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Schockanruf bei 79-Jähriger

Couragierte Nachbarin verhindert Enkeltrick

20.000 Euro hätten zwei Männer Anfang des Jahres beinahe von einer Rentnerin aus Ramspau ergaunert. Dank der Zivilcourage einer Nachbarin, landete das Geld wieder in den Händen der Geschädigten – und die beiden Männer diesen Donnerstag vor Gericht.

Die beiden Angeklagten mit ihren Verteidigern vor dem Amtsgericht Regensburg. Foto: Bothner

„Ach Oma.“ Mehr als diese beiden Worte bekommt die Frau am anderen Ende der Leitung nicht heraus. Schluchzend und weinend reicht sie das Telefon weiter. Eine Polizistin meldet sich. „Setzen Sie sich besser erst einmal“, rät sie. Es ist der 3. März 2022, als eine 79-Jährige in ihrem Haus in Ramspau (nördlicher Landkreis Regensburg) diesen Anruf erhält. Sie ist damals überzeugt, eben ihre Enkelin gehört zu haben. Die studiere in Jena, habe wenig Zeit, weshalb man sich nur selten höre, erklärt die Rentnerin diesen Donnerstag vor dem Amtsgericht Regensburg.

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Schockanruf bei 79-Jähriger

Die Enkelin sei in einen Unfall verwickelt gewesen und habe eine schwangere Radfahrerin dabei tödlich verletzt, klärt die vermeintliche Polizistin auf. „Ich habe einen sehr kräftigen Schock erlitten, können Sie sich ja denken“, so die Zeugin. Die falsche Polizistin, die sich als Oberkommissarin Dietrich vorstellt, sei aber sehr höflich und einfühlsam gewesen. Zu keinem Zeitpunkt habe sie die Geschichte angezweifelt, erklärt die Frau. Im Gegenteil habe sie der angebliche Anruf ihrer Enkelin, von der sie sonst so selten etwas höre, sogar darin bestärkt, dass etwas Schlimmes passiert sein müsse.

Die falsche Polizistin gibt sich bemüht, telefoniert angeblich mit einem Richter und später mit der Staatsanwaltschaft. Währenddessen wartet die Rentnerin am Handy. Im Hintergrund habe es sich wie in einem Büro angehört. „Es klang auch immer wieder so, als würde sie mit Kollegen reden“, erinnert sie sich.

Falsche Polizistin fordert hohe Kaution

Irgendwann heißt es dann, der Enkelin drohe die Haft. Durch die Zahlung einer Kaution in Höhe von 38.200 Euro aber komme sie vorläufig frei. Die Rentnerin erklärt, sie könne höchstens 20.000 Euro abheben. Die Anruferin bestellt daraufhin ein Taxi und die 79-Jährige fährt zur fünf Kilometer entfernten Bank.

Dass dort bei einem so hohen Betrag niemand stutzig geworden ist, verwundert Richterin Andrea Costa am Donnerstag. Nicht einmal eine Nachfrage habe es gegeben. Die Rentnerin will der Bank aber keine Schuld an der Sache geben. Mit dem Geld in der Tasche geht es zurück nachhause. Am Telefon ist weiterhin die falsche Polizistin. Die erklärt dann, dass gleich ein Kurier kommen werde, um das Geld abzuholen.

Drogensüchtiger als Kurier rekrutiert

Der 26-Jährige sitzt am Donnerstag zusammen mit seinem älteren Cousin auf der Anklagebank. Anfang des Jahres sei er aus Norwegen in seine tschechische Heimat zurückgekehrt, erzählt der Handwerker. Wegen langjähriger Drogensucht habe er ständig Geldprobleme. Zuletzt sei sein Konto gesperrt worden.

Auf einem Familienfest in Prag habe ihm ein Bekannter deshalb einen Job angeboten. Er solle etwas abholen. Der 26-Jährige nimmt an und holt seinen Cousin (38) als Fahrer mit dazu. Beiden sei von Anfang an klar gewesen, dass es sich um einen illegalen Auftrag handele. Doch der Familie könne man Hilfe nicht ausschlagen, erklärt Rechtsanwalt Shervin Ameri für den Cousin.

Auch hab der 26-Jährige nicht gewusst, was genau er abholen sollte, erklärt dessen Rechtsanwältin Narine Schulz. Das Honorar wurde demnach lediglich mit einem Viertel der Beute beziffert, aufgeteilt auf die beiden Angeklagten und den Bekannten, der den Tipp gegeben hatte. Der 26-Jährige soll damals verlangt haben, seinen Teil in Form von Kokain und Gras zu erhalten.

Drahtzieher bleiben im Dunkeln

Die eigentlichen Köpfe der Trickbetrügerbande und die Anruferin bei der Rentnerin bleiben – wie so oft bei derartigen Fällen – im Dunkeln. Die Angeklagten können darüber vor Gericht keine Angaben machen. Alles sei telefonisch gelaufen.

Ende Februar kommt der erste Anruf. Die beiden sollen ein Auto mieten und in Deutschland zur Abholung bereit sein. Zunächst steigen die beiden in einem Hotel in Grafenau ab. Tags, 1. März, darauf checken sie weisungsgemäß in Riedenburg ein. Dann am 3. März, gegen 13.30 Uhr, kommt erneut ein Anruf. In etwa 20 Minuten gehe es los. Wenig später nimmt der 26-Jährige in Ramspau das Kuvert mit dem Bargeld in Empfang.

Nachbarin verfolgt die Kuriere

Böse sei sie den Angeklagten nicht, entgegnet die 79-Jährige am Donnerstag deren Entschuldigungen. Es sei ja am Ende nichts Schlimmes passiert. Doch die Frau hatte reichlich Glück, dass ihr Erspartes nicht den Weg über die Grenze machen konnte.

Schon während ihrer Unterhaltung mit Oberkommissarin Dietrich wird eine Nachbarin aufmerksam. Die ist gerade auf ihrem Balkon und vernimmt seltsame Fetzen eines Telefonats. „In der Presse liest man ja immer wieder von solchen Betrugsfällen“, sagt sie vor Gericht. Ihr sei das insgesamt nicht ganz geheuer vorgekommen. Zumal sie dann auch noch die Kuvert-Übergabe verfolgt.

Die Frau beschließt, dem Mann in ihrem Auto zu folgen. Als sie ihn anspricht, wimmelt er sie zunächst ab. Die Frau lässt nicht locker. „Geben Sie mir das Paket, das Sie meiner Mutter abgenommen haben“, schwindelt sie den Angeklagten an. Es wirkt. Er händigt das Kuvert aus, mit den Worten: „Ich bin nur der Kurier.“

„Hut ab, ganz ehrlich“

Dennoch unsicher, ob sie „gerade nicht etwas sehr Blödes gemacht“ habe, klingelt sie bei der 79-Jährigen. Die hat noch immer die falsche Polizistin am Apparat. Die Nachbarin nimmt ihr das Handy aus der Hand und kündigt der Kommissarin an, die „richtige Polizei“ zu verständigen. Das Gegenüber legt auf. Dank des zuvor notierten Nummernschildes kann die Polizei wenig später die beiden Kuriere kurz vor dem Grenzübergang Waidhaus festnehmen.

Für ihr beherztes Einschreiten und ihre Zivilcourage bekommt die Nachbarin am Donnerstag von allen Seiten dickes Lob. „Hut ab, ganz ehrlich“, „alles richtig gemacht“, stimmen Staatsanwalt Sebastian Stitzinger und Richterin Costa überein.

„Wegen Ihnen befinde ich mich derzeit in Haft“, bedankt sich auch der 26-Jährige. Ohne das Einschreiten der Zeugin „hätte es wohl für mich viel schlimmer geendet“. Die achtmonatige Untersuchungshaft hätten ihm viel Zeit zum Nachdenken gegeben. Er sei seitdem clean.

Haftstrafen für die Kuriere

Den jungen Mann verurteilt das Gericht schließlich zu drei Jahren Haft. Außerdem wird die Unterbringung in einer stationären Suchttherapie nach §64 StGB angeordnet.

Der Cousin, der eine deutlich untergeordnetere Rolle gespielt haben soll, wird zu eineinhalb Jahren wegen Beihilfe zu gewerbsmäßigem Bandenbetrugs verurteilt. Für eine Bewährung fehlt dem Gericht eine ausreichend günstige Sozialprognose. Erst wenige Monate vor der verhandelten Tat hatte er eine Haftstrafe wegen eines Diebstahldelikts abgesessen.

Ein „psychologisches Meisterstück“

Von den eigentlichen Drahtziehern fehlt bislang jede Spur. Wieder einmal. Trotz regelmäßiger Aufklärungsarbeit durch die Polizei kommt es immer wieder zu solchen Vorfällen.

Von Trickbetrügeranrufen und falschen Polizisten habe sie schon öfter gehört, erklärt auch die 79-Jährige aus Ramspau. Ihre Fehleinschätzung erklärt sie sich unter anderem dadurch, dass ihre Familiensituation sehr gut zu der aufgetischten Geschichte gepasst habe. Die Stimme der Enkelin, von der sie selten etwas höre, habe unter dem Schluchzen doch vertraut geklungen. Es sei ein „psychologisches Meisterstück“ gewesen.

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Kommentare (11)

  • joey

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    “ein Bekannter” auf einem Familienfest… ist der Bekannte denn nicht mehr bekannt?

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  • Mr. B.

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    Ja wenigstens gab’s ein paar Jahre, auch wenn die Entziehungskur dem Steuerzahler wieder mächtig Geld kostet!

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  • R.G.

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    Es fallen auch vorbereitete Menschen drauf rein. Kürzlich eine Frau mit knapp 30 jahren.
    Ich habe mir in youtube Mitschnitte angehört, das ist suggestive Gesprächsführung, auf die auch ich reinfallen könnte, vor allem, wenn bereits sichtbar Menschen VOR der TÜR warten.

    Machen Sie bitte mit ihrem Omas und Müttern Losungsworte ersetzende Geschichten aus, Oma fragt beispielsweise: Was bekam Walter zum Geburtstag? Enkelin oder Tochter muss eine bestimmte dumme(!) Antwort geben.
    Bei Besuchen hören Sie sich bitte mit Ihren Älteren die Telefonate der Enkeltrickbetrüger an, spielen Sie das durch, erst mit Oma als Anruferin, dann mit ihr als Opfer. Spielen Sie ihr die Angst vor, ob man der vermeintlichen Polizei widersprechen darf.

    Ein Hoch auf die Nachbarin in ihrem Artikel!
    Wir, mehrere Mieter eines vorher von mir bewohnten Hauses, hörten vom Balkon aus, als ein Nachbar gestorben war, wie die Witwe von einem forschen Mann aufgefordert wurde, ihm alles zu geben und ihre restlichen Wertgegenstände in die Pfandleihe zu bringen. Da steht man vor dem Problem, nicht zu wissen, ob das ein Betrüger oder ein Verwandter ist. Es war die Familie, die Jahr und Tag keine Zeit für Besuche gehabt hatte und nun wieder nicht hat.
    Zur polizeilichen Information zwecks Verhinderung dieser Taten gehört erklärt, wie weit und wie man sich als Nachbar einmischen kann, ohne selbst rechtliche Probleme zu bekommen.
    in youtube.
    Der Enkeltrick: Originalmitschnitt der Polizei
    Enkeltrick 2.0: die neue Masche | Marktcheck SWR

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  • Mr. B.

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    Zu Günther Wilhelm Herzig
    5. November 2022 um 11:02 | #

    Das mit der 3stelligen Festnetznummer kann ich mir gut vorstellen!
    So wird es sein!

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  • R.G.

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    @Günther Wilhelm Herzig
    Als wer stellen sich die Anrufer bei ihnen vor>?

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  • joey

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    @G W Herzig
    leihen Sie doch mal der Polizei Ihre Nummer.

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  • Manfred Anderl

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    Ich habe meine Fritzbox für anonyme Anrufe komplett gesperrt und gebe konsequent für jede benutzte Nummer einen Namen in das Telefon ein.
    Damit fallen solche Anrufe sofort auf, weil kein Name erscheint.
    In der Aufzeichnung der eingegangenen Anrufversuche ohne Nummer sehe ich, wie oft solche anonymen Anrufe versucht werden. Damit halte ich mir auf jeden Fall einen grossen Teil von Cold-Call Werbung und hoffentlich auch solche Betrüger vom Hals.
    Wer seriös ist, unterdrückt seine Nummer nicht. Erscheint eine Nummer, aber kein Name, ist äusserste Vorsicht geboten. Ich lasse die klingeln, bis sie auflegen. Dann versuche ich die Nummer abzuklären im Internet. Meistens sind die da schon als Betrug bekannt.
    Ggf. rufe ich die Nummer zurück. Dabei stellt sich dann meistens heraus, daß es eine gefälschte Telefonnummer ist.

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  • xy

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    So wie Manfred Anderl habe ich auch meine Fritzbox eingestellt, bekam allerdings schon Beschwerden von Leuten, die ihre Durchwahlen in Behörden etc. nicht bekannt geben wollen, dass man mich nicht mehr erreichen kann. Jede Medaille hat zwei Seiten.

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  • R.G.

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    Also, ich habe nach starken Drohungen eine komplett gesperrte Nummer, sie wird inzwischen in Mitteleuropa angeblich nicht angezeigt.
    Dennoch erhalte ich zwielichtige Anrufe mit dem Zweck, mich zur Herausgabe von Passwörtern, Pin Nummern oder ähnlichem zu bewegen.
    Da ich mit der Reihenfolge meiner Vornamen variiere und Kleinigkeiten bei der Adresse unterschiedlich anführe, kann ich meist erkennen, woher die missbrauchten Daten stammen.
    Beispielsweise von einer strunzdoofen Freundin, die meinen Adresssatz bei einem Elektronikkonzern einspeichern ließ, weil ich doch damit einen Preis gewinnen könne oder von einem Telefonanbieter, durch dessen Frechheit ich nach Nutzung der Störungs- Hotline pünktlich 14 Tage später Ping-Anrufe aus England erhalte.
    Noch schlimmer, dass eines Tages Männer aus einer ehemaligen Sowjetrepublik
    an unserem Schlafzimmer klopften, weil der Dachdecker und Spengler seinen Subunternehmer, dieser seinen, jener wieder einen einige Länder weiter kontaktierte, bis die zwei der deutschen Sprache und der lateinischen Schrift nicht mächtigen Handwerker von nahe der chinesischen Grenze die Arbeit bei uns ausführen wollten.
    Verbrecher können übrigens nicht nur unseren Datensatz kaufen, sondern auch Angaben über unseren Haushalt und unsere Kontakte erhalten.

    Liebe Nachbarin aus dem Artikel, die Aufmerksamkeit von Menschen neben uns ist wahrscheinlich der beste Schutz, wenn man trotz vermeintlich größtem Datenschutz gerade am Telefon mit Worten, die engste Verwandtschaft vortäuschen, gehirngewaschen wird.
    Sie haben wahren Mut bewiesen. Ich würde viel darum geben, Leute wie Sie nahe bei mir wohnen zu haben!

    Möchten Sie hier mitschreiben?

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  • joey

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    Repression von Kriminalität geht nur mit einem hohen Risiko, erwischt zu werden und mit einer glaubwürdigen und auch für Deppen oder Suchtkranke erkennbaren Strafdrohung (das Bewährungsproblem).

    Vielleicht sollte die Polizei ältere Telefonanschlüsse (z.B. bei Abmeldung) erwerben und so einen honeypot errichten. Das darf sie vermutlich nicht? Das wäre ja nicht der “Geldschein auf der Straße”, die Angreifer kommen aktiv mit einer hohen kriminellen Energie und haben keinen Datenschutz verdient.

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  • Manfred Anderl

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    @XY
    ich würde mich beim Behördenleiter beschweren. Ich denke nicht, daß dieses Verfahren statthaft ist, Dann sollte die Rufnummer der Behördenzentrale erscheinen, wenn Durchwahlen nicht publik werden sollen.

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