisch gelegt. Aufmerksam hört er den Aussagen eines Polizeibeamten zu, macht sich dabei immer wieder Notizen. Später wird er dem Zeugen einige Fragen stellen, die zwar nicht viel zur Aufklärung beitragen, aber doch seinen Standpunkt unmissverständlich klar machen: Dass er eine Kostenrechnung von rund 59 Euro tragen soll, weil er den „Service“ des Polizeiobermeisters in Anspruch genommen hatte, sieht er nicht ein.
Ein bekanntes Gesicht der Corona-Proteste
Bauer gehört zu den bekannteren Gesichtern der Proteste gegen die Corona-Maßnahmen. Beim Querdenker-Fest am 14. September 2020 warb er beispielsweise auf dem Regensburger Dultplatz für das (am Ende gescheiterte) Volksbegehren „Landtag abberufen“. Am Neujahrstag sprach der Rentner mit Cowboyhut bei einer Kundgebung vor den Arcaden mit etwa 1.400 Teilnehmern und anschließender Demo um die Altstadt.
Vor dem Verwaltungsgericht Regensburg aber geht es um einen Vorfall, der sich am 18. November 2020 in Weiden abgespielt haben soll. Dort hatten sich etwa 200 Menschen versammelt, um den „Schwindelarzt“ Dr. Bodo Schiffmann auf seiner „Bustour“durch Deutschland zu empfangen. Der mittlerweile nach Tansania verzogene Schiffmann, ein Verschwörungstheoretiker, Klimawandelleugner und aktuell Verteidiger des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine war damals ein Promi der Querdenken-Szene.
Bauer, ebenfalls Leugner des Klimawandels und einer, der vermutet, dass die Corona-Pandemie von langer Hand vorbereitet worden sei, hatte seinen Auftritt mitorganisiert und musste zunächst etwas Zeit überbrücken, weil Schiffmann im Stau stand. Dann sei er, wie er sagt nur noch normaler Versammlungsteilnehmer gewesen.
Bauer filmt und wird von Polizisten gestoppt: 59 Euro
In dieser Eigenschaft habe er beobachtet, wie ein anderer Teilnehmer von Bereitschaftspolizisten umringt worden sei. „Brauchst du Hilfe? Soll ich filmen“, habe er diesem zugerufen, als der Betroffene bejahte sein Handy gezückt und die Aufnahme gestartet. Das sei manchmal ganz hilfreich, so Bauer, um ungerechtfertigte Einsätze zu dokumentieren.
Er sei dann den Beamten, die den Mann vom Gelände führten, um seine Personalien festzustellen – es ging wohl um ein Maskenattest – in gebührendem Abstand gefolgt, „ohne ein Wort zu sagen“, als plötzlich eine Hand von rechts gekommen sei, ihm den Arm nach unten verdreht habe, verbunden mit der Aufforderung, das zu unterlassen.
Für diese „Anwendung von unmittelbarem Zwang“ wurden Bauer vier Monate später besagte 59 Euro in Rechnung gestellt. Eine Gebühr, die gemäß Polizeiaufgabengesetz in Rechnung gestellt werden kann.
„Dazu hätte man mich nicht anfassen müssen.“
Doch nötig gewesen sei all das nicht, sagt Bauer, der ohne Anwalt erschienen ist. Er habe keinerlei Bedrohung dargestellt, er habe sich auch nicht eingemischt, eine einfache Aufforderung, das Filmen einzustellen, hätte gereicht, erklärt er. „Dazu hätte man mich nicht anfassen müssen.“ Er habe sogar kurzzeitig überlegt, den Beamten anzuzeigen, weil ihm sein Arm doch wehgetan habe. „Aber das bringt ja nichts. Da weiß am Ende dann wieder niemand, wer das war.“
Auf dem Video, das er damals aufgenommen habe, sei all das auch klar zu erkennen. Dass er Anstand gehalten und geschwiegen habe. Doch dieses Video habe er leider nicht zur Hand. Bauer muss sich in einem Strafverfahren wegen „Hassrede“ verantworten. Auf einer von ihm betriebenen Internetseite wurde in einem User-Kommentar der Bürgermeister von Neustadt an der Waldnaab bedroht, auch von „Erhängen“ und „Erschießen“ sei die Rede gewesen, wie Bauer einräumt. Im Zuge der Ermittlungen wurden Bauers Handy und Laptop beschlagnahmt und an die Daten sei er bislang nicht rangekommen. Kürzlich sei ihm aber signalisiert worden, dass ein Download unter Umständen möglich sei. Dann könne er das vorlegen.
Beamter sah Bauer als Gefahr
Die Kammer unter Vorsitz von Dr. Andreas Fischer will aber zunächst versuchen, die Sache über die Vernehmung von Zeugen aufzuklären. Und der involvierte Beamte der Bereitschaftspolizei schildert den Vorfall etwas anders als der Querdenken-Aktivist.
Bauer habe versucht, auf das Geschehen „einzuwirken“, so der 30-Jährige. Er habe sich „lautstark echauffiert“, „aggressiv gefilmt“ und sei an die Beamten auf weniger als einen Meter herangekommen. Da habe er sich umgedreht, ihn mit der flachen Hand auf der Brust zurückgedrängt und aufgefordert, das Filmen einzustellen. Den Arm heruntergedreht habe er Bauer nicht, so der Beamte. Und als der Kläger fragt, ob er denn wie eine Bedrohung ausschaue, reagiert der Polizist etwa verständnislos.
Es habe die Gefahr bestanden, dass die Aufnahme der Personalien verzögert werde, dass andere Personen auf das Geschehen aufmerksam würden und die Situation eskalieren könne. Deshalb habe er „innerhalb eines Wimpernschlags“ reagiert und Bauer wie beschrieben gestoppt. Und wenn es ein Video gebe, dass da etwas anderes beweise, dann solle er es doch vorlegen.
Zeugin: „Der schwarzgekleidete Mann war ein bisschen aggressiv.“
Eine weitere Zeugin hingegen bestätigt die Schilderungen Bauers. Die 36-jährige Kinderpflegerin hatte selbst an der Kundgebung teilgenommen und dort habe sie beobachtet, wie jemand, der von den „schwargekleideten Männern“ umzingelt worden sei, „dem Helmut“ zugerufen habe: „Hilf mir.“ „Der Helmut“ habe dann sei Handy gezückt und gefilmt.
Nur wenige Augenblicke später sei dann einer der „Schwarzen“ auf den Helmut zugelaufen und habe versucht, ihm sein Handy aus der Hand zu schlagen. Anschließend habe er ihm den Arm verdreht, um ihm das Telefon wegzunehmen. „Das war ein Übergriff“, zeigt sich die 36-Jährige überzeugt. Der Helmut habe auch nichts gerufen oder sich sonst irgendwie geäußert, erzählt sie und sagt lächelnd an ihn gewandt: „Deine Stimme würde man schon hören.“
„Der schwarzgekleidete Mann“ sei eben „ein bisschen aggressiv“ gewesen, erklärt sie. So wie es öfter Probleme mit diesen Männern gebe, im Gegensatz zur örtlichen Polizei, die immer friedlich bleibe.
Behörde in der Beweispflicht
Die Kammer lässt all das ein wenig zweifelnd zurück. Es sei ja schon immer die Frage, ob die Polizei in jedem Fall eine Kostenrechnung verhängen muss, die dann unter erheblich mehr Aufwand von Zeit und Geld das Gericht beschäftige, merkt Vorsitzender Fischer an. Schließlich sei die Behörde in der Beweispflicht, dass der Einsatz gerechtfertigt gewesen sei. Doch auf eine Rücknahme des Kostenbescheids wollen sich die Vertreter von Polizei und Regierung am Ende doch nicht einlassen.
Und so hebt ihn das Verwaltungsgericht Regensburg am nächsten Tag auf und gibt Helmut Bauer recht. Die Kosten für das Verfahren trägt „die Staatskasse“.
Hthik
| #
Die Beweislastentscheidung scheint so in Ordnung.
“Es sei ja schon immer die Frage, ob die Polizei in jedem Fall eine Kostenrechnung verhängen muss, die dann unter erheblich mehr Aufwand von Zeit und Geld das Gericht beschäftige, merkt Vorsitzender Fischer an.”
Das ist ja eine “interessante” Rechtsauffassung, dass sich die Gebührenverhängung nicht nur am Sachverhalt, sondern auch daran orientieren sollen, ob sich der Herangezogene wohl rechtlich wehrt oder wie sonst darf man das verstehen?
Mr. T.
| #
Weil die Polizei meint, jeden kleinen Handgriff abrechnen zu müssen, auch wenn seine Notwendigkeit noch so unbelegt ist, muss die Gesellschaft hier unnötige Kosten übernehmen und so ein rechter Leugner von Staat, Klimawandel und Pandemie, ein Bayernweit amtsbekannter Querulant, kommt zu einem Erfolgserlebnis vor Gericht. Dumm und unnötig!
auch_ein_regensburger
| #
Die Praxis, „Empfänger” polizeilicher Zwangsmaßnahmen dafür auch noch bezahlen zu lassen, hätte ich bisher eher mit Ländern wie China in Verbindung gebracht. Ich bin einigermaßen erschüttert, dass das in einem Staat, der sich als Rechtsstaat versteht, überhaupt möglich ist.
Ansi
| #
@auch_ein_Regensburger: Es ist möglich, weil es im Gesetz steht und zwar nicht erst seit 2018. Sie wissen schon, das ist das Ding, das im parlamentarischen Prozess von unseren demokratisch gewählten Volksvertretern verabschiedet wird.
Also fast wie in China.
Und in China hätte der Bauer sicherlich auch die 59 Euro erlassen bekommen, ganz sicher. Die Parallelen springen einem ja förmlich ins Gesicht.
SPD4ever
| #
Ich würde gern mal eine Gegenüberstellung der Aussagen dieser verrückten Querdenker sehen mit dem was sie 2020 vorhergesagt haben vs. Politiker und Medien zur gleichen Zeit.
auch_ein_regensburger
| #
@SPD4ever
Diese Aufstellung kann man sich wohl sparen. Nichts davon ist eingetreten.
auch_ein_regensburger
| #
@ Ansi
Vielen Dank für Ihre Rudimentär-Erklärungen zum Gesetzgebungsprozess, aber das war nicht die Frage.
Hthik
| #
@Mr. T. 17. August 2022 um 16:19
Richtig, aber, wie andere schon erwähnten: das Gesetz ist das Gesetz. Dafür, dass in diesem Fall, wäre das Vorgehen der Polizei nachweislich erforderlich gewesen, von der Gebühr abzusehen war, gibt der Artikel nichts her.
Soweit die Theorie.
In der Praxis… Nun ja. Das Gesetz ist irgendwie meistens das Gesetz, außer wir meinen, das wir es ignorieren können. Jüngstes Beispiel
” „Wir verfahren mit den Tesla-Ladesäulen in Bayern genauso wie mit allen anderen Schnellladesäulen: Der gesetzeswidrige Betrieb wird nicht behindert und nicht sanktioniert“, erklärte Thomas Weberpals, Leiter des Bayerischen Landesamtes für Maß und Gewicht, dem Handelsblatt. Zumal ein Ausbau der Ladeinfrastruktur für E-Autos in Deutschland auch aktiv gefordert wird. „Wir sollen das geltende Recht durchsetzen und gleichzeitig die Elektromobilität nicht behindern“, sagte Weberpals weiter. „Würden wir das geltende Recht durchsetzen, müssten Tausende Ladesäulen unverzüglich nachgerüstet oder stillgelegt werden. Das gäbe einen politischen und gesellschaftlichen Aufschrei.“”
Daniela
| #
@ Günther Herzig
“…Dass jeder Einsatz, ob bei Polizei, Feuerwehr oder anderen Geld kostet, kann ja nicht in Frage stehen. Sollen also alle anderen, Steuerzahler und Leistungsempfänger, die vielleicht dann weniger erhalten können, die Kosten für Einsätze, zum Beispiel die Freimachung von Verkehrswegen und anderen Blockademaßnahmen tragen, statt denen, die Kosten verursachen?…”
Und selbst auf die Gefahr hin mich jetzt tierisch unbeliebt zu machen, ich würd dem DFB auch jeden Einsatz in Rechnung stellen, der im Zusammenhang mit Fußballspielen in Stadien steht…
Hthik
| #
@Günther Herzig 21. August 2022 um 09:18
“Dass jeder Einsatz, ob bei Polizei, Feuerwehr oder anderen Geld kostet, kann ja nicht in Frage stehen. Sollen also alle anderen, Steuerzahler und Leistungsempfänger, die vielleicht dann weniger erhalten können, …”
Ich erklär jetzt nicht nochmal in aller Breite, was ich von Argumenten der Art “Kraftstoff darf nicht teurer werden, da die Oma zum Arzt fahren muss, Brennstoff darf nicht teurer werden, da der Familienvater die Wohnung heizen muss …” etc. halte. Außer jemand will es erklärt haben.
Nehmen wir mal den marktideologischen Standpunkt ein. Nicht weil er richtig st, sondern weil er 1) viel einfacher zu erklären ist, als der richtige und 2) nicht ganz falsch und 3) eine alternative Sicht zum verursacherideologischen, den Rechtsanwälte und andere, die es gewohnt sind in diesen Kategorien zu denken intuitiv einnehmen. Das Sei bestimmt das Bewusstsein.
Nehmen wir also mal übungshalber den marktideologischen Standpunkt ein. Nach diesem erscheint es nicht mehr so ungeheuerlich, dass die Kosten auf alle umgelegt werden sollen. Das Prinzip ist bekannt. Man nennt es Flatrate. Ob der neoliberale Nachtwächterstaat auf diese oder auf eine mehr verursacherbezogene Weise oder durch irgendein Mischsystem davon bezahlt wird, ist dann eine reine wirtschaftliche Optimierungsfrage ohne ideologischen Restgehalt.
Beispielsweise haben, im Gegensatz zu unserem sich aus Grund-und Verbrauschkosten zusammensetzenden Verursacherprinzip in der kommunalen Wasserversorgung, nur 26% der großbritannischen Haushalte überhaupt einen Wasserzähler für die Wohnung. Das hat anscheinend auch funktioniert. Die jüngste Dürre führt jetzt aber dazu, dass diese Flatrate zunehmend hinterfragt wird.
“Wenn sie den Hinweis auf das diktatorische China ohne jegliche bürgerlichen Rechte (auf die es ankommt) … Haben Sie schon einmal daran gedacht, dass bei uns gegen jegliches staatliches Handeln der Rechtsweg eröffnet ist.”
Wir sehen hier die instinktive Reaktion des Anwalts in seinem natürlichen Lebensraum. Hat man einem Hammer ist jedes Problem lösbar, das sich auf das Einschlagen von Nägeln reduzieren lässt. Daher ist die Konditionierung der anwaltlichen Lebensformen so, dass sie nach einem Rechtsmittel Ausschau hält. Ist das gegeben, ist jedes Problem damit lösbar und alles wunderbar.
Dem Nichtanwalt mag das anders erscheinen. Er versucht aus den Erfahrungen seiner Lebenswirklichkeit eine Strategie zu entwickeln. Nicht dass ich behaupten will, dass Anwälte grundsätzlich unfähig seien, ihre Sicht zu ändern. Ich erinnere mich da an ein zwischenzeitlich leider verstorbenes Individuum dieser Spezies, dass es durchaus eloquent verstand auch mit öffentlichem Druck zu jonglieren und sich dazu der Kooperation mit einem regional bekannten Journalistischen Blog bediente.
“Der Staat behauptete er wisse besser als seine Bürger, was für sie gut ist.”
Viel besser als ein Staat der behauptet, er wisse besser, als die Bürger, was existenznotwendig ist, vergleiche etwa Regelbedarfsermittlungsgesetz und 1 BvL 10/12, oder? Was würde Jesus dazu sagen? Und was der Teufel?