Entdecke Veranstaltungen in Regensburg Alle Kultur Oekologie Soziales Kino

Unterstützen Sie unabhängigen Journalismus für Regensburg!

Hallo. Schön, dass Sie hier lesen oder kommentieren. Fast noch mehr freuen würden wir uns, wenn Sie die Arbeit von regensburg-digital mit einem kleinen (gern auch größerem) Beitrag unterstützen. Wir finanzieren uns nämlich nur zu etwa einem Drittel über Werbeanzeigen. Und für die gibt es bei uns auch ausdrücklich keine zusätzliche Gegenleistung, etwa in Form von PR-Artikeln oder Native Advertising.

Mehr als zwei Drittel unseres Budgets stammt aus Spenden – regelmäßige Beiträge von etwa 300 Mitgliedern im Verein zur Förderung der Meinungs- und Informationsvielfalt e.V.

Anders ausgedrückt: Wir bauen auf Sie – mündige Leserinnen und Leser, die uns freiwillig unterstützen. Seien Sie dabei – mit einem einmaligen oder regelmäßigen Beitrag. Herzlichen Dank.

Spenden Sie mit
Abseitiges aus Niederbayern

Das Fenster zum (Fried-)Hof

Im Waldvereinsweg in Freyung, gegenüber vom Friedhof, wird von der Rosenium GmbH mit Sitz in Neureichenau gerade ein Senioren-Pflegeheim errichtet. Das Unternehmen, das bereits mehrere solcher Häuser, unter anderem in den Landkreisen Freyung-Grafenau, Passau und Deggendor betreibt, legt dabei sehr viel Wert auf die richtige Lage, wie man auf der Rosenium-Homepage nachlesen kann: „Jedes dieser Häuser wurde liebevoll in seinen Standort integriert und ist inzwischen aus dem Ortsbild nicht mehr wegzudenken.“ Stimmt, die Symbiose zwischen Altenheim und Friedhof ist unverkennbar… Von Dike Attenbrunner
Das tödliche Freyunger Bermudadreieck: Kirche, Altenheim, Friedhof ...

Das tödliche Freyunger Bermudadreieck: Kirche, Altenheim, Friedhof …

Ein nebelverhangener Tag im 7.000-Seelen-Städtchen Freyung neigt sich dem Ende zu. Der Herbstwind wirbelt Laub über eine einsame Straße. Eine nervös flackernde Straßenlaterne wirft unheimliche Schatten auf ein angrenzendes Gebäude. Im zweiten Stock dieses Anwesens sitzt ein Mann am Fenster. Er nimmt langsam ein Fernglas von den Augen und legt es zitternd auf seinem Schoß ab. Wie versteinert starrt er dem gerade Erblickten hinterher. Plötzlich dreht er hektisch seinen Rollstuhl um. Sein immer noch ungläubiger Blick fällt auf den Fernseher, auf dem gerade der Hitchcock-Filmklassiker „Das Fenster zum Hof“ läuft: Der Hauptdarsteller Jeff beobachtet mit einem Fernglas, wie sein Nachbar mitten in der Nacht mit einem Koffer mutmaßlich die Leichenteile seiner bettlägerigen Frau entsorgt … „Greiz“ (Verdammt), bricht es aus dem Mann hervor, „dass iatzt wirkle `s Marerl vor mir hot dawischen miassn, des hätt‘ i meiner Lebdog net glaubt … (dass es Maria vor mir erwischen würde, hätte ich nie geglaubt …) Heit in da Friah, beim Schach, do war’s doch no quciklebendig!“ (Heute früh beim Schachspielen war sie doch noch quicklebendig!), murmelt der 91jährige fassungslos vor sich hin. „Do hamma uns doch wieder drüber lustig g’mocht, dass ma desweng ins Altenheim Rosenium gange sant, weil ma do quasi direkt vom Fenster ins Grab springa kann …“ (Da hatten wir uns doch wieder darüber lustig gemacht, dass wir deswegen in das Altenheim Rosenium gezogen sind, weil man hier sozusagen direkt vom Fenster ins Grab springen kann …) Kopfschüttelnd setzt er seinen Rollstuhl wieder ans Fenster und blickt wehmütig auf den Friedhof, der sich auf der anderen Straßenseite erhaben über das Bayerwald-Städtchen emporhebt. Dort heben zwei Totengräber gerade im strömenden Regen ein neues Grab aus. „Mei Marerl, du host immer g’sogt, dass du genau des Platzerl hom mogst, weil du mi von da aus a im Jenseits no schimpfen kannst, wenn i wieda amoi net woas, wann i meinen Kine eisetzen muas!“ (Ach Maria, du hast immer gesagt, dass du unbedingt genau dieses Plätzchen haben willst, weil du mich von da aus auch im Jenseits noch schimpfen kannst, wenn ich mal wieder nicht weiß, wann ich meinen König einsetzen muss!) Während er so da sitzt, an seinem Fenster, und darüber sinniert, welcher seiner (nicht demenzkranken) Mitbewohner sich wohl als zukünftiger Schachgegner eignen würde, fällt ihm wieder die letzte Beerdigung ein. Einer seiner Mitbewohner hatte für den verstorbenen Zimmernachbarn in einer Trauerbewältigungstherapie einen Engel aus Ton angefertigt. Und ´s Marerl hatte ihm deswegen am Grab entrüstet zugezischt: „Na, an so an kitschigen Engel mog i net am Grob steh hom!“ (Nein, so einen kitschigen Engel möchte ich nicht an meinem Grab stehen haben!) Er hatte nur gelacht und gesagt: „Was mechetst denn du, ha? An so an profanen Spruch wia an a jeda hot: `Sie ruhe in Frieden´ vielleicht?“ (Und was möchtest du? Vielleicht so einen profanen Spruch, wie jeder ihn hat: `Sie ruhe in Frieden´?) `S Marerl hatte genervt die Augen verdreht und erwidert: „Auf dem Friedhof ko ma ja goar net `in Frieden´ ruhen, mit enkam G’schmatz do drüm, im Heim!“ (Auf diesem Friedhof kann man ja gar nicht `in Frieden´ ruhen, mit eurem Geschwätz da drüben im Heim!) Er hatte versucht, sie zu besänftigen: „Geh, Marerl, des is immer no besser ois die tödliche Langeweile am Waldfriedhof. Do foid hechstens amoi a Bam um oder scheißt da a Vogel af dei Plattn … Af deine Kinder brauchst do net warten! Die mochen sie doch bloß `s G’wand dreckig …“ (Ach Maria, das ist doch immer noch besser als die tödliche Langeweile am Waldfriedhof. Da fällt höchstens mal ein Baum um oder ein Vogel macht sein Geschäft auf deine Platte … Erwarte bloß nicht, dass deine Kinder da aufkreuzen! Sie würden ja ihre Kleidung dreckig machen …) „O mei, die Beerdigungen, die werd i vamissn, wenn i amoi nimma bin“ (Herrje, die Beerdigungen werde ich vermissen, wenn ich nicht mehr bin), sagt der bucklige Greis traurig – und wischt sich mit dem zittrigen Zeigefinger eine Träne aus dem Augenwinkel. Das ist aber auch zu praktisch! Mit Rollstuhl und Rollator schlurfen sie ums Eck in die Stadtpfarrkirche. Auf dem Rückweg, beim Gräbergang, kann der ein oder andere dann noch schnell die Windeln wechseln und eine zusätzliche Heizdecke mitnehmen. „Ja, die Lage vo dem Rosenium is scho einmalig!“ (Ja, die Lage des Roseniums ist schon einmalig!), sagt er zu sich selbst. „A wenn’s ma manchmal scho lieber wat, wenn i net die ganze Zeit af an Tod auseschaun miassad … dass i sterben muas, woas i scho a, do muas ma mi net den ganzen Dog dran erinnern!“ (Auch wenn es mir manchmal zugegebenermaßen lieber wäre, wenn ich nicht den ganzen Tag auf den Tod rausschauen müsste … ich weiß ja, dass ich sterben muss, aber daran muss man mich nicht den ganzen Tag erinnern!) Und als ob die Aussicht auf das bevorstehende Ende nicht schon reichen würde, drehen sich auch noch die Gespräche der höchst sensiblen Pflegekräfte meist nur um das eine Thema. „Na, Fräulein Huber, hom se Sie scho a scheens Platzerl ausg’sucht? Schaun’s, d‘ Sunn scheint heit so schee. Da kannt man nochher no ausegeh, af an Friedhof, und a Runden drah. Wos moanen’s?“ (Na, Fräulein Huber, haben Sie sich schon ein schönes Plätzchen ausgesucht? Schauen Sie mal, wie schön die Sonne heute scheint. Da könnten wir doch nachher noch auf den Friedhof gehen und eine Runde drehen. Was meinen Sie?) Das Marerl hatte die zuckersüße junge Altenpflegerin daraufhin gehässig fixiert und die Blondine spuckend angegiftet: „Manchmal wads hoid echt net verkehrt, wenn ma af seine oiden Dog dement und senil wird. Dann checkt ma’s wenigstens nimma, dass boid vorbei is!“ (Manchmal wäre es wirklich besser, wenn man auf seine alten Tage dement und senil wird. Dann kapiert man wenigstens nicht mehr, dass es bald vorbei ist!) Die Blondine hatte nur ihr hübsches Köpfchen geschüttelt und dem Marerl behutsam den Arm um die Schulter gelegt. Dabei hat das Marerl engen Körperkontakt zeitlebens verabscheut. „I glaub, Sie brauchen amoi wieda a Beruhigungstablettn. Des wird scho wieda.“ (Ich glaube, es wird Zeit für Ihre Beruhigungstablette. Das wird schon wieder.) Das Marerl hatte dem dummen Gör fassungslos hinterhergeschaut – und sich des nachts damit gerächt, dass sie ihre Windel auszog … Das war vielleicht eine Sauerei! Ach, das Marerl war schon ein Weibsbild! Schade, dass er sie erst im Heim kennenlernen durfte. Das wäre ein viel amüsanteres Leben gewesen als das mit dem Putzteufel, mit dem er vierzig Jahre seines Daseins vergeudet hat. „Wenigstens hot die Hex‘ vor mir das Zeitliche gesegnet“ (Wenigstens hat die Hexe vor mir das Zeitliche gesegnet), lacht er hämisch – und kriegt einen elendigen Hustenanfall von der ganzen Aufregung.
Direkt vom Fenster ins Grab springen: Das neue Seniorenheim in Freyung bietet seinen Bewohnern jeglichen Komfort ...

Direkt vom Fenster ins Grab springen: Das neue Seniorenheim in Freyung bietet seinen Bewohnern jeglichen Komfort …

Als er wieder normal atmen kann, rollt der Alte seufzend auf seinen Kleiderschrank zu und holt seinen schwarzen Sonntagsanzug hervor. Er legt ihn auf einem Stuhl ab und streichelt mit seinen Händen zärtlich den Stoff glatt. „Den kann i dann nach der Marerl ihrer Beerdigung glei alossn“ (Nach Marias Beerdigung kann ich den gleich anlassen), sagt er zufrieden. Allzulange hat auch er nicht mehr zu leben, das spürt er. „Obba wos is mit dem Hias?“ (Aber was ist mit Matthias?), fällt ihm siedendheiß ein. „Des is a zager Hund. Der varreckt und varreckt einfach net!“ (Das ist ein zäher Hund. Der will einfach nicht verrecken!) „Take 3, pay for 2“, so lautete das verlockende Angebot vom Totengräber, der ihnen vor ein paar Monaten beim Kaffeekränzchen seine Visitenkarte überreicht hatte. Dumm nur, dass die Vergünstigung erst dann gilt, wenn alle Drei auch innerhalb von drei Monaten sterben … „Na, da Hias schaut immer no jedem hinternwackelnden Rollator noche, der is no lang net soweit!“ (Nein, Matthias schaut immer noch jedem hinternwackelnden Rollator hinterher, der ist noch lange nicht soweit), sagt er und senkt resigniert den Kopf. Als er schon zu schlafen scheint, rümpft der Alte auf einmal seine Nase. „Hm, Zyankali …“, hört man ihn flüstern, während er langsam seinen Kopf hebt und seine verschmitzt blitzenden Augen wieder auf den Friedhof hinausgleiten. Am Fenster des Seniorenheims im Freyunger Waldvereinsweg sieht man einen Mann sitzen. Er blickt nachdenklich nickend auf den vor ihm liegenden Friedhof. Die nervös flackernde Straßenlaterne blinzelt ihm zustimmend zu. Ja, wo ein Seniorenheim am Friedhof ist, ist auch ein Weg … Anmerkung der Redaktion: Dies ist eine fiktive Geschichte. Personen und Handlung sind frei erfunden. Der Ort nicht.

SUPPORT

Ist dir unabhängiger Journalismus etwas wert?

Dann unterstütze unsere Arbeit!
Einmalig oder mit einer regelmäßigen Spende!

Per PayPal:
Per Überweisung oder Dauerauftrag:

 

Verein zur Förderung der Meinungs- und Informationsvielfalt e.V.
IBAN: DE14 7509 0000 0000 0633 63
BIC: GENODEF1R01

Kommentare (6)

  • Andreas

    |

    Täuscht das Bild, oder ist das neue Gebäuse schief gebaut ?

    0
    0
  • Student

    |

    Aha.
    Und was soll uns das nun sagen?

    0
    0
  • SOLE

    |

    wir lassen unserer fantasie einfach freien lauf dann verstehen wir vielleicht warum das hier geschrieben wurde…. ;) kommentar is nicht böse gemeint…

    0
    0
  • Kuno Küfer

    |

    @Student

    Es gibt hier kein “uns”. Es gibt ein neugierig machendes “dir” und ein “mir”. So ein “uns” gibt’s eher bei den grünen Interpretationsheftchen von Reclam.

    0
    0
  • hobbykoechin

    |

    ja der Blick auf den Friedhof ist nicht gerade schön für die alten Leute. Wir haben auch vor vielen Jahren neben einem Friedhof gewohnt und ich muß sagen am Anfang war es schon leicht gruselig. Jedoch als wir uns daran gewohnt hatten, war es beruhigend Nachts die Grablichter zu sehen (so makaber das auch klingen mag).

    0
    0
  • Joachim

    |

    Zu 21.10.13 – 18.58

    “Täuscht das Bild, oder ist das neue Gebäude schief gebaut ?”

    Es täuscht. So sieht man z.B. an der Laterne, weiter rechts, dass das Gebäude nicht schief steht.

    Ich habe das Bild etwas “gedreht”:
    Siehe: http://www.monopole.de/Freyung.jpg

    0
    0

Kommentare sind deaktiviert

drin