Das Münzfach und der Biomarkt
Toleranz ist eine löbliche Eigenschaft, die den meisten Menschen aber erst mühsam eingeprügelt werden muss. Eine Engelsgeduld muss man städtischerseits schon haben, wenn man sich mit Leuten wie dem Betreiber des Bio-Donaumarkts herumschlagen muss.
Stolz bin ich auf meine Stadt, wenn ich aus dem Fenster sehe, wie sie sich gemausert hat in den letzten 20, 30 Jahren! Wie sie renoviert erstrahlt. Sauber und ordentlich, mit gutaussehenden, erfolgreichen Bürgern, denen man auf der Straße auch begegnen kann, ohne dass man gleich Augenkrebs kriegt. Von den lärmenden Proleten meiner Nachbarschaft aus den Neunzigern ist keiner mehr übrig, außer mir vielleicht, aber das kann ich als Ausnahme tolerieren.
Wenn Regensburg damals ein plärrender tragbarer Kassettenrecorder war, dann ist es heute ein absoluter High-End-Plattenspieler, mit ausgewuchtetem Titan-Magnet-Dings und Gleichstrom-Synchronizitäts-Modulator. Sauteuer und grade gut genug, um die alten Flippers-Platten endlich mal auf dem adäquaten Gerät abspielen zu können.
Am Plattenteller Regensburg darf nicht jeder rumspielen
Das Schlimme an einer derart hochwertigen Ausrüstung ist natürlich, dass man aufpassen muss wie sonstwas, dass nicht ein jeder dahergelaufene Leftutti mit seinen ungewaschenen Drecksgriffeln da dran herumspielt.
Apropos ungewaschen: Wen man keinesfalls an so einen teuren Plattenspieler heranlassen sollte, das wäre, nur so zum Beispiel, ein Biomarktstandbetreiber. Also, nix gegen traditionelle Berufe, aber mit so einem Runkelrübendaumen brauchst du heutzutage kein iPhone mehr entsperren wollen.
Grad sind es tatsächlich die Biomarktler, die am Plattenteller Regensburg mitspielen wollen. Und sofort muss man Angst haben, dass dabei „Nur wer die Sehnsucht kennt“ verkratzt wird.
Es geht darum, dass ein Gemüse-Sympathisant namens Daniel Frost umeinandermosert, dass er geringere Gebühren für seinen Bio-Donaumarkt zahlen will. Ich mag mich jetzt da gar nicht mit den verwaltungsrechtlichen Details auseinandersetzen, weil die erstens langweilig sind und zweitens eh nur eine Relevanz haben für Leute, die, ich sag mal so, auch beim Parken darüber nachdenken müssen, ob sie im Halteverbot stehen.
Andererseits ist eine schöne Vorschrift oft sehr praktisch und in jedem Fall ein ästhetischer Gewinn überall da, wo ein Stacheldrahtverhau das Panorama versauen würde.
Kommunalbusiness für Dummies
Also, da kommt jetzt dieses Väterchen Frost daher, im Schlepptau ein paar Kompostklöppler, und will dann weniger zahlen, weil der Markt gut ankommt und ein paar der Beschicker sowie er selber eh kaum was verdienen.
Es ist nicht zu fassen.
Also, ganz ehrlich – da fehlt’s doch hinten wie vorn. Pardon my French, aber was ist das bitte für ein Approach? Nähert man sich so einer offiziellen Stelle? I don’t think so. Ich krieg direkt ein Schleudertrauma vom Kopfschütteln. Mich fröstelt’s, tschuldigung. Ich gaub, ich schreib mal einen Ratgeber, sowas wie „Kommunalbusiness für Dummies.“
Mitschreiben, bitteschön: Man geht nicht zu einer Behörde oder einem städtischen Organ und sagt: „Hallo, ich verdiene nicht viel, aber bei dem, was ich mache, kommt was heraus, darf ich bitteschön weniger Gebühren haben?“ Man geht zur Stadt und sagt: „Ich verdien’ da jetzt gar nix, aber wenn die Aufwandsentschädigung passt, dann mach ich das eventuell ehrenamtlich. Dann basteln Sie mir mal einen kleinen Etat in den Haushalt, und dann kauf ich ein rotes Bandl, das dürfen Sie dann durchschneiden und dann gibt’s ein schönes Foto und eine Brotzeit mit einem Bio-Leberkäs.“
So geht das, und nicht anders.
Es braucht ein Gianni-Infantino-Ehrenamt
Der zuständige Bürgermeister Artinger weiß als altgedienter und erfolgreicher Jurist ganz genau, was erlaubt ist und was nicht. Und wenn er den Stadtrat Friedl, dieses lästige Wimmerl, in der Gebührenfrage rasiert, dann weiß jeder, der die geistige und physische Frisurensituation des Friedl kennt, dass der diese Rasur dringend gebraucht hat.
Anstatt sich mal einen gescheiten Anzug zu kaufen, rennt der Jakob Friedl ja nach wie vor in jede Sitzung und liest alle Unterlagen und meldet sich so permanent wie penetrant zu Wort – kurz gesagt: Anstatt froh zu sein, dass man ihn mal ein bisserl in der Kommunalpolitik mitspielen lässt, ist er das Musterbeispiel vom Schwanz, der mit dem Hund wedeln will, und da muss man ihm schon auch mal das Gas einstellen.
Dabei kann man sich ja schließlich auch am Herrn Artinger selbst ein Beispiel nehmen. Zweifellos ein sehr gescheiter und fleißiger Mensch, aber als lebenslanger Staatsbediensteter mit den Unwägbarkeiten unterer Selbständigkeitsverdienste eher unvertraut. Andererseits ist er Dritter Bürgermeister einer gar nicht so kleinen Stadt und sitzt außerdem in vier Aufsichtsräten: Ich kenn’ mich ja nicht aus, aber ich würde schon sagen, dass sowas hauptberuflich gar nicht zu bewältigen ist. Höchstens ehrenamtlich. Nebenbei. Natürlich nicht mit so einem Fußball-E-Jugend-Trainer-Ehrenamt, sondern eher so mit einem Gianni-Infantino-Ehrenamt.
Der Türsteher der Entscheider
Also, wie gesagt, die Vorbilder wären schon da für den Daniel Frost; dass er sich da so anstellt, als würde er um etwas bitten, anstatt etwas zu fordern, das ist halt einfach anfängerhaft. Ich zeig ihm mal meinen neuen Geldbeutel; der hat kein Münzfach mehr. Vielleicht versteht er die Botschaft und hört auf, mit seiner Kleingelddiskussion den Leuten auf den Sack zu gehen. Ich mein, das muss doch auch schön langsam Allgemeinwissen sein, dass man – egal ob vom Staat, der Stadt oder von der Bank – eher eine Million kriegt als einen Tausender.
Insofern ist die Summenfrage eine Art Türsteher der Entscheider, um dem allzu Windigen zu vermitteln: Du kommst hier ned rein. Dass die Rechtfertigungen der Stadt anschließend ein bisschen hirnrissig waren, gehört zum gewünschten Lerneffekt. Sehr geehrter Antragsteller, leider müssen wir Ihr Anliegen abschlägig bescheiden, da Sie als Steinbock mit Blutgruppe A negativ nicht förderfähig sind.
Was ist eigentlich gemeinnützig?
Einmal soll der Frost zahlen, weil er eine Gewinnerzielungsabsicht hat. Gut, bei den Summen, um die es da geht, da kann es schnell passieren, dass ihm das Finanzamt schwarz auf weiß bescheinigt, dass er eine solche nicht hat und das ganze eher eine Liebhaberei ist. Ich kenn mich da aus, das weiß ich genau, ähem … von einem Freund, nämlich.
Zweitens: Man müsse Gebühren verlangen, weil die Fläche der Gemeinnützigkeit entzogen würde, heißt es. Da das nun offenkundig bedeutet, dass Essen und Trinken nicht der Gemeinnützigkeit unterliegen, fragt man sich, worin der gemeine Nutzen bestehen könnte, wenn nicht in einem Angebot, das von vielen Menschen gerne angenommen wird.
Möglicherweise sind aber die Marktbesucher allesamt nicht gemein genug. Vielleicht geht es aber auch um die Heerscharen von Pilgern, die von weither angereist sind, um den Goldenen Waller anzubeten, und die jetzt freitags noch länger Schlange stehen müssen.
Wenn man sich andere Projekte anschaut, denen durchaus ansehnliche Summen hinten und vorne reingeblasen werden, ohne dass sich irgendwo irgendwas bewegt, dann kann es auch bedeuten, dass Gemeinnützigkeit hauptsächlich dann gegeben ist, wenn keiner da ist, der irgendwo im Weg herumstehen könnte.
Faszinierende Fördermöglichkeiten
Genau nach diesem Prinzip scheint die Initiative „Faszination Altstadt“ besonders förderungswürdig zu sein. Man könnte jetzt nicht behaupten, dass diese Initiative erfolglos sei, aber, na ja, sagen wir mal so: In der Beliebtheit der innerstädtischen Zahlungsmittel hat der sogenannte Altstadt-Zehner meines Wissens nach erst vor zwei, drei Jahren den Zloty hinter sich gelassen.
Dann gibt’s mal hier einen Aufkleber und da einen Flyer und dort mal zwei Studenten, die Passanten zählen, und wenn irgendwo ein Straßenfest steigt, dann nimmt man das Geld von der Stadt, gibt’s weiter und lässt sich dafür auf die Schulter klopfen. Einige der Geschäfte im Verein sind tatsächlich und ungelogen wahre Schätze dieser Stadt, aber das scheinen die nach wie vor eher sich selbst als ihrem Club zu verdanken haben.
Findet die Initiative Anerkennung? Abgesehen vom Samuel-Hahnemann-Ökonomiepreis für erfolgreiche Erstverschlimmerung? Ein schönes Wappen sollte man sich von der ganzen städtischen Kohle machen lassen, lateinisch natürlich, frei nach Horaz: Der Berg kreißte und gebar eine Maus. Die „Faszination Altstadt“ ist ein bisschen wie das Quidditch-Team Regensburg – beide existieren, und damit ist schon so ziemlich alles gesagt.
Warum Erfolgreiche fördern, wenn man Erfolglose fördern kann?
Warum nun aber die Geschäftsführung des Ersteren mit 75.000 Euro den Löwenanteil der städtischen Förderung verbrennen darf – gut, das ist eben höheren Kommunalpolitik, deren Komplexität schlichten Gemütern wie Frost und Friedl schwer zu vermitteln ist. Das läuft eben jenseits von so einem Gewinnerzielungsabsichts-Kindergarten. Vielleicht sollte Geschäftsführer Ingo Saar „Kommunalbusiness für Dummies“ schreiben.
Man kann ja nicht alles fördern, bemerkt CSU-Stadtrat Michael Lehner ganz richtig. Der Gedanke, die Förderung von den völlig Erfolglosen zu den Erfolgreicheren umzuleiten, ist natürlich geradezu umstürzlerisch radikal.
Also, lieber Daniel Frost, hör doch bittschön auf, so tölpelhaft Geld verdienen zu wollen, und mach irgendwas mit einer Initiative oder einem Ehrenamt. Das ist nicht so ein Stress, und du wirst sehen: Bald brauchst auch du kein Münzfach im Geldbeutel mehr.
Radler33
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Sehr schön, Danke :-)
Christine
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Kompliment Herr Stein! Es war ein Genuss Ihr Essay zu lesen.
Jakob Friedl
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Schönes Artikelfoto! Ich bin gespannt, ob das Absperr-Gitter an der Haus-der-Bayern-Treppe noch dieses Jahr wegkommt und durch Winterdienst ersetzt wird. So auch bei den jeweils 6 Monate im Jahr präventiv gesperrten Fußgängertreppen an der Nibelungenbrücke und am Bahnübergang zwischen Posener Str. und Pilsen Allee. Ob mit der Konzeptstudie „Smart Winterdienst“ auch hierfür Lösungen gefunden werden können?
Letztendlich ist es eine Frage der Priorisierung des Winterdienstes für Autoverkehr oder Fußgänger*innen. https://ribisl.org/saisonale-treppensperrungen/
Wie auch die angenommene „Zweckentfremdung“ des auch als Verkehrsfläche ausgewiesenen Donaumarktes durch ein Biodonaumarktgeschehen zwischen den Bäumen neben der Feuerwehrzufahrt eine Frage der Wertung ist. Momentan handelt es sich um eine Durchgangsstraße. Der Platz wurde allerdings zum Flanieren, als Treffpunkt, für Kultur und Marktgeschehen geplant und gebaut. Siehe Diskussion im verlinkten Artikel.
Für das Treppengeländer hat mein Praktikant mit zwei rosa Sacktischen bereits vergangenes Jahr Extentionen für die Handläufe zum goldenen Spermium entwickelt. Mal sehen, ob diese simplen und billigen Dienstleistungsskulpturen aus recyceltem Material in den Sommermonaten genehmigungsfähig sind. Zum Abstellen von Getränken eignen sie sich jedenfalls hervorragend und korrespondieren gut mit den Rollschuhfahrer*innen.
https://ribisl.org/wp-content/uploads/2021/09/Fr2409202118Uhr30_OCOO_Acapella_Performance.jpg
Gscheidhaferl
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Der Herr Stein hat natürlich völlig Recht. ‘Think big!’ Sollte sich der werte Herr Frost wirklich hinter die businessmäßig wohl noch zu grünen Ohren schreiben. Am besten gleich eine Fetzen-Open-Air-Green-Lifestyle Messe, statt Ökogemüse-Markt! Tessla statt Tomaten! Vermittlung grün gewaschener Anlagefonds, statt nachhaltig erwirtschaftetes Wechselgeld! Und einen Werbestand für die wahrscheinlich völlig überflüssige Super-Eco-City-Tram nicht vergessen! Da muss er sich dann auch keine Gedanken mehr um die Standgebühren machen. Die zahlt im dann gerne das auf Steuermittel-Zweckentfremdung spezialisierte Stadtbahnbauamt, zusammen mit einer fetten Provision/Aufwandsentschädigung für seine Verdienste um die zukunftsunfähige Ausgestaltung unserer Stadt. Am End ist dann sogar noch die Ehrenbürger-Würde drin? Quasi eine Win-Win-Situation!
Hthik
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Oh ja.