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Kriegsende in Regensburg

Debatte um die Revision einer Legende

Im Rahmen einer dreiteiligen Serie hat unser Autor Robert Werner das kürzlich erschienene Buch „Kriegsende in Regensburg. Die Revision einer Legende“ besprochen (komplett als PDF). Dabei hat Werner auch die Rolle von Stadtheimatpfleger Dr. Werner Chrobak kritisch beleuchtet. Am Montag haben wir dazu eine Erwiderung von Dr. Chrobak veröffentlicht. Hier folgt nun eine erneute Entgegnung von Robert Werner (Alle dazu erschienenen Artikel gibt es hier.).

Werner Chrobak hat eine Entgegnung vorgelegt, die nur einen kleinen Teil der in meinem Beitrag vorgetragenen Kritikpunkte anspricht. Auf den eigentlichen Anlass meines Artikels, das Buch „Kriegsende in Regensburg. Die Revision einer Legende“ (2012) von Peter Eiser und Günter Schießl, geht er nur indirekt ein. Die weitreichenden Ergebnisse und Konsequenzen dieser Publikation scheint Chrobak nur rudimentär zur Kenntnis genommen zu haben. Seine Entgegnung verfährt getreu dem Motto „antworte nur ansatzweise inhaltlich und versuche den Kritiker als Ehrabschneider und unseriösen Zeitgenossen hinzustellen! Eröffne irrlichternde Nebenschauplätze!“

Den Großteil der schwerwiegenden Kritik an ihm, wie zum Beispiel sein tendenziöser Umgang mit Quellen (sein Interview mit Matzke, 1985) bzw. Standardliteratur (Bayern in der NS-Zeit, 1981), schiebt Chrobak auf die berüchtigte lange Bank Regensburgs.

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Doch was ist zu den Einzelpunkten seiner Entgegnung zu sagen?

Zu 1. Hier geht es um die Anzahl der Todesopfer unter den Regensburger Geistlichen (nicht unter den Laien) während der NS-Zeit. Obwohl meine diesbezügliche Angabe leider fehlerhaft war, bleibt mein Argument, dass der Domprediger Johann Maier in diesem Zusammenhang herausragt, davon unberührt.

Zu den Opferzahlen: Angesprochen habe ich den Stand der Forschung um das Jahr 1982, als Robert Bürger im Bischöflichen Zentralarchiv vorstellig wurde. Dem damaligen Wissensstand zufolge hat die Stadt Regensburg mit Domprediger Johann Maier EIN Todesopfer zu beklagen.

Mit Blick auf das gesamte Bistum Regensburg ist noch Pfarrer Josef Losch (zuletzt Pfarrer in Miesbrunn) zu nennen, der im Januar 1945 in Berlin-Brandenburg nach einem Prozess vor dem „Volkgerichtshof“ wegen angeblicher Wehrkraftzersetzung hingerichtet wurde. (Georg Schwaiger und Paul Mai: Das Bistum im Dritten Reich (Beiträge zur Geschichte des Bistums Regensburgs Band 15), 1981, S. 121) Darüber hinaus gibt es drei weitere Priester, deren jeweiliger Tod wahrscheinlich in Beziehung zum damaligen NS-Terror steht. Die genauen Todesumstände waren aber seinerzeit unklar.

Chrobaks Angabe von „zehn Priester und Laien“ ist in dem von mir genannten Zusammenhang irreführend, zumal er sich auf eine Publikation bzw. den Forschungsstand von 2004 bezieht und die Gruppe der Laien mit einbezieht.

Zu 2. Meine Ansicht, dass man im Bischöflichen Zentralarchiv Robert Bürgers Artikel „Regensburg in den letzten Kriegstagen des Jahres 1945“ mit offenen Armen aufgenommen hat, halte ich für hinreichend begründet. Dieser Eindruck speist sich auch aus meinem Gespräch mit Werner Chrobak vom 8. Juni 2012. Dass der merkwürdige Schlusssatz von Bürger (1983) – in dem er von Märtyrertod und Gebetsannahme spricht – aus dem üblichen wissenschaftlichen Rahmen fällt, ist evident. Wem soll dieser Schluss nützen?

Zu 3. Chrobak glaubt, mich einer unlauteren Unterstellung überführen zu können, wenn er ausführt: „Ein Seligsprechungsverfahren … ist bis heute nicht für Dr. Johann Maier eingeleitet.“

Dies ist befremdlich, da ich an dieser Stelle nichts anderes als er behauptet habe. Meine darüber hinaus vorgetragene Einschätzung über eine mögliche Eröffnung eines Verfahrens basiert auf einem Gespräch von Mitte Juni 2012, das ich mit dem zuständigen Leiter der Abteilung für Heilig- und Seligsprechungen, Domvikar Msgr. Georg Schwager geführt habe.

Zu 4. Zur Frage nach der Verantwortung des „Historischen Vereins“ (HV). Ich habe bezüglich der Aufnahme von Robert Bürgers Arbeit (1983) weder die damalige Vorstandschaft des HV noch die Schriftleitung der „Verhandlungen des Historischen Vereins für Oberpfalz und Regensburg (VHVO)“, Paul Mai, kritisiert, sondern Werner Chrobak in seiner damaligen Rolle und als Verfasser des Vorwortes. Chrobaks Verteidigung des HVs im Nachhinein wirkt zudem verwunderlich, da er im fraglichen Zeitraum keinerlei Funktion oder Amt im HV innehatte.

Zu 5. Primär ist der Autor für den Inhalt einer Arbeit verantwortlich, in diesem Punkt kann ich Chrobak voll zustimmen. Warum Bürger überhaupt auf die außerordentliche Idee kam, seinen Artikel als Gemeinschaftswerk Bürger/Chrobak veröffentlichen zu wollen, entzieht sich meiner Kenntnis. Hier wäre Werner Chrobak gefragt.

Zu 6. Ich habe in meinem Aufsatz geschlussfolgert: „Dass Robert Bürger den unter seinem Namen in den VHVO publizierten Aufsatz in dieser Form eigenständig geschrieben hat, halte ich angesichts der vorliegenden Quellenbasis für ausgeschlossen.“ Dieses Rechercheergebnis entstand nicht, wie Chrobak verkennt, mit Blick auf seine Dankesworte, sondern aus einem intensiven Textvergleich von Bürgers Erfassungen (1981) mit dem später in den VHVO publizierten Aufsatz, Bürger (1983).
Ich habe NICHT behauptet, dass Chrobak der Verfasser des Aufsatzes ist. Vielmehr bleibt die von mir aufgeworfene Frage nach der Autorenschaft offen. Warum Chrobak diese unbeantwortet gelassene Frage mit Hilfe einer abwegigen, gegen mich gerichteten Unterstellung auf sich bezieht, bleibt rätselhaft.

Zu 7. An dieser Stelle wird der Aufsatz von Jürgen Mulert: Amerikanische Quellen zur Vorgeschichte der Kapitulation von Regensburg im April 1945, in: VHVO Bd 127 (1987), behandelt. Mulert referiert darin relevante US-Dokumente, auf die Arbeit von Bürger (1983) geht er aber inhaltlich nicht weiter ein. Das für die Regensburger Bürger-Legende bezeichnende liegt darin, dass die in meinem Aufsatz erstmals thematisierte Unvereinbarkeit eines US-Dokuments mit Bürger (1983) bislang nicht behandelt wurde und Chrobak sich schließlich gezwungen sieht, die Zusammenhänge anzusprechen.

Ich halte meine Kapitelüberschrift – „Bürger (1983) unvereinbar mit den amerikanischen Quellen“ – für sachlich angemessen. Mein Zitat von Jürgen Mulert, wonach seine Arbeit die Schilderung von Bürger „teilweise in einem etwas anderen Licht erscheinen“ lasse (, S. 267), ist korrekt wiedergegeben und verfälscht den Gesamtzusammenhang keinesfalls, wie Chrobak es mir vorwirft.

Zu 8. Hier geht es im Besonderen um die Aussage von General a. D. Leythäuser, der den Amerikanern die Kapitulationserklärung der Stadt Regensburg am 27. April 1945 überbrachte. Anhand dieses US-Dokuments wird exemplarisch deutlich, wie Chrobak eine Quelle zurechtbiegt, um die Bürgersche Legende aufrechthalten zu können.

Laut der von Mulert (1987) erschlossenen amerikanischen Akten sagte Leythäuser am 27. April aus, „daß alle Wehrmachtseinheiten die Stadt am Tag vorher [= 26. April; Anm. R.W.] in südöstlicher Richtung verlassen hätten.“ (S. 274) Dies ist – anders als Chrobak meint – de facto KEINE direkte Bestätigung der Hauptaussage von Robert Bürger, der am 27. April um 4 Uhr mit seinem Regiment in südlicher Richtung ausgezogen sein will, sondern ein handfester Widerspruch zu ihm. Chrobak muss Bürger mit einer abwegigen Interpretation dieser Quelle zu Hilfe eilen und aus dem Tag des 26. Aprils eine Nacht machen, die vom 26. auf den 27. April.

Wer den Tag zur Nacht und A zu B macht, um seine Sicht der Dinge aufrecht halten zu können, dem ist wahrscheinlich mit dem Hinweis, dass Tag und Nacht nicht dasselbe sind und A nicht gleich B ist, nicht zu helfen.

Zu 9. Die genaue Zahl der in Regensburg um den 27. April verbliebenen und/oder abgezogenen Soldaten ist tatsächlich nicht eindeutig geklärt. Ich argumentiere gleichwohl, dass für das Ende der Kampfhandlungen eine bedingungslose Kapitulation notwendig war. Einigkeit besteht darüber, dass der Kampfkommandant Hans Hüsson in Regensburg bis zu seinem Auszug der Hauptverantwortliche in der militärischen Hierarchie war. Die Verantwortung für die nachfolgende Kapitulationserklärung trug allerdings Major Othmar Matzke. Robert Bürgers Rolle ist äußerst dubios, da seine selbstgefälligen Schilderungen nur von ihm selbst gestützt werden. Was Chrobak mit „Nur vom Ende der ‚Legende Bürger‘ zu sprechen, ist zu wenig“ meint, bleibt kryptisch, da gerade er bislang noch nicht von einer Widerlegung der Legende nach Bürger (1983) ausgeht.

Zu 10. Das von Chrobak angesprochene Zitat aus meinem Aufsatz – „Der Historiker Werner Chrobak hielt dem Oberst a. D. Robert Bürger den Steigbügel und ermöglichte ihm einen einmaligen Ausritt ins wissenschaftliche Gelände.“ – sollte niemanden beleidigen, sondern das entsprechende Kapitel mit einer Metapher abschließen. Soviel gestalterische Freiheit möchte ich schon in Anspruch nehmen können, ohne dass man mir mit Parolen wie „verletzt … die (soldatische?) Ehre anderer“ und „Beleidigung“ entgegnet. Eine justiziable Beleidigung kann ich nicht erkennen.

Ein kurzes Resümee: Werner Chrobak hat sich und der Sache „Kriegsende Regensburg“ mit seiner „Entgegnung“ keinen guten Dienst erwiesen. Vielmehr hat sich leider bestätigt, dass er in dieser Hinsicht als subjektiv verstrickt gelten muss. Fast möchte man ihm dafür danken, dass er anhand des o.g. US-Dokuments seine in diesem Zusammenhang tendenziöse Quellenarbeit aktuell nochmals exemplarisch und unverblümt vorgeführt hat.

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Kommentare (5)

  • Franzjosef

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    Kamerad Chrobak!
    Die Schlacht um die Bürgersche Legende ist verloren. Tun sie es wie Othmar Matzke: Kapitulieren sie bedingungslos!

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  • Fr.Streng

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    Herr Werner es reicht, sie müssen Chrobak nicht auch noch danken für seine Quellenbeugung.

    Bei Eiser und Schießl (2012, S. 74) kann man lesen, dass diese Chrobak bereits 2004 und 2005 auf erhebliche Zweifel an den Ausführungen Bürgers und auf viele Ungereimtheiten in der Quellenlage hingewiesen haben! Was macht Chrobak? – er wiederholt in seinem ALMANACH-Beitrag (2005) die ganze Chose ohne Veränderung.

    6 Jahre später berichten Schießl u. Eiser im ihrem Buch (2012) von ihren Gesprächen mit Chrobak und stellen weitreichende Ergebnisse ihrer Revision vor. Was macht der Bibliotheksoberrat i.K., Chrobak? – er verkündet wie von der Kanzel, es seien keine „stichhaltigen Gegenbeweise“ vorgelegt worden.

    Werner greift die fehlende Quellenkritik beim Steigbügelhalter Chrobak auf und bringt in seiner Arbeit weitere Ungeheuerlichkeiten zum Vorschein. (ignoriertes Interview mit Matzke, ausblenden der Standardliteratur, … ). Was macht Chrobak? – er entgegnet mit „Ehrverletzung“, gibt den seriösen Fachmann und führt allen Lesern vor Augen, mit welch Leichtigkeit und Borniertheit ihm eine Quellenbeugung locker von der Hand geht.

    Das zugrundeliegende Problem ist nicht nur in der manipulativen Quellenarbeit von Chrobak zu orten, sondern auch in dem gesellschaftlichen Umfeld, das ihn als honorigen Stadtheimatpfleger hochhält.

    Wer darauf wartet, dass ein konservativer Nachkriegsherr, wie Chrobak, seine Arbeit und seinen Status infrage stellt, sollte sich warm anziehen.

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  • Michael S.

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    Hier wird behauptet, dass W. Chrobak den Unterschied zwischen Tag und Nacht, zwischen 26. und 27., bzw. zwischen süd und südost zurecht biegt.
    Aus meiner Erfahrung mit ihm kann ich mir dergleichen nicht vorstellen. Dr. Chrobak sollte gg. die eingangs genannte Behauptung vorgehen oder hierbei etwas richtig stellen.

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  • Franzjosef

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    R. Werner hat Chrobak regelrecht vorgeführt. Für eine Erwiderung von Punkt 2., käme ich aber zu einem anderen Ergebnis als er (R. W. fragt unter Zu 2. etwas unkonkret „Wem soll dieser Schluss nützen?“).

    W. Chrobak führt unter 2. aus:
    „Die Behauptung, dass … sogar der Schlusssatz Bürgers, ‚wo von >Opfer der Märtyrer< und Gebetsannahme um den 23. April die Rede ist‘, genau dahingehend [= Seligsprechungsverfahren] abgestimmt worden sei, ist eine durch nichts begründete Annahme und Unterstellung.“

    Auffällig ist, dass Chrobak auch hier von einer GEGEN IHN Unterstellung ausgeht obwohl R. Werner es offen (und in seiner Erwiderung unbenannt) ließ, wer die o.g. Abstimmung ggf. vorgenommen hatte. Chrobak verteidigt den Bürgerschen Schlusssatz gg. Werner inhaltlich also so, als ob es ein von ihm formulierter wäre!

    Zusammen mit der für Theologen sehr spezifischen Ausdrucksweise („für den Gläubigen ein Beweis, daß Gott die Opfer der Märtyrer der Friedensdemonstration vom 23. 4. 1945 und die Gebete der Regensburger angenommen hat …“) käme ich zu den Konklusion, dass Chrobak zumindest den Schlusssatz in von Bürger (1983) geschrieben hat.

    Nur darf man dergleichen wahrscheinlich nicht einfach so behaupten, wo der Theologe Chrobak schon mit der Ehrverletzung gedroht hat

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  • Knurrhahn

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    Recht gern würde ich meinen Vorschlag wiederholen, sich auf der Basis aller vorliegender Dokumente, die ganz offenbar von verschiedener Seite verschieden interpretiert und verschieden Wert geschätzt werden, offen auszutauschen. Denn zunehmend klar wird, dass die Frage nach historischer Kontinuität zwischen dem Ende des totalitären NS-Systems und der Gründung der Bundesrepublik auch eine Frage regionalgeschichtlicher Deutungshoheit ist. Die scheint sich von offiziöser Seite nach 1945 recht schnell gebildet zu haben und auf Grund neuerer Erkenntnisse heute zunehmend in einen Verifizierungsnotstand zu geraten. Weil diese Deutungshoheit im Jahr 2012 auch schon wieder historisch geworden ist, scheint eine Neuinterpretation der geschichtlichen Geschehnisse am Kriegsende dringend geboten. Wem also würde es schaden, im Rahmen einer Art Symposium alle Dokumente im Sinne wissenschaftlicher Diskussion auf den Tisch zu legen?

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