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Filmkritik

Das Paradies ist für alle da

155936„Bananas, Pancakes und der Lonely Planet“ bietet eine vielschichtige Möglichkeit, um über den vergangenen, oder kommenden Urlaub zu reflektieren, und das direkt nach der Hauptsaison.

von Flamingo (Maximilan Schäffer)

Ferienzeit in Bayern. Der schwer arbeitende Westler, allen voran der ein paar Monate freigestellte Student, fragt sich, wohin mit sich selbst. Durchschnittsdeutsche fahren immer noch gerne nach Spanien, Griechenland oder in die Türkei. Das treibt vor allem die Flugkosten während der Hauptsaison in die Höhe. Europäische Urlaubsparadiese haben sich bezüglich des Preisniveaus längst auf heimischen Standard eingependelt. Vorbei die Zeiten, wo man sich bedenkenlos billig mit Ouzo und Souvlaki den Wanst vollschlagen konnte.

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Ein Bauerndorf in Laos

Wieso also nicht einmal in Gefilde fliegen, die weitgehend unerschlossen sind? Südostasien bietet atemberaubende Natur, kulinarische Verführungen und nicht zuletzt traditionell friedliebende Bewohner. Es ist seit Jahren zum wachsenden Sehnsuchtsziel vor allem junger Alternativtouristen geworden. Seitdem Thailand als Hort der dickbäuchigen Sex-Rentner gilt, Vietnam nicht mehr ganz so kommunistisch ist und die Transvestiten auf Bali schon jeder gesehen hat, fühlt man sich getrieben, tiefer in den Dschungel des goldenen Dreiecks vorzurücken.

Der Niederländer Daan Veldhuizen hat einen Film über ein Bauerndorf im nordöstlichen Laos gedreht. Zu Anfang scheint in Muang Ngoi die Welt noch in ihrer vorindustriellen Ordnung. Bauernfamilien schaffen auf den Feldern, der Nam-Ou-Fluss, ein Ausläufer des Mekong, schlängelt sich durch die waldgrünen Bergketten, es gibt kein Stromnetz, keinen Fernseher, nur Familienglück und fromme Bettelmönche im nahen Kloster. In diesen Kosmos werden die Kindheitsfreunde Shai und Khao geboren. Khao ist zufrieden mit seinem kleinbäuerlichen Dasein, er träumt von einer Familie. Shai träumt von Ruhm und Ehre, vom großen Geld und der modernen Zivilisation.

Szenen zum Fremdschämen

Die Leben der Beiden ändern sich wie im Zeitraffer, als innerhalb von ein paar Jahren die Touristen in das Örtchen einfallen. Zuerst kommen nur vereinzelte, verstrahlte Fulltime-Backpacker, die meinen, endlich das Kleinod der Güte und Beschaulichkeit gefunden zu haben. Ballonhosen tragen sie, verklebte Dreadlocks und am besten einen Joint in der Kinnlade. Unförmige Europäerinnen spielen in den einfachen Blechhütten mit den Kindern der dritten Welt und begeistern sich über die naive Offenheit dieser unverderbten Gesellschaft. Die armen Laoten schaffen nebenan, um, von der Hand in den Mund, nicht jeden Tag nur Klebereis essen zu müssen, während die zu Berufsschwaben gewordenen Auftragsveganer sich freuen, dass sie hier nicht abgezockt werden. 10.000 Kip (≈ 1€) für die Vollmahlzeit, das traditionell gewebte Armband und die Dschungeltour. Szenen, die einem die Fremdscham ins Gesicht treiben.

Elektrizität hält Einzug in Muang Ngoi. Shai eröffnet einen Souvenirladen. Khao engagiert sich als privater Reiseführer. Restaurants und kommerzielle Unterkünfte entstehen. Alle freuen sich über den neuen Alltag, der etwas weniger Sorgen über das tägliche Überleben bereitet. Für die Backpacker scheint das Paradies hingegen aus den Fugen. Wohin mit all der Robinson-Crusoe- und Jack-London-Sehnsucht, wenn die Locals auf einmal nicht mehr im Mittelalter leben? Es kommen andere Reisende: Pauschaltouristen und gewöhnliche Studenten. Die wollen zumindest etwas Komfort und sind zum Glück auch bereit, ein wenig Geld dazulassen.

Nicht jeder Tourismus ist gleich

Mit dem kleinen Wohlstand kommt, wie allerorts, die Gier. Shai bleibt nicht alleine beim tagtäglichen Buhlen um die Gunst der Zahlungskräftigen. Ob die Einheimischen wissen, auf was sie sich da langfristig einlassen? Noch ist die Situation in Laos recht unschuldig. Die Auswüchse indonesischer Badeorte, wo auf kleinen, muslimischen Inseln Horden von braungebrannten Surfern die vermüllten Strände belagern, scheinen fern. Alpträume von bierseligen Kolonialherren, demonstrativ überlegen in Muskel-, Penis- und Gelbeutelgröße – reine Fiktion. Nicht jeder Tourismus ist gleich.

Veldhuizen schafft es, in seinem Film ständige Ambivalenzen heraufzubeschwören. Kapitalismus und naturalistische Idealisierung gehen schließlich schlecht zusammen. Ein ruhiges Leben aber, ist besonders in der Armut Illusion. Trotzdem bleiben Menschen Menschen und deren Träume von den herrschenden Verhältnissen meist unberührt. Am Ende dieser Geschichte, die als Parabel für Laos genauso für Berlin-Kreuzberg oder Goa funktioniert, stehen Shai und Khao immer noch vor Lebensentwürfen, die unterschiedlicher nicht sein könnten.

Nur ein bisschen die Welt sehen…

Ambivalent sind auch die Eindrücke von den Reisenden, die man in diesen 90 Minuten Spielzeit kennenlernt. Die ehrlichste, vielleicht sympathischste Stellungnahme, gibt ein gealterter Mann, vermutlich britischer Provenienz: „Ich will einfach nur noch ein bisschen die Welt sehen, ich suche nach nichts“, gibt er dem pluderhosigen Jungspund zur Antwort, als dieser erwartungsvoll nach pathetischen Floskeln von der Selbstfindung trachtet. „Achso,“ erwidert letzterer, „dann möchten sie also fremde Kulturen kennenlernen?“ Der Brite winkt ab. Das interessiere ihn nicht. Nur ein bisschen die Welt sehen.

Man kann sich in „Bananas, Pancakes und der Lonely Planet“ an den wunderschönen Naturaufnahmen erfreuen. Den Einblick in eine ferne Zivilisation im klassischen Sinne des Abenteuerromans genießen. Gleichzeitig bietet diese hervorragende Dokumentation eine vielschichtige Möglichkeit, um über den vergangenen, oder kommenden Urlaub zu reflektieren, und das direkt nach der Hauptsaison. Egal von wo man zurückkehrt – Malle, Kreta oder Myanmar – der Film startet am 20. September in den deutschen Kinos.

5 Flamingos von 5

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