Debatte um Pläne fürs leere Hochhaus: Watschen für SPD und Regensburgs OB
Der Sozialausschuss stimmt mehrheitlich für die Zwischennutzung des leerstehenden Hochhauses in der Daimlerstraße als Obdachlosenunterkunft. Sozialbürgermeisterin Freudenstein übt scharfe Kritik an SPD und OB.
Bürgermeisterin Astrid Freudenstein (CSU) verliert selten die Fassung. Doch nach über einer Stunde hitziger Debatte im Sozialausschuss zur Zukunft des leerstehenden Hochhauses in der Daimlerstraße ist es schließlich so weit. Die SPD-Fraktion im Regensburger Stadtrat und auch Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer bekommen ihr Fett weg.
Vorweg: Am Ende stimmt eine klare Mehrheit für Freudensteins Antrag, drei Stockwerke des Hochhauses, das die Stadt 2020 vom Bund erworben hat, zu einem „Flexi-Haus“ für Obdachlose umzufunktionieren – dagegen stimmen SPD, Grüne und Jakob Friedl. „Man könne unter Abwägung aller Aspekte mit dieser Lösung leben“, sagt Astrid Lamby (ÖDP). Allen Bedenken zum Trotz sei das Flexi-Haus eine Verbesserung im Gegensatz zur maroden Aussiger Straße. Ähnlich sehen das Kerstin Radler (Freie Wähler) und Tom Mayr (Brücke).
„Drecksloch“ Aussiger Straße
Im Gegensatz zur Sitzung des Bauausschusses, wo der Antrag vergangene Woche aus formalen Gründen noch von der Tagesordnung genommen wurde und es vor allem kritische Stimmen zu Freudensteins Plänen gab, erhält die Sozialbürgermeisterin dieses Mal auch Unterstützung von der CSU-Fraktion. „Man finde seit Jahren keine Nutzung für das Gebäude“, sagt Stadtrat Erich Tahedl. „Es sei doch besser, für fünf Jahre zumindest drei von sieben Stockwerken zu nutzen, als es weiter leerstehen zu lassen. Abgerissen werde es irgendwann so oder so“, glaubt er. Jetzt dagegen zu sein, verwehre den Menschen in der bisherigen Obdachlosenunterkunft Aussiger Straße, dass diese aus „dem Drecksloch“ rauskämen. Das sei „unchristlich, unsozial und unsolidarisch“.
1,5 Millionen Euro sollen investiert werden, um die drei Stockwerke bewohnbar zu machen. Unter anderem für eine externe Trinkwasserversorgung – die Leitungen in dem Hochhaus sind marode – und Container mit Duschen und Gemeinschaftsküchen. Allen Einwänden zum Trotz würden die Zustände in dieser Unterkunft „um Dimensionen“ besser sein als in der Aussiger Straße, so Freudenstein.
Komplettnutzung zu teuer
„Ich habe mich nicht um dieses Gebäude gerissen“, erklärt die Sozialbürgermeisterin. Doch das Liegenschaftsamt habe es ihr im Sommer 2022 angeboten, nachdem sich die ursprünglichen Pläne für städtische Büros in dem früheren Divisionsgebäude zerschlagen hätten. Da sie ständig auf der Suche nach Immobilien sei, um ihr dezentrales Obdachlosenkonzept zu verwirklichen, habe sie zugeschlagen und zunächst einen Planungsauftrag zur vollständigen Nutzung des Hochhauses auf den Weg gebracht.
Dieser habe ergeben, dass es sieben Millionen kosten werde, das Gebäude auf Vordermann zu bringen – ohne Index- und Risikokosten. Stand Sommer 2023 sei man bei einem notwendigen Investitionsvolumen von 10,75 Millionen gewesen. Eine Summe, die bei der städtischen Kämmerei nicht auf Wohlgefallen stieß. Das habe sie auch eingesehen, sagt Freudenstein. Also gab es im Februar letzten Jahres einen neuen Planungsauftrag für drei Stockwerke. Den habe die Oberbürgermeisterin erteilt und nicht sie.
SPD und Grüne: Zusätzliche Belastung für belasteten Stadtteil
Mehrfach gibt es Widerspruch von SPD und Grünen. Wenn man bedenke, dass es hier nur um eine Zwischennutzung für fünf Jahre gehe, seien 1,5 Millionen Euro „vergleichsweise teuer“, kritisiert beispielsweise Wiebke Richter (Grüne).
Evelyn Kolbe-Stockert (SPD) gibt zu bedenken, dass sich in dem Gebiet bereits mehrere Unterkünfte für Geflüchtete, das Ankerzentrum und die Obdachlosenunterkunft NOAH befänden. Das sei keine dezentrale Lösung und belaste den Stadtteil zusätzlich. Mit Blick auf CSU-Stadträtin Bernadette Dechant, selbst aus dem Stadtosten und Sprecherin der Bürgerbewegung Hohes Kreuz, sagt Kolbe-Stockert: „Ich wundere mich, dass Frau Dechant zu dem Thema so gar nichts sagt. “ Sonst höre man von dieser ständig, dass der Stadtteil nicht stärker belastet werden dürfe.
„Sie müssen mal Ihre Kommunikation verbessern.“
Während Dechant das schweigend zur Kenntnis nimmt, platzt deren Parteifreundin Freudenstein jetzt der Kragen. „Das Konzept der SPD war ein großer zentraler Standort in der Aussiger Straße“, wettert sie. Erst nach einigen Diskussionen seien die Sozialdemokraten davon abgerückt. Die jetzige Vorlage habe zudem die Oberbürgermeisterin beauftragt und auf die Tagesordnung gesetzt. „Man kann die Leute in der Verwaltung nicht elf Monate arbeiten lassen und dann nicht wollen“, wettert Freudenstein. „Sie müssen mal Ihre Kommunikation verbessern“, sagt sie in Richtung der SPD.
Bereits im Zuge der Haushaltsberatungen gab es interne Diskussionen zwischen SPD-Fraktion und Oberbürgermeisterin. Maltz-Schwarzfischer hatte den Planungs- und Prüfauftrag zur Zwischennutzung des Gebäudes auf Freudensteins Wunsch hin noch zu Koalitionszeiten erteilt.
Der SPD-Fraktion ließ die OB schließlich freie Hand. Doch im Vorfeld der Sitzung habe sie es abgelehnt, den Punkt von der Tagesordnung zu nehmen, heißt es. Maltz-Schwarzfischer habe sich nicht dem Vorwurf aussetzen wollen, gegen die Sozialbürgermeisterin zu arbeiten. Das Ergebnis dieses unentschiedenen Vorgehens der OB: Eine Debatte, in deren Zuge sie, SPD und Grüne abgewatscht werden und am Ende das Nachsehen haben.
Berechtigte Einwände werden nicht erhört
Nicht berücksichtigt werden die Einwände von Jakob Friedl, der sich seit Jahren wie kaum ein anderer Stadtrat mit dem Hochhaus in der Daimlerstraße beschäftigt. Dem Stadtrat sei weder eine 2017 erstellte Studie zur Büronutzung durch die Verwaltung vorgelegt worden noch die von Freudenstein erwähnte Untersuchung, das Gebäude vollständig für 10,75 Millionen Euro herzurichten, kritisiert er. „Den Stadtrat als Ganzes hat das nicht interessiert und ich als Einzelstadtrat habe keine Möglichkeit, Einsicht zu bekommen.“
Ohne diese Informationen könne man aber gar nicht beurteilen, ob die jetzt geplante Zwischennutzung sinnvoll sei oder nicht. „Wie soll da eine vernünftige Abwägung möglich sein? “, so Friedl. Er verweist auf die Studien der TU München zu möglichen Nutzungen, die dem Stadtrat ebenfalls nie vorgelegt worden seien. Es sei „ungeheuerlich“, wie das alles ohne größere Diskussion durchgehe. Es sei „unmöglich“, wie hier mit öffentlichem Eigentum umgegangen werde.
Über entsprechende Änderungsanträge Friedls wird mangels Zuständigkeit des Sozialausschusses nicht abgestimmt. „Was mit der Liegenschaft als Ganzes passiert, liegt nicht in meiner Zuständigkeit“, sagt Freudenstein. Friedl kann es im Bauausschuss erneut versuchen, wo kommende Woche über die Freigabe der 1,5 Millionen Euro entschieden wird.
Ende der Aussiger Straße? Wohl nicht.
Wird mit dieser Zwischennutzung das proklamierte Ziel erreicht, die Obdachlosenunterkunft in der Aussiger Straße endgültig leer zu bekommen? Freudenstein und Sozialamtschef Christoph Gailer hoffen es. Mit dem Chancenhaus in Kumpfmühl und Wohnungen in der Vitusstraße, welche die Stadtbau in Aussicht gestellt habe, sei dies theoretisch möglich, sagt Gailer.
Für Brücke-Stadtrat Ernst Zierer ist das eine trügerische Hoffnung. Die Zwischennutzung im Hochhaus werde zwar eine Verbesserung bringen, aber die Aussiger Straße „wird uns bleiben“.
Bürgerverein befürchtet Dauerprovisorium
Die Obdachlosenunterkunft in der Aussiger Straße existiert seit 70 Jahren. Auch dort war zunächst nur eine Zwischennutzung angedacht. Entsprechend gibt es Befürchtungen beim Bürgerverein Süd-Ost, der sich in einer Stellungnahme gegen die nun angestrebte Pläne für das Hochhaus wendet.
Die Stadt betone immer wieder „die Wichtigkeit einer sozialen Durchmischung in den Quartieren“, heißt es darin. „Mit der Unterbringung dieser Menschen in der Daimlerstraße, die ja gerade am Rand des Stadtgebiets mit dem höchsten Sozialindex liegt, kommt man jedoch diesem Ziel keineswegs näher.“ Auch stehe zu befürchten, dass aus der Zwischenlösung ein Dauerprovisorium werde.
Tatsächlich gibt es bislang keine Idee, wie es nach den fünf Jahren weitergehen soll. „Ich suche weiter nach Liegenschaften“, sagt Freudenstein dazu. „So wie alle Sozialreferenten in Bayern. “
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Native
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Kommentar gelöscht. Keine Doppelpostings.
michinga
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aha. Keine Durchmischung also, nicht wirklich dezentral, nicht alle Informationen und Konzepte geprüft und auch noch für die Zeit ziemlich teuer.
By the way: wo ist ihr Verkehrskonzept, Frau Freudenstein?
Mr. T.
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Vielleicht etwas besser als die Aussiger Straße, dafür viel schlechter als das, was man eigentlich vorgehabt hatte. Und durch die hohen Investitionen manifestiert, dass dann für die nächsten Jahre auf diesem Gebiet nichts mehr passiert. Unterm Strich verlieren diese Menschen dann trotzdem.
Daniela
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@Mr. T.
29. Januar 2025 um 19:16 | #
So, wie es sich momentan anlässt, wird die Aussiger weiter bleiben. Das Ganze ist auf 5 Jahre als Ausweichmöglichkeit prognostiziert. Zwischenzeitlich soll weiter nach Quartiermöglichkeiten, möglichst dezentral, gesucht werden.
Für mich klingt das erst einmal nach einer Notlösung, die aber, wenn die Aussiger bleibt Platz schafft, der bislang nicht vorhanden ist. 1,5 Millionen sind angedacht. Sind 300 000€ / Jahr ohne sonstig anfallende Kosten.
Es ist zumindest ein Anfang, der Obdachlosen zugute kommt.
Dass von Ihnen kein Freudenschrei kommt, war klar, aber, dass jeder Anfang gleich nieder gemacht wird, ist auch falsch.
Jakob Friedl
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@Daniela “Sind 300 000€ / Jahr ohne sonstig anfallende Kosten.” Das ist falsch – bitte die Vorlage lesen! https://www.regensburg.de/rathaus/stadtpolitik/stadtrat/aufzeichnungen-der-stadtratssitzungen/oeffentliche-sitzung-des-ausschusses-fuer-soziales-und-allgemeine-stiftungsangelegenheiten-vom-28-01-2025
Der Punkt ist, dass dem Stadtrat keine Kostenabwägung zum Divisionsgebäude vorgelegt wird und wurde – noch nie. Nicht 2027, nicht 2020, nicht 2022, nicht jetzt. Natürlich ist es teurer das gesamte Gebäude in Stand zu setzen – möglicherweise ist eine längerfristig angelegte Strategie für das Gebäude jedoch kosteneffizienter. Ich weigere mich eine Beschlussvorlage abzunicken, wenn ein Einblick in den Abwägungsprozess verweigert wird.
Sozialbürgermeisterin Freudenstein hat 2023 Bedarfe für eine Zwischennutzung, nicht nur für die Obdachlosenunterbringung angemeldet, die vom Hochbauamt als Dienstleister abgearbeitet wurden. Übrig blieb die temporäre Nutzung von 3 Etagen für die Unterbringung von obdachlosen Menschen.
Es liegt außerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs zusätzlichen Bedarf für z.B. Büronutzungen durch andere Ämter oder durch zivilgesellschaftliche Akteure abzufragen, anzumelden und prüfen lassen. Das ist Aufgabe der Oberbürgermeisterin.
Was mich jedoch vor allem stört ist, dass die provisorische Obdachlosenunterbringung isoliert hinter einem Zaun mit Wachdienst stattfindet. Mein Änderungsantrag, den ich heute im Stadtrat erneut, in der Hoffnung auf Zuständigkeit und Behandlung, vorbringen werde, zielt darauf ab, dass die Verwaltung Bedarfe in der Breite abfragt und prüft, wie kostengünstig weitere Nutzungen oberhalb der 3 Etagen Obdachlosenbeherbergung möglich werden können. Bisher wurde wohl lediglich geprüft, wie das ausgeschlossen werden kann. Prüfgegenstand und Kostenschätzungen bleiben bisher vollkommen intransparent.
Ich halte einen Nutzungsmix, Publikumsverkehr und Möglichkeiten zur Begegnung wichtig für die Qualität einer würdigen Obdachlosenunterbringung an dieser Stelle. Eine Mischnutzung mit städtischen Ämtern oder beispielsweise (jungen) Architekturbüros könnte auch hilfreich sein, um Perspektiven für das ehemalige Divisionsgebäude zu entwickeln.
In diesem Punkt bin ich mir übrigens einig mit Frau Freudenstein.
Der Stadtrat hat heute und im kommenden Bau- und Vergabeausschuss Gelegenheit, Interesse am Thema zu zeigen und der Verwaltung den Auftrag zu geben nach Lösungen zu suchen und uns diese transparent darzulegen.
Abgesehen von den Nutzungsmöglichkeiten der oberen Etagen bietet das Pförtnerhäuschen eine Chance um vor Ort Projekte entwickeln zu können. Es sollte alles dafür getan werden, dass Engagement und Ideen hier andocken können.
Daniela
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@ Jakob Friedl
Ich verstehe Ihre Einwände. Die 1,5 Millionen entnahm ich obigen Artikel, als Investitionskosten für die Nutzbarkeit 3er Stockwerke.
Ich verstehe Sie erst recht, wenn Sie bislang keine Einsicht in die etwaigen Vorlagen, Planungen usw. hatten. Ich denke auch, dass Sie äußerst gewissenhaft sind und nichts abnicken würden, was Ihnen nicht nachvollziehbar ist.
Ich habe es auch nur als provisorische Lösung betrachtet (Notlösung) und hoffe, genau, wie Sie, dass innerhalb der nächsten 5 Jahre Planungen zur Mischnutzung, oder Ähnliches vorgenommen werden.
Sehen Sie es mir bitte trotzdem nach, dass dieses Provisorium vielleicht eine Chance bietet, Wohnungs- Obdachlosen erst einmal ein “Dach über dem Kopf” zu bieten. Natürlich und da sind wir uns einig, sollten auch Notunterkünfte bestimmte Voraussetzungen erfüllen.