Das neue Kulturviertel erwacht
Am Wochenende startete auf dem Gelände der ehemaligen Prinz-Leopold-Kaserne die kulturelle Zwischennutzung. Mindestens bis Ende 2022 wird auf einem Teilstück des Areals der neugegründete Kulturviertel e.V. ein Testlabor für kreative Köpfe bieten.
Sehr zufrieden zeigt sich Kulturamtsleiterin Maria Lang am Freitagabend. Anders als Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer und Kulturreferent Wolfgang Dersch kann Lang den offiziellen Start der Zwischennutzung auf der Prinz-Leopold-Kaserne (PLK) bei lauen Sommernachtstemperaturen in vollen Zügen genießen. Die OB ist an diesem Tag gleich bei mehreren Eröffnungen mit von der Partie. Bereits um 18 Uhr startet das 40. Jazzweekend. Kurz darauf eröffnet sie in Beisein des Kulturreferenten die Ausstellung „Peter Dorn. Der Schritt zurück nach vorne“ in der Minoritenkirche. Die Kultur ist mit voller Wucht wieder in Regensburg aufgeschlagen. Und so bleiben Maltz-Schwarzfischer und Dersch nur eine gute halbe Stunde, um kurz vor dem offiziellen Start auch der neuen Kulturstätte auf der PLK um 17 Uhr einen Besuch abzustatten.
Bauzaunausstellung begleitet Eröffnungswochenende
Noch stehen im Hintergrund die alten Militärgebäude und warten darauf, dass bald Bagger und Abrissbirnen alles dem Erdboden gleichmachen. Schließlich soll hier einmal ein komplett neues Stadtviertel entstehen. Lediglich ein Bauzaun grenzt den temporären Kultur-Hotspot davon ab. Davor stehen um 17 Uhr auch die OB, der Kulturreferent und Vertreter der Hochschulen. Denn den Startschuss für die PLK-Zwischennutzung will man gleich auch für eine weitere Eröffnung nutzen. In den kommenden Wochen wird während den Veranstaltungen vor Ort auf Betreiben der Stadt auch die Bauzaunausstellung „Bioökonomie findet Stadt“ zugänglich sein.
In zehn deutschen Städten widmet sich die Ausstellung aktuell den Fragen: Wie können wir nachhaltiger leben? Wodurch trägt die Bioökonomie zur Bewältigung der Klimakrise bei? Dabei geht es etwa um die technischen Möglichkeiten nachhaltiger Energienutzung (über das Projekt Orbit, das an der OTH-Regensburg entwickelt und mittlerweile in ein Unternehmen überführt wurde, haben wir bereits im Dezember 2019 berichtet). Auch nachhaltige Formen der Gebäudesanierung werden auf den Plakaten thematisiert.
Viele neue Erfahrungen
Saniert werden die alten Gebäude auf der PLK nicht mehr. Die teils verrosteten Metalltüren, die alten Backsteinmauern und das insgesamt eher rustikale Erscheinungsbild sorgen aber für einen ganz eigenen, durchaus passenden Flair. Auf einer Bühne spielen am Freitagabend verschiedene regionale Musiker. Die Regensburger Genossenschaftsbrauerei trift hat eine kleine Bar aufgebaut. Ähnlich soll es auch in den kommenden Wochen ablaufen. Kommenden Freitag etwa wird Katja Ladynskayas Dokumentarfilm „Ich lege mich hin und sterbe! Schicksale der sowjetischen Kriegsgefangenen im Vernichtungskrieg 1941-45 und heute“ zu sehen sein. Eine Kooperation mit dem Evangelischen Bildungswerk.
Was im Stadtosten in den kommenden Monaten sonst noch so passieren wird, das ist vor allem in der Hand des Vereins Kulturviertel (auf dessen Homepage wird es zeitnah eine aktuelle Programmvorschau geben). Für die Stadtverwaltung stelle das eine völlig neue Situation dar, erklärt Kulturamtsleiterin Lang am Abend gegenüber unserer Redaktion. „Wir sammeln viele neue Erfahrungen.“ Für die Verwaltung sei das sehr hilfreich und könne in Zukunft für mehr Mut bei anderen Vorhaben sorgen.
Glücksfall mit Tücken
Das ehemalige Kasernengelände sei dabei ein Glücksfall und biete viele Möglichkeiten, hat zuletzt aber auch nochmal seine ganz eigenen Tücken gezeigt. Denn die Umwidmung eines früher militärisch genutzten Geländes in eine kulturelle Zwischennutzung ist rechtlich eher ungewöhnlich und gar nicht so leicht. Die Stadt hat sich bereit erklärt, im Hintergrund weiterhin die Verantwortung zu übernehmen und das Vorhaben rechtlich abzusichern. Auch Wasser und Strom, vor einiger Zeit bereits aus den alten Gemäuern entfernt, stellt die Stadt bereit. Ansonsten lässt man den rund 50 Mitgliedern des Kulturviertel e.V. freie Hand.
Deren Aufgabe ist es ab sofort, das Areal mit Leben zu füllen. Von Filmemachern, Fotografinnen, Musikern und vielen anderen Kreativköpfen sind bereits alle möglichen Kunstsparten vertreten. Gleichzeitig soll das Areal aber auch Nicht-Mitgliedern zugänglich sein, so Vorstandsmitglied Hubertus Hinse am Freitag.
Alte Lagerräume halten viel Kunst bereit
Bevor es endlich losgehen konnte, mussten die Vereinsmitglieder an den vergangenen Wochenenden aber erst einmal die Räumlichkeiten zwischen Dieselstraße und Zeißstraße von allerhand Gerümpel und Laub befreien. Nun am Freitagabend heißt man die ersten Gäste willkommen. Mehr als 100 sind coronabedingt nicht erlaubt. Auf Liegestühlen im kleinen Sommergarten oder auf selbstgezimmerten Sitzgelegenheiten auf der Freifläche sitzt man beieinander und läutet das Wochenende ein.
Andere wagen sich in das Innere und inspizieren die Ateliers. In einem Raum springt einem ein Hai entgegen. An anderer Stelle steht wortwörtlich der berüchtigte rosa Elefant im Raum. Auch Klang- und Lichtinstallationen erwarten die Besucher.
Kultursommer macht im Osten Station
Die Atelierräume sollen in den kommenden Wochen regelmäßig geöffnet werden. Am kommenden Samstag wird es dazu einen Frühstückshappen geben, ehe am Nachmittag der DonauDub e.V. zur Vinyl-Session einlädt. Bereits fest eingeplant ist auch der Regensburger Kultursommer. Der wird Anfang August für mehrere Veranstaltungen auf dem Gelände Station machen. Was genau, das ist laut Lang noch nicht klar und soll in enger Absprache mit dem Verein entwickelt werden. Es könnte also durchaus experimentell werden.
Mit Einbruch der Dunkelheit beginnt eine Lichtershow der etwas anderen Art. Ein Mann in einem weißen Maleranzug richtet dabei einen Spiegel aus. Davor, jeweils an einer Schnur, hängen durchsichtige Scheiben. Dahinter ist ein Scheinwerfer aufgebaut. Die zirkulierenden Scheiben reflektieren das Licht durch ihre Drehung auf ständig unterschiedliche Weise und werfen über den Spiegel Schatten an die Hallendecke. Der Künstler scheint mit irgendjemanden kommunizieren zu wollen. Jedenfalls ist das seinen seltenen kurzen Ausrufen gen Himmel zu entnehmen. Kunst erschließt sich nicht immer sofort, dennoch verleitet das Schauspiel dazu, einige Minuten stehen zu bleiben. Es ist auch dieses Nebeneinander verschiedener Angebote von Ausstellungen, Veranstaltungen und eben einer gewissen Biergartenatmosphäre, die ab sofort zu einer Reise in den Osten animieren könnten.