21 Mai2021
Podcast
der feinsender – der kalenderspruch.
materiell und immateriell. an der donau, in der semmel, im degginger. in regensburg lauert das welterbe überall. in einer neuen folge implementiert der feinsender den heritage interpretation plan.
das weltkulturerbe soll nicht nur bewahrt werden, sondern auch noch spür-, vermittel- und interpretierbar sein. das sagt zumindest eine vorlage für den regensburger stadtrat, mit der sich der feinsender dieses mal genauer befasst.
#godisawoman
#antimaterie
den feinsender gibt es unter anderem auch auf apple podcasts und spotify.
Jakob Friedl
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Vielen Dank dafür, dass Ihr an die Beschlussvorlage VO/21/1778645 anknüpfend, den zu IMPLEMENTIERENDEN Welterbe Interpretation Plan mit naheliegenden Ideen bereichert. Stadträt*innen ist hierzu im Kulturausschuss gar nichts eingefallen. Ich nehme an, weil niemand das Gefühl hatte die Ausrichtung und die Arbeitsweise der Weltkulturerbemaschine in irgendeiner Form beeinflussen zu können, weil eh alles von selbst abläuft oder weil das Thema wurst ist – anders ausgedrückt: Resignative Toleranz. Wahrscheinlich haben die wenigsten Stadträt*innen die Vorlage überhaupt gründlich gelesen. Wozu auch?
Ich habe die Vorlage immerhin gelobt. Denn auch wenn es sich möglicherweise um alten Wein in neuen Schläuchen handelt, finde ich die offen ausgesprochene Erkenntnis, dass die Vermittlung des Weltkulturerbes reine INTERPRETATIONSSACHE ist und die daraus folgende Konsequenz Narrative zu hinterfragen und erneuern zu wollen, an dieser Stelle bemerkenswert. (Die interpretierende Herangehensweise an das Weltkulturerbe ist übrigens der Vermittlungsarbeit in Nationalparks entliehen.)
Entscheidend für unsere Regensburger Lei(d/t)kultur ist dabei: Wozu der ganze Zirkus? Wer sind die Stakeholder in diesem Spiel? Also wer wird in der Arbeitsgruppe vertreten sein um das Welterbe zu interpretieren? Kann das Welterbe diskutiert und nachhaltig kommentiert werden? Welchen Stellenwert und welche Halbwertszeit haben unterschiedliche INTERPRETATIONEN?
Die Vermittlung des Welterbes richtet sich vor allem, jedoch nicht ausschließlich, an Touristen und IMPLEMENTIERT auch ein nach außen getragenes Image der Stadt im Zustandsraum der Stadt selbst. Das Weltkulturerbe wird auch Lei(d/t)kultur für die hier lebenden Regensburger*innen und das Umland.
Deshalb ist es erfreulich, dass die Welterbevermittlung im Besucherzentrum WELTERBE in Zukunft nicht mehr durch die Regensburg Tourismus GmbH (RTG) erfolgen wird, sondern durch die Abteilung Welterbekoordination des Amtes für Archiv und Denkmalpflege (vgl. VO/21/17639/45). Die Aquise von Touristen aus aller Welt per auf allen möglichen Kanälen (wie z.B. der Bunten) geschalteten Werbeanzeigen durch die RTG und die Vermittlung des „Welterbegedankens“ im Besucherzentrum Salzstadel liegen nun in getrennten Zuständigkeiten. Möglicherweise hat das Auswirkungen auf die Beweglichkeit der Konzeption und des Publikums.
Welche NARRATIVE zur Weltkulturerbevermittlung werden entwickelt? Durch wen? Und wie lange bleiben diese jeweils erhalten?
Bevor ich in weiteren Kommentaren auf weitere Aspekte und meine eigenen Arbeiten eingehe, möchte ich die hinsichtlich des Nutzens für das Welterbe unübertroffenen Arbeit(en) der Donumenta in Erinnerung rufen. Finanziert durch entsprechende Fördergelder der EU präsentierten im Jahr 2018 von der Donumenta eingeladene Künstler*innen starke künstlerische Arbeiten, die auf konkrete Orte, Geschichten und Entwicklungen im Stadtraum hinwiesen und auch auf die Themen Welterbe und Tourismus eingingen. Leider wurden alle Arbeiten wieder entfernt (noch unter UNGER). https://www.donumenta.de/en/our-story/cultplatform-21/
Dumitru Oboroc`s, “Nipple of the City” ergänzte niederschwellig die Don Juan Replik (1978) am Zieroldsplatz um einen unübersehbaren (und begehbaren) Ankerpunkt zur jüngeren Stadtgeschichte (Einkaufsstandort DEZ) und den Diskurs der letzten Jahrzehnte um die Darstellung und Person des Don Juans (Filme, Stadtführungen, Artikel, Kasperltheater, Aktionen). Der Nippel verlangte danach in die Stadtführungen einbezogen zu werden, die dann zum Goldenen Kreuz Don Juan weiterziehen…
Auch die von der Stadt angekauften Amalgam Plombe(n) in der historischen Römermauer am St.-Georgen-Platz “Invasion of Interpretations” des moldawischen Künstlers Alexandru Raevschi war wie geschaffen dafür Stadtführungen Halt und Futter zu geben… und einen persönlichen Bezug zum Ort herzustellen. Es sollte nun wenigstens eine Plombe dauerhaft IMPLEMENTIERT werden.
Catrin Bolts Installation „TV from the underground“ im erst 25 Jahre alten Pflaster des Neupfarrplatzes hätte besser als Anknüpfungspunkt für weitere Interventionen zum Document Neupfarrplatz erhalten bleiben sollen.
Es ist vollkommen unverständlich, warum die Halbwertszeit dieser perfekt platzierten Kunstwerke kürzer war, als beispielsweise die nun von der Weltwerbekoordination (oder wem auch immer) neu konstruierte Erzählung, der original Regensburger KARTOFFELSUPPE es sein wird. Wobei ich Kartoffelsuppe durchaus für ein geeignetes Gericht halte. :-)
Eine kleine Wiedergutmachung an die Bemühungen der Donumenta um zeitgemäße Interpretationen wäre es, wenn wenigstens die Arbeit “The Inhabitants of Colosseum” des ukrainischen Künstlers Nikita Kadan in die Dauerausstellung des Welterbezentrums aufgenommen würde.
Unser neuer Kulturreferent Wolfgang Dersch sitzt auf dem Erbe des erzkonservativen Touristikers Clemens Unger und hat nun die dankbare Aufgabe dieses aufzuarbeiten, neue Strukturen zu schaffen und andere Narrative zuzulassen. Ich wünsche ihm an dieser Stelle gutes Gelingen.
P.S.: Bzgl. Modls Schlauchboottouren, hier ein weiterer Donumenta Künstler, der die Donau mit Floß erkundete http://www.rainer-prohaska.net/Cargo (und nicht mit Till Schweigers „barefoot boat“). Das meiner Meinung nach beste Projekt Prohaskas ist jedoch die Erkundung Pekings mit einem Lastenrad anlässlich der Olympiade: http://www.rainer-prohaska.net/Enter-Beijing
Ob sich Künstler*innen finden lassen, die das 2023 bevorstehende Landesturnfest BEGLEITEN?
Jakob Friedl
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Zu oben: Ein gewisser Abstand zum Regensburger Weltkulturerbe kann von Vorteil sein.
Für mit der Situation vertraute Regensburger Künstler*innen bleibt scheinbar nur größtmögliche Konformität und Belanglosigkeit beim eingebundenen Mitmachen oder ätzende Kritik und Humor.
Die Welterbestadt brachte in den vergangenen Jahren auch eine eigene “Art Kunst” hervor, wie z.B. an der Welterbehalbkugel, den platten Musikanten, der dominierende Papstkaaba, der rostigen Römertafel, Fontana Regina und dem goldenen Waller ablesbar ist.
Die https://www.touristifikation.de/ hat sich auf das Thema Welterbemarketing spezialisiert, aber auch ich bin trotz Áusweichbemühungen nach Burgweinting nicht drum herum gekommen mich am Welterbe zu reiben:
2007 ein Jahr Welterbe: „242 x Luftlinie / Abseits des Jakobswegs“: http://jakob-friedl.de/?p=1062 siehe auch https://youtu.be/44FSLpgE_dU mit Ratisbona City-Tour bei 1:49 min
2009/2010 war es der RTG leider nicht möglich das Europabrunnendeckelprojekt in die Römermauerführung einzubeziehen. So standen die Touristengruppen regelmäßig ratlos auf dem Skateplatz des Europabrunnendeckelprojektes herum…
2011: Leider unvollendet gebliebene Weltkultursterbehalbkugeln http://jakob-friedl.de/?p=2138
2012: „Public Crossfader“ !!! unterbundene !!! Aktion zum Weltkulturerbetag mit dem Motto „Immerwährender Reichstag“ http://jakob-friedl.de/?p=3305#pupliccrossfader
2015/2016: Interventionen am Dachauplatzbrunnen: „Kep´f in der Dusche“„Erinnerung Gestalten“ (parallel zur Kunstmesse), „200 Menschen bis Juli 1933“ (Rollraseneinweihung am 23.April), Salzsäuregrundierung für ein buntes Straßenmalkreidegraffiti „Sei still sonst kommt Du nach Dachau“ http://europabrunnendeckel.de/?p=5365
Artikel zum Welterbezeichen „Fontana Regina“, dem neuen Dachauplatzbrunnen: http://europabrunnendeckel.de/download/Dachauplatz_Preisverleihung/Versuch_Dachauplatz_Artikel_nie_erschienen_darum_ueberlang.pdf
2015: Reiterstandbildschutz – König Ludwig I verhüllen mit Querverweisen auf Skopje 2014 und Kurt Eisner: http://europabrunnendeckel.de/?p=5150
Das erhabene Ludwig I Herrscher-Denkmal von 1904 auf dem freigestellten Domplatz (ehemals Salzburger Gesandtschaft) samt Sockel interpretieren… ist keine „damnatio memoriae“, sondern eine notwendige Auseinandersetzung mit dem Denkmal! (Ein Vergleich zu den anderen, früheren Ludwig I Denkmälern lohnt!)
Dazu auch ein Malplakat: https://ribisl.org/wp-content/uploads/2020/07/DSC05951-768×1024.jpg
2019: Allererste Malkampfskizzen: „Touris versenken“ und
„Ankerzentren für Touristen“ siehe: http://europabrunnendeckel.de/?p=7817
2019: Malplakat „Shit & Drive“ am Schwanenplatz: https://ribisl.org/wp-content/uploads/2019/11/DSC_0013.jpg
2020: „Auf das Welterbe scheißen“ mit Touristenschiff, goldenem Waller und Preisangaben je nach Höhe und Nähe zum Welterbe. Malplakat von WURZL E: https://ribisl.org/wp-content/uploads/2019/11/DSC07474-768×1033.jpg ..hier im MdbK Leipzig: https://ribisl.org/wp-content/uploads/2020/02/DSC07862-768×1024.jpg
2020 Malplakat von der Kulturwissenschaftlerin Steffi zum Haus der Bayern:
https://ribisl.org/wp-content/uploads/2019/11/DSC06749-768×1024.jpg
2017, 2019 und 2020 Vorwegnahme und Nachbau der rostigen Römertafel am zubetonierten Europabrunnendeckel: „Ein Limes in den Köpfen“ http://europabrunnendeckel.de/?p=7673 Die Donau – Straße der Kaiser und Könige” https://ribisl.org/die-donau-strasse-der-kaiser-und-koenige/
Im Übrigen: Nicht alles, wo Prinz oder König draufsteht, ist vorbehaltlos genießbar. (Siehe z.B. Oberbefehlshaber Ost: https://de.wikipedia.org/wiki/Leopold_von_Bayern)