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Container für Flüchtlinge?

Ein paar Quadratmeter „deutsche Lebenswirklichkeit“

Noch ist nicht sicher, ob die Stadt Regensburg eine Container-Unterkunft für Flüchtlinge errichtet. Allerdings werden dafür alle notwendigen Vorbereitungen getroffen. Dass beschloss der Verwaltungsausschuss nach zweistündiger und teils sehr kontroverser Debatte.

Innenansicht eines Containers: Knapp 14 Quadratmeter für zwei Personen. Foto: Rheinneckarblog

Innenansicht eines Containers: Knapp 14 Quadratmeter für zwei Personen. Foto: Rheinneckarblog

Ludwig Artinger teilte sich mit seinem Bruder ein Kinderzimmer von acht Quadratmetern. Norbert Hartl lebte in den 50ern mit seinen vier Geschwistern in einer Drei-Zimmer-Wohnung. Und weil das den beiden – mittlerweile nicht mehr in Kinderzimmern lebenden – Fraktionschefs, wie sie zumindest selbst bekunden, nicht geschadet hat, ist es auch in Ordnung, zwei Flüchtlinge, die sich in der Regel gar nicht kennen, in einen Wohncontainer von 13,6 Quadratmeter zusammenzupferchen, gegebenenfalls auch über mehrere Jahre.

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Den Flüchtlingen jeweils einen eigenen Container, vielleicht sogar mit Nasszelle zuzugestehen, lehnte die Mehrheit im Verwaltungs- und Finanzausschuss des Regensburger Stadtrats gegen die Stimmen von Richard Spieß (Linke) und Tina Lorenz (Piraten) ab. So zu wohnen, das merkte Oberbürgermeister Joachim Wolbergs an, entspreche nämlich nicht „der deutschen Lebenswirklichkeit“.

Kritik = „Zündelei“?

Wie berichtet, soll die Verwaltung beauftragt werden, alle Vorbereitungen für den Bau einer Container-Unterkunft am Weinweg zu treffen. Doch die äußerst knappe Beschlussvorlage, die dafür präsentiert wurde, lässt zahlreiche Fragen offen. Am Donnerstag wurde das Thema in öffentlicher Sitzung diskutiert.

Im Kreuzfeuer der Mitkoalittionäre: Tina Lorenz. Foto: Archiv/ Staudinger

Im Kreuzfeuer der Mitkoalitionäre: Tina Lorenz. Foto: Archiv/ Staudinger

Das Positive: Von der Linken bis hin zur CSU nutzte keiner die zweistündige Debatte um eine Container-Unterkunft für Flüchtlinge im Stadtwesten für parteipolitische Polemik. Entsprechend einhellig war auch das Lob für die Stadtspitze im Speziellen und die Bevölkerung im Allgemeinen für ihren bisherigen Umgang mit den eintreffenden Menschen. Auch eine menschenwürdige Unterbringung scheint allen am Herzen zu liegen. Auseinander gehen die Meinungen allerdings bei der Frage nach dem „Wie“. Und einigen im Stadtrat wäre es wohl am Liebsten gewesen, gar nicht über das Thema zu diskutieren. Margit Kunc (Grüne) etwa warf Piratin Tina Lorenz „Zündelei“ vor, weil sie sich im Vorfeld in einem Blogbeitrag gegen das Vorhaben ausgesprochen hatte.

Zu Beginn: Ein bisschen Aufklärung durch den OB

Ziemlich gereizt reagierte am Donnerstag auch Joachim Wolbergs auf Kritik und Fragen zu dem Projekt. „Twitter-Experten sollten sich nicht zu Containern äußern“, so der OB in Richtung Lorenz. „Aber es sagen wieder einmal alle zu allem etwas und keiner kennt sich aus.“ Bereits zu Beginn der Sitzung nahm Wolbergs sich Zeit, um – garniert mit Spitzen gegen Kritiker – seine Lesart des erwünschte Beschlusses zu erläutern. Demnach fordert die Regierung von Kommunen im Rahmen eines „Winternotfallplans“ drei Reaktionsstufen von den Kommunen.

OB Wolbergs: „Aber es sagen wieder einmal alle zu allem etwas und keiner kennt sich aus.“ Foto: Archiv/ Staudinger

OB Wolbergs: „Aber es sagen wieder einmal alle zu allem etwas und keiner kennt sich aus.“ Foto: Archiv/ Staudinger

Stufe 1: Die kurzfristige Unterbringung von 200 bis 300 Personen für fünf bis sechs Wochen. Hierauf ist die Stadt laut Wolbergs vorbereitet. Man habe so etwas bereits erfolgreich in der Clermont-Ferrand-Turnhalle vorexerziert. Es stehe auch noch eine zweite Turnhalle zur Verfügung.

Stufe 2: Die mittelfristige Unterbringung von 200 Personen für fünf bis sechs Monate. Hierfür sei die geplante Container-Unterkunft vorgesehen – zumindest für 100 Menschen.

Stufe 3: Die langfristige Unterbringung über einen Zeitraum von fünf Jahren. Dieser Fall, so Wolbergs, werde in Regensburg aber wohl nicht eintreten, da die geplante Erstaufnahmeeinrichtung der Stadt bei den Aufnahmezahlen angerechnet werde. Möglicherweise werde man auch die Pläne für die Container insgesamt wieder verwerfen.

Keine Lösung auf Jahre?

Die Unterbringung darin sei auch „keine Lösung auf Jahre. Aber liefern Sie doch mal einen Gegenvorschlag“, so der OB in Richtung Lorenz und anderer Kritiker. Ohnehin seien die Zustände in so einem Container-Bau „viel besser als in vielen Gemeinschaftsunterkünften“. Viel entscheidender als die Größe sei es, sich vernünftig um die Menschen zu kümmern. Bestellt würden die Container, wenn Stufe 1 zum Tragen käme und die ersten Flüchtlinge einträfen. „Dann steht das Ding in drei Monaten.“ 

Doch trotz alledem blieben Einiges ungeklärt. Joachim Graf (ödp) präsentierte einen umfangreichen Fragenkatalog, der nur teilweise beantwortet wurde, stimmte am Ende aber zu, da es sich „um eine Geschichte im Prozess“ handle.

Mehrfach unterbrochen durch Zwischenrufe von Wolbergs („Sie waren wohl noch nie in einer Gemeinschaftsunterkunft.“) und SPD-Fraktionschef Hartl („So ein Schmarrn.“) monierte Tina Lorenz, dass die Container für Stufe 2 überhaupt nicht geeignet seien, da sie laut Beschlussvorlage frühestens im April 2015 lieferbar sind und der Winternotfallplan dann bereits ausgelaufen ist.

Auf dem Grünstreifen am Weinweg sollen die Container gegebenenfalls aufgestellt werden. Foto: as

Auf dem Grünstreifen am Weinweg sollen die Container gegebenenfalls aufgestellt werden. Foto: as

Auch steht in der Beschlussvorlage, dass die Stadt plant, die Container langfristig als Gemeinschaftsunterkunft an die Regierung zu vermieten. „Die durchschnittliche Verweildauer in solche Unterkünften betrug 2012 drei Jahre“, so Lorenz. Das sei angesichts des knapp bemessenen Platzes nicht tragbar. Die Stadt schaffe sich so „ohne Not einen sozialen Brennpunkt“.

„…auch schauen, dass für die Obdachlosen noch Platz ist.“

Prügel bekam Lorenz für diese Wortmeldung nicht nur vom Oberbürgermeister, sondern auch von Margit Kunc. „Für wie bescheuert halten Sie eigentlich die Verwaltung?“ Selbstverständlich sei von dieser Notlösung niemand begeistert. Aber die Betonung liege ja auf einer vorübergehenden Unterbringung. Alles andere würden die Grünen auch ablehnen. Unabhängig davon müsse man aber auch, „obwohl wir die Flüchtlinge hier gerne unterbringen wollen, auch schauen, dass für die Obdachlosen noch Platz ist.“

Bunte Beengtheit: Der Entwurf für die Container-Unterkunft. Grafik: Stadt Regensburg

Bunte Beengtheit: Der Entwurf für die Container-Unterkunft. Grafik: Stadt Regensburg

Auch Freie Wähler-Fraktionschef Artinger, Hermann Vanino von der CSU und Norbert Hartl betonten durchweg, dass es hier doch nur um eine kurzfristige Unterbringung gehe. Thomas Burger (SPD) sprach davon, dass die Stadt weit mehr als nur ihre Pflicht erfülle und sich „bereits in der Kür“ befinde. „Eine Grundsatzdiskussion über Gemeinschaftsunterkünfte sollten wir hier nicht führen“, so der stellvertretende SPD-Fraktionschef.

Wie wird langfristige Unterbringung vermieden?

Die mehrfach gestellte Frage danach, wie garantieren wolle, dass die Unterbringung in den Containern tatsächlich nur kurzfristig sei, nachdem man diese als Gemeinschaftsunterkunft an die Regierung vermietet habe, blieb trotz mehrfacher Nachfragen unbeantwortet.

Den Änderungsantrag von Richard Spieß (Linke), die Raumaufteilung dann zumindest so zu gestalten, dass jedem Flüchtling ein Container zur Verfügung stehe, um etwas Privatsphäre zu gewährleisten, lehnte die Ausschussmehrheit dennoch – wie schon erwähnt – ab. Da half auch das Argument nichts, dass ein Gutachten aus dem Jahr 2009 ergeben habe, dass die vom Sozialministerium als Mindeststandard vorgesehene beengte Unterbringung – sieben Quadratmeter pro Person – die Menschen krank mache.

Dieser Stadt gehe es offenbar zu gut, wenn man solche Debatten führe, meinte Wolbergs gegen Ende. Immerhin kam von ihm die Zusage, dass bei der Container-Anlage – so sie denn kommen sollte – für intensive Betreuung gesorgt werde. „Das macht manchen Quadratmeter wett.“

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Kommentare (8)

  • mir gehts zu gut

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    Hallo, wenn man sich also um das Wohlergehen seiner Mitmenschen sorgt, geht es einem zu gut? Vielleicht brauchen wir noch ein bisschen Agenda 2015, damit uns allen das Wasserbis zum Halse steht und wir bloß nicht drauf können, wem wir das verdanken.

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  • Student

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    Ein Oberbürgermeister, der der Ansicht ist, dass es einer Stadt “zu gut” gehe, wenn in ihr Debatten über menschenwürdiges Leben sozialer Randgruppen geführt werden, scheint mir eine bedauerliche Fehlbesetzung. Ein Oberbürgermeister, vor dem ich Respekt haben könnte, wäre stolz auf eine Stadt, der es so gut geht, dass sie sich solche Debatten erlaubt. Wobei es mir weniger die Frage zu sein scheint, wie gut oder schlecht es einer Stadt geht (vgl. die exorbitanten Flüchtlingsaufnahmezahlen in deutlich ärmeren Ländern), sondern eher eine Frage der Solidarität, des Umgangs mit Menschen in Not und der sozialen Einstellung – oder eben das Fehlen einer solchen (besonders peinlich für jemanden, mit dem Wort “sozial” im Parteinahmen).
    Ein Hoch auf Tina Lorenz!

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  • Student

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    …”namen” natürlich…

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  • Dieter

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    Verächtliche Seitenhiebe austeilen, unbequemen Fragen ausweichen, mit schwammigen Zusagen vertrösten oder pampig werden…
    Man hat das Gefühl Wolbergs mutiert aktuell zum nächsten Schaidinger. Armselig.

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  • Dubh

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    Wenn ich das richtig verstanden habe, entspricht es laut Wolbergs nicht deutscher Lebenswirklichkeit, mehr als 6,8qm pro Person und zumindest ein Klo in der Wohnung zu haben?

    Behauptet einer, der Jahrgang 71 als Angehöriger der Generation Golf nun wirklich KEINERLEI Einschränkungen der Nachkriegszeit aus eigener Erfahrung mehr kennt – sehr putzig!

    Wo in Deutschland soll das HEUTE großflächig so sein, Herr Wolbergs?

    Noch wären es ja 50qm die einer Einzelperson, 65qm für 2 Personen, zustehen, auch wenn es sich um “Hartzler” und Sozialhilfeempfänger handelt – arme RentnerInnen beispielsweise, die sich in den nächsten Jahren dank massiver Rentenkürzungen der Agenda 2010 rasend vemehren werden, Billiglöhnern…..
    Vom Klo übern Hof war bisher für die Armen auch noch nicht die Rede – das übrigens gab es in der Regensburger Altstadt vor Sanierungszeiten eigentlich auch nicht – im Haus waren die Klos gemeinhin dann doch!

    Aber das kann ja alles noch kommen!
    Leuten die ihre Wohnung verloren haben, macht man es in Regensburg ja auch so ungemütlich wie es nur geht – trotz Sanierung der Notunterkünfte Gemeinschaftsklos, keine Zentralheizung, Strom abstellen……….obwohl man ihnen ja offensichtlich keine richtige neue Wohnung verschafft, die Stadtbau will solchen “Plebs” nicht mehr…., wie wir über die Aufenthaltsdauer dort erfahren mussten.

    Demnächst Container Gemeinschaftsunterkünfte für alle, die nicht die Kohle haben sich die Regensburger Mietpreise zu leisten?
    Ein Probelauf mit den Flüchtlingen?

    Sogar im Knast hat man Anspruch auf Einzelunterbringung, und die Zellen sind 8-10 qm groß, samt eigenem Sanitärbereich…………………..

    Schön, dass “Boomtown” Regensburg Flüchtlingen nicht mal Verhältnisse wie in deutschen Knästen zur Verfügung zu stellen bereit ist.

    Darüber dass man bei Nacht und Nebel, Sturm und Schnee raus muss um aufs Klo zu kommen, freuen sich Frauen und Kinder sicher ganz besonders…………ist das hierzulande nicht gesundheitsgefährdend? Wir sind ja nicht in der Südsee!

    “(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit….. ”
    GG Art 2,2

    Gilt übrigens für ALLE, die sich in Deutschland aufhalten

    Artikel 1 Menschenwürde, “Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.”
    Diese seine oberste Aufgabe und Pflicht interessiert den Staat ja schon lange nicht mehr hier – würde auch für ALLE gelten………

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  • „Wir tun hier etwas ganz Normales“ » Regensburg Digital

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    […] einen Seitenhieb auf „all jene, die sich über die Qualität von Containern beschweren“. Damit bezieht er sich (mutmaßlich) auf Stadträtin Tina Lorenz (Piraten) und die Linken-Fraktion, d…. Dort sollen 100 Menschen auf engstem Raum – 6,8 Quadratmeter pro Person im Doppelzimmer – […]

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  • Gondrino

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    Kritik an den Containerplänen ist vom OB Wolbergs offensichtlich nicht erwünscht, beschädigt es doch sein schönes Bild von der tollen Willkommenskultur in Regensburg. Wenigstens die Linken und die Piratin haben in diesem Stadtrat noch ein soziales Gewissen. Die anderen Stadträte haben sich offensichtlich einlullen lassen oder befürworten diese Lösung als “besser als gar nichts.”

    Deutschland ist eines der reichsten Länder der Welt, einer oder sogar der größte Profiteur des Welthandels und damit auch mitverantwortlich für die schreiend ungerechte Weltwirtschaftspolitik, die Entwicklungsländer klein hält und ausbeutet. Kommen dann Menschen aus, von den Industriestaaten mit zu verantworteten, Krisenregionen in größter Not auf abenteuerlichen und lebensgefährlichen Wegen zu uns, wollen wir sie dann am Stadtrand, vielleicht über Jahre hinweg, in Container pferchen? Die Verantwortlichen und alle, die ihnen Beifall zollen, sollten sich schämen!

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Kommentare sind deaktiviert

drin