Das Velodrom: der Status Quo Vadis. Ein Gespräch
Das Velodrom liegt den Regensburgern erkennbar am Herzen; schon eine halbe Stunde vor Beginn der Informationsveranstaltung des Architekturkreises Regensburg zur Generalsanierung ist das Degginger gefüllt, als ob es etwas umsonst gäbe. Wobei eines klar ist: wie auch immer letztlich die Pläne für das Velodrom aussehen werden, es wird so ziemlich das Gegenteil von umsonst sein.
Quo vadis, Velodrom, so nennt sich das Treffen, und es ist nicht ganz klar, ob in diesem Namen nicht auch ein klein wenig Verzweiflung mitschwingt. Es ist jedenfalls kein dünnes Brett, das es da zu bohren gilt; da braucht es auch ein wenig mehr, um die alten Tragwerke zu stützen.
Kurz rekapituliert: 1897 wurde das Gebäude als Radsporthalle von Simon Oberndorfer eröffnet und hat sich den entsprechenden Namen auch über verschiedene Nutzungsänderungen hinweg bewahrt. Varieté, Restauration, bis in die 70er Jahre hinein wurde der Bau als Kino genutzt, mit einer Kassenhäuschen-Wucherung draußen und etlichen weiteren zweckdienlichen Verschlimmbesserungen.
Das Velodrom: ein Provisorium an seinem lange hinausgezögerten Ende
Dann stand der Bau lange leer, wäre fast abgerissen worden, bis eine Ausweichstätte für das damals ebenso renovierungsbedürftige Stadttheater am Bismarckplatz gesucht wurde. Also solche diente das Velodrom von 1998 bis 2021 und reiht sich somit pittoresk ein in den Verbund Regensburger Provisorien, die durch ihre Haltbarkeit überzeugen. Die Regensburger jedenfalls haben sich, das kann man schon so sagen, während dieser Zeit noch einmal neu in den Bau verliebt.
Nun ist aber dieses Provisorium an seinem lange hinausgezögerten Ende angelangt; der Zahn der Zeit und der verschärfte Biss der Bau- und Versammlungsvorschriften machen umfassende Eingriffe notwendig, aber um die Notwendigkeiten im Detail gehen die Meinungen weit auseinander, wie immer eigentlich bei größeren Projekten, und vor allem dann, wenn Emotionen auf Zweckdienlichkeiten treffen, der Kampf aber letztlich vom kommunalen Geldbeutel entschieden wird.
Ein Abend des respektvollen Meinungsaustausches
Moderator Bernd Rohloff jedenfalls stellt klar, dass sich der Architekturkreis bewusst nicht positionieren will, sondern gerade in einer Zeit, in der die Debattenkultur schneller erodiert als so manche Bausubstanz, eine offene Diskussion unter Einbeziehung aller Interessierter fördern will.
Was, das sei vorausgeschickt, auch gelingt: es war ein Abend des respektvollen Meinungsaustausches, hart, aber fair, in einem Maße, wie es in der gleichnamigen Sendung eher selten gelang.
Einleitend stellte Nikolai Reich – Architekturbüro Gerkan, Marg und Partner – den aktuellen Planungsstand vor, gewissermaßen den Status Quo Vadis. Seit zwei Jahren arbeite man an dem Projekt – interessant für den Laien ist dabei, dass es sich dabei immer noch um eine „sehr frühe Phase der Planung“ handelt. Nun denn.
Nach wie vor steht die Stadt zu ihrem Beschluss, „das Velodrom als Spielstätte zu erhalten“, und zumindest in diesem Punkt herrscht auch allgemeine Einigkeit. Die neuralgischen Punkte Brandschutz, Saaldach, sanitäre Situation, Foyer, aber auch die Anlieferungssituation sorgen jedoch für Probleme, besonders, wenn, wie gewünscht, das Velodrom eine offizielle Großbühne werden soll.
Architektur – gestalterisch und politisch herausfordernd
Die über 600 Sitzplätze wären vor allem von der Seite der Theatermacher aus sehr wünschenswert, machen aber nunmehr eine Portalwand mit eisernem Vorhang notwendig, die dann auch in Verbindung mit einem Schnürboden Veränderungen in der Deckenkonstruktion bedingen würden, samt auf dem Dach sichtbarer „Öhrchen“.
Der Ausbau der Unterbühne (Technischer Leiter Michael Hübner: „Wir hatten da fast immer eine rote Linie zu überschreiten, wenn ein Akteur von unten durch einen 80-cm-Gang krabbeln musste.“) ist durch das Welterbe, in das man sich nicht zu tief hineingraben darf, begrenzt. Die Bühne soll flexibel werden, Barrierefreiheit gewährleistet und Inklusionsaspekte wie eine Gehörlosen-Induktionsschleife bedacht werden, und natürlich hat auch der Denkmalschutz (der an diesem Abend nicht vertreten ist) mehr als nur ein Wort mitzureden.
Reich präsentiert ganz unaufgeregt die Vielzahl der Anforderungen, auf die sein Büro zu reagieren hat, und betont auch die gute Zusammenarbeit mit dem Gestaltungsbeirat. Architektur scheint mittlerweile ebenso eine politische wie eine gestalterische Herausforderung zu sein.
Er stellt aber auch klar, dass die Versammlungsstättenverordnung von 2007 nicht viel Spielraum lasse, was man wie bauen könnte. Großbühne bedeute eben eiserner Vorhang, die Öhrchen auf dem Dach seien zwar da, aber von außen praktisch nicht zu sehen, und auch die Haustechnik habe sich in den letzten 20 Jahren enorm weiterentwickelt – und das werde man eben auch sehen.
Die historischen genieteten Eisenbinder als wesentliches gestalterisches Merkmal will Reich jedoch sichtbar erhalten, gar „würdevoll in Szene setzen“. 2029 soll das Velodrom dann wiedereröffnet werden. Nicht provisorisch.
„Ohne Nutzung keine Erhaltung“
Dem jungen, alerten Berliner Architekten steht Albert Payer gegenüber, der als Architekt zusammen mit dem Velodrom-Verein 1996 das Gebäude binnen eineinhalb Jahren renoviert hat, für unter fünf Millionen D-Mark und mit sichtbarer Wertschätzung für das bauliche Erbe – die jetzt veranschlagten ungefähr 50 Millionen Euro scheinen da in einem mehr als nur inflationär bedingten Missverhältnis zu stehen.
Der städtische Planungs- und Baureferent Florian Plajer steht nun jedenfalls nicht im Verdacht, gerne viel Geld ausgeben zu wollen; immer wieder setzt er dem städtischen Willen nach Verwirklichung die Voraussetzung der Leistbarkeit gegenüber. Er macht aber auch deutlich, dass die erste Genehmigung 1998 leichter war, da das Velodrom nur als Interimslösung gedacht war; der dauerhafte Ansatz sei auch mit mehr Auflagen verbunden. Aber, und auch das sei ein wichtiger Punkt, das Velodrom müsse erhalten werden, und „ohne Nutzung keine Erhaltung.“
„Braucht’s des?“ „Jaaaa!“
Ganz vehement nach dieser Nutzung verlangt der kaufmännische Leiter des Theaters Regensburg, Matthias Schloderer. Die Besucherzahlen hätten sich fast verdoppelt, man sei auf dem Weg zur Vollauslastung, und das Stadttheater sei mit 450 Plätzen zu klein. Trotz Antoniushaus fehlten jährlich 30.000 Plätze.
Er betont auch die Bedeutung des Theaters, gerade in Zeiten, in denen Kunst und Kultur immer mehr aus dem öffentlichen Bildungsfokus verschwänden, und auch, dass ein Theater im Zentrum der Stadt angesiedelt werden müsse. Poltesk fragt Schloderer: „Braucht’s des?“ und antwortet erwartungsgemäß mit einem lauten „Jaaaa!“.
Auch der kaufmännische Leiter folgt einer Argumentation, die immer wieder anklingt: wenn wir schon sanieren, dann aber auch ordentlich. Platz für den Cantemus Chor, für Musicals, dazu endlich eine ordentliche Akustik…
Was kann das Haus und was muss es können?
In das gleiche Horn stößt Intendant Sebastian Ritschel: „Das Velodrom war nie ein funktionierendes Theater. Was mich treibt ist, dass es eins wird.“ Überhaupt sei man äußerst demütig, man wolle keine goldenen Wasserhähne, sondern gerade mal die Mindestanforderungen an eine Landesbühne erfüllen.
Der größte Dissens besteht denn auch darin, worin denn diese Mindestanforderungen letztlich bestünden. „Kann das dieses Haus?“, liefert Moderator Rohloff im Grunde das Motto des Abends. Gerade viele der anwesenden Regensburg machen den Anschein, als wollten sie so wenig Veränderung wie möglich, was im Grunde ein stadtttypisches Empfinden darstellt, aber Architekt Reich macht auch deutlich, dass das Velodrom immer Veränderungen unterworfen war und die sentimentalen Erinnerungen des Einzelnen auch nicht zwingend einer historischen Wahrhaftigkeit entsprächen.
„Das Denkmal verstehen und manche Anforderungen zurückschrauben.“
Albert Payer fürchtet dennoch eine „statische Überfrachtung des Baukörpers“ durch eine Vollbühne. Die historischen Binder sind für ihn der nicht zu überschreitende Rubikon: „Das Denkmal verstehen und manche Anforderungen zurückschrauben; der Charme liegt darin, mit relativ geringen Mitteln viel darzustellen.“
Man muss sich vielleicht ein wenig ironisierend Gedanken darüber machen, wie sehr ein Mensch wie Payer, der mit derart geringen Mitteln derart viel dargestellt hat, eine Provokation für moderne Stadtplaner darstellt, aber vielleicht kann man sich ja zumindest teilweise ein Vorbild daran nehmen.
Payers Einwurf, dass manche Vorschriften ja auch interpretationsfähig seien und man schon Wege finden könne, wird jedenfalls geflissentlich ignoriert. Vielleicht sollte man ja auch wieder Oswald Zitzelsberger mit ins Boot holen, um zumindest die Kosten nicht ausufern zu lassen. Payer: „Der Herr Zitzelsberger ist ein sehr sparsamer Mensch.“
„Unterwerfen Sie sich dem Gebäude.“
Wie gewünscht, beteiligt sich das Publikum rege, und thematisch angemessen auch mit dem entsprechenden Pathos: „Das Velodrom ist kein zweites Stadttheater, sondern einzigartig. Unterwerfen Sie sich dem Gebäude!“ heißt es etwa. Margit Wild betont, dass das Velodrom wie kein zweites Gebäude eines der Bürger sei, da diese es vor dem Abriss gerettet hätten.
Und der Schauspieler Michael Heuberger erinnert unweigerlich an die eherne Weisheit, dass man, sobald ein gestandener Mime seinen Sermon mit den Worten „ich werde mich kurz fassen“ einleitet, sofort aufs Klo gehen sollte, zum Büffet und eventuell noch zum Friseur, damit man nicht, von Harndrang und Hunger übermannt, das Wesentliche verpasst, wenn er denn schließlich zum Punkt kommt.
Jedenfalls, ungefähr jedenfalls, das Theater, die alten Griechen, kennt man ja, Römer, dann lange nix, im Mittelalter bekanntermaßen eher dunkel, außer vielleicht irgendwas mit Kreuzweg, dann natürlich Shakespeare, kennen Sie alle, runder Holzbau, tolle Akustik, Barockbühne, Guckkasten, und jetzt aber gibt’s irgendwo irgendwas, das man sich auch dringend anschauen sollte, wenn man jetzt ein Theater baut. Nicht hundertprozentig, aber vermutlich England, würde ich sagen.
Bis zur Einweihungsfeier dauert es noch.
Den Schlussakkord im Wunschkonzert liefert die Frage, ob man denn angesichts der spärlichen Auftrittsmöglichkeiten das Velodrom nicht auch für Bands öffnen könne. Kann man? Wer weiß das schon.
Man fühlt sich an den Flughafen Berlin erinnert, dessen sisyphaler Weg bis hin zum letztlich mangelhaften Endergebnis wohl zumindest zum Teil auch durch eine Vielzahl von Zwischenrufern à la „also, wenn wir schon bauen, dann hätte ich aber gerne noch“ bedingt wurde. Architekten damals: Gerkan, Marg und Partner. Vielleicht erklärt das die eingangs erwähnte Entspanntheit in Anbetracht der „frühen Phase der Planung“. Mal sehen, wie schnell 2029 heranrückt. Wer die Schnittchen für die Einweihungsfeier liefert, muss man sich vermutlich nicht so schnell überlegen.
Johann Brandl
| #
Ein spannender Abend. Den man von der Debattenkultur gerne kopieren könnte.
Immer wieder erschreckend, dass Bauvorhaben in Deutschland allgemein und in Regensburg besonders so lange dauern und enorme Kosten verursachen.
Pfenningfuxa
| #
Die 5 Mill zu den jetzt veranschlagt Summe 50 Mill sind erklärlich, weil damals nur ein kostengünstiger befristeter Velodrom-Zweckbau gewünscht war, solange das Theater umgebaut wurde. Eine dauerhafte Nutzung war damals nicht gefordert.
Andreas
| #
Solche Vorschriften wie die überzogene “Versammlungsstättenverordnung” sind ein Beispiel dafür, wie Deutschland sich immer wieder wegen seines wahnhaften Sicherheitsdenkens selbst im Weg steht und immer unglücklicher wird.
Man ahnt es schon: Es wird wieder in einem Finanzdedaster enden, wenn es denn überhaupt begonnen wird.
Michael
| #
@ Andreas
die Versammlungsstättenverordnung wirkt an manchen Stellen vielleicht zu harsch, aber jede*r der/die mit großen Menschenmengen zu tun hat versteht, dass gewisse Sicherheiten einfach gegeben sein müssen.
Diesbezüglich einfach diverse Reportagen über Brände, Paniken, , Unfälle, Materialermüdung, usw ansehen.
Die love parade ist da finde ich ein gutes Beispiel. Viele Menschen möchten sich nicht an Fluchtwege halten, manchmal wirken sie überzogen, aber man sollte sich einfach dran gewöhnen, dass sie ihren Sinn haben.
Andreas
| #
@Michael
Sie bestätigen exakt das was ich sagte.
Zum Glück fürcdie Sicherheitsfanatiker gab es das Love-Parade-Desaster. Damit kann man dann jeden völlig überzogenen Unsinn rechtfertigen, der letzten Endes nur zu extremen Kosten und zu Blockaden führt.
Das Velodrom wurde jahrzehntelang ohne diesen überzogenen Wahnsinn betrieben und mit etwas planerischer Vernunft könnte man das auch weiter tun.
Aber der Deutsche hat ja seine Gesetze und Verordnungen, an die er sich klammern kann um nach unendlicher Sicherheit zu streben, die er doch letzten Endes nie erreichen kann.
Ich prophezeie noch einmal: Es wird wieder in einem Finanzdedaster enden, wenn es denn überhaupt begonnen wird.
Klaus
| #
… wer Augen hat, der lese – deshalb nochmal zum mitschreiben:
Das Velodrom ist aktuell & war nie eine GROßBÜHNE!
Siehe VstättV §2, Begriffe, (5)
“In Versammlungsstätten MIT EINEM BÜHNENHAUS ist
5. eine Großbühne eine Bühne
a) mit einer Szenenfläche hinter der Bühnenöffnung von mehr als 200 m²,
b) mit einer Oberbühne mit einer lichten Höhe von mehr als 2,5 m über der Bühnenöffnung oder
c) mit einer Unterbühne”
=> Das Velodrom hat KEIN BÜHNENHAUS, KEINE OBER- & UNTERBÜHNE
und ist somit auch KEINE GROßBÜHNE!
Michael
| #
@andreas
Da weiß ich jetzt auch nicht wirklich weiter. Von “Glück” würde ich da nicht reden, das ist ein bisschen.. morbide?
Und es zeigt sich halt eben wieder: wer nicht mit solchen Menschen Massen zu tun hat versteht das halt nicht. Da kannst du dich jetzt auf den Kopf stellen und schimpfen, das ändert halt nichts an den Dynamiken, die man im Falle des Falles in den Griffen bekommen möchte.
Da könnten wir uns jetzt ewig im Kreis drehen. Ich geb gerne ein bisschen Sicherheit für einen entspannten Betriebsablauf auf, aber wenn ich schon als Sicherheits Fanatiker bezeichnet werde, dann hab ich nicht so wirklich Lust zu debattieren.
Viel Spass noch.