17 Jun2009
Demoverbot für Flüchtlinge
Vergangenes Wochenende fanden in München die Aktionstage zur Abschaffung des Lagerzwangs für Flüchtlinge statt. Als Höhepunkt fand am Samstag eine Demonstration unter dem Motto „Freiheit statt Zwang“ statt, an der sich rund 500 Menschen beteiligt haben. Dafür, dass es nicht mehr wurden, hat offenbar das Bayerische Innenministerium gesorgt. Für Flüchtlinge gilt in Deutschland Residenzpflicht. Ohne Erlaubnis der Ausländerbehörde dürfen sie den Landkreis, in dem sich ihre „Gemeinschaftsunterkunft“ befindet nicht verlassen. Bei Verstoß drohen zudem Sanktionen von Bußgeldern über Geldstrafen bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe. Eine in dieser Form einmalige Regelung in Europa.
Diese Erlaubnis gab es für Flüchtlinge aus der Oberpfalz und Ober-, Mittel- und Unterfranken nicht – offenbar auf Anweisung des Innenministeriums und der ihm untergeordneten „Zentralen Rückführungsstelle Nordbayern“. Der Besuch einer Demonstration rechtfertige nicht die Befreiung von der Residenzpflicht, ließen die Behörden den bayerischen Flüchtlingsrat wissen. Die Demoteilnahme sei weder im öffentlichen Interesse noch stelle es eine unbillige Härte für die Flüchtlinge dar, wenn sie nicht nach München zur Demo fahren dürften. Anders ausgedrückt: Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit und freie Meinungsäußerung gilt für Flüchtlinge nicht. „Damit wird den Flüchtlingen von genau den Behörden, gegen die sich ihr Protest richtet, die Teilnahme an den Protestaktionen untersagt“, kritisiert eine Sprecherin des Flüchtlingsrats.
Im Flüchtlingslager Teublitz-Koppenlohe (Landkreis Schwandorf) nahmen es die Mitarbeiter offenbar besonders genau. Wie das Regensburger Flüchtlingsforum mitteilt, verteilte der GU-Leiter am fraglichen Demo-Samstag die Post der Flüchtlinge in die Wohnungen, um die Anwesenheit zu kontrollieren. Normalerweise müssen die Bewohner ihre Post selbst abholen. „Am Wochenende ist normalerweise kein Hausmeister anwesend“, so Forum-Sprecherin Marion Puhle. „Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.“
Am morgigen Donnerstag wird sich zeigen, inwiefern die Proteste zur Abschaffung der Lagerpflicht dennoch gefruchtet haben. Dann findet im bayerischen Landtag die erste Debatte zu dem Thema statt. In Regensburg wurde bislang noch keine entsprechende Willensbekundung – sprich: Resolution – zur Abschaffung der Lagerpflicht verabschiedet. Ein entsprechender Antrag der kleinen Stadtratsfraktionen wurde Ende April auf Bitte von Sozialbürgermeister Joachim Wolbergs vertagt. Voraussichtlich bei der Stadtratssitzung Ende Juni soll das Thema erneut debattiert werden.
schleiereule
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Erstaunlich, daß hier niemand kommentiert. Ein schreiender Mißstand in dieser Gesellschaft und diese schaut weg. Warum kann man sich darüber nicht ereifern? Zumindest nicht öffentlich? Wo bleibt da der sonst so unfehlbare Instinkt für Gut und Schlecht? Würde man so behandelt werden wollen? Wohl kaum. Trotzdem dulden wir es, daß Leute in Deutschland in dieser Weise schikaniert werden. Was also, läuft schief?
Theodor Rieh
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Im Artikel “Lagerkoller” vom April dieses Jahres heißt es: “Aktuell leben in der Regensburger GU 133 Flüchtlinge. Viele seit über zehn Jahren. Umziehen verboten. Nicht Wohnungsnot ist der Grund für diese zwangsweise Unterbringung. ‘Sie soll die Bereitschaft zur Rückkehr in das Heimatland fördern’, heißt es in der bayerischen Asyldurchführungsverordnung.”
Übersetzt man “Sie soll die Bereitschaft zur Rückkehr in das Heimatland fördern” in Normaldeutsch, so heißt das: “Wir wollen sie rausekeln.”