Charmant und schelmisch
„Der Vogelhändler“ am Stadttheater überzeugt durch Witz, Charme und ein stimmiges Bühnenbild.
Ein US-Amerikaner singt die Zeilen: „No amal, no amal, sing nur sing Nachtigall“ oder „Hat dann g’seufzt: o mein, o mein / Wo mag iezt wohl s’Reserl sein?“. Klingt komisch? Ja, im wahrsten und im doppelten Sinn des Wortes.
In Dominik Wilgenbus’ Inszenierung von „Der Vogelhändler“ am Theater Regensburg erlebt man aber noch weitere Kuriositäten, die irgendwo zwischen volkstümlich-anheimelndem Kitsch, quietschbunter Fantasiewelt und schelmischer Ironie rangieren.
Detailreiches Bühnenbild von Peter Engel
Maßgeblich trägt dazu Peter Engels Bühnenbild bei, das das Prinzip seiner bekannten Wimmelbücher auf die Theaterbühne am Bismarckplatz bringt. Auf den ersten Blick klar strukturiert und naiv-kindlich gemalt, verbirgt es unzählige Details, die gekonnt in die Inszenierung eingebunden werden und sie immer wieder auf neue, unkonventionelle Weise bereichern.
Doch zurück zum „Vogelhändler“ selbst: Die Operette von Carl Zeller von 1891 zeichnet sich vor allem durch ihre Eingängigkeit aus. Sie erzählt die Geschichte von Adam, einem jungen Vogelhändler aus Tirol, der die Briefchristel in der Pfalz heiraten möchte und in diesem Zusammenhang in eine amüsante Comedy of errors hineingerät, an der die Kurfürstin, der trinkselige Baron Weps und dessen Sohn maßgeblich beteiligt sind. Viele der einzelnen Nummern aus dem „Vogelhändler“ sind auch unabhängig vom Gesamtwerk bekannt geworden, darunter „Schenkt man sich Rosen in Tirol“ oder „Wie mein Ahn’l zwanzig Jahr“, aus dem eingangs zitiert wurde.
Musiktheater ohne romanzelnde Schnulzigkeit
Nun wohnt sowohl diesen Kompositionen als auch dem Libretto von Moritz West und Ludwig Held durchaus ein Hang zum massentauglichen Schlager inne, der schnell auf Kosten der Kunst gehen kann. Wilgenbus und seinem Team ist mit ihrer Umsetzung von Zellers Operette auch diesbezüglich ein kleines Kunststück gelungen: Sowohl konservative Operettengänger, die eine allzu freien Regie wenig zu goutieren wissen (um es vorsichtig auszudrücken), als auch Publikum, das von altbackenem Musiktheater mit der romanzelnden Schnulzigkeit einer Rosamunde-Pilcher-Verfilmung nichts anfangen kann, dürften mit dem Regensburger „Vogelhändler“ zufrieden sein.
Die charmant verballhornend angelegte Rokoko-Ästhetik, der immer wieder selbstironisch auf die eigene Produktion geworfene Schulterblick und eben auch Einfälle wie die Besetzung eines akzentbehafteten Amerikaners, der sich in der Krachledernen als Tiroler durch die Pfalz jodelt, bringen einen angenehm postmodernen Wind in das durchaus etwas angestaubte Werk Zellers. Das Philharmonische Orchester Regensburg spielt dessen Partitur solide, mal schmetternd, mal gefühlvoll.
Lediglich gegen Ende etwas zäh
Lobend erwähnt werden sollte auf alle Fälle auch die Besetzung. Nicht nur Cameron Becker als Adam, auch Theodora Varga als Kurfürstin Marie, Doris Dubiel als Baronin Adelaide, Adam Kruzel als Baron Weps, Brent Damkier als Graf Stanislaus, Anna Pisareva als Briefchristel und die übrigen Solisten machen ihre Sache hervorragend. Es gibt keinen einzigen Ausreißer nach unten – besonders hervorgehoben werden muss aber wohl die gesangliche Leistung Pisarevas, die sich sauber durch die hohen Passagen singt, als auch die wundervoll weiche, einladende und doch kraftvolle Stimme von Cameron Becker.
Einmal mehr präsentiert das Theater Regensburg in dieser Spielzeit eine Produktion, die ihren langen Schlussapplaus verdient. „Der Vogelhändler“ ist auch jenen zu empfehlen, die klassisches Musiktheater sonst eher meiden oder bislang keinen Zugang dazu gefunden haben. Die Inszenierung, die sich lediglich gegen Ende etwas zieht – es wurde nichts gekürzt – ist unterhaltsam und nutzt die unterschiedlichen Möglichkeiten des Theaters gekonnt, ohne sie zum Selbstzweck zu erheben.
Der Vogelhändler
von Carl Zeller, Libretto von Moritz West und Ludwig Held nach Edmond Desnoyers de Biéville, Musikalische Leitung: Tom Woods, Inszenierung: Dominik Wilgenbus, Bühne: Peter Engel, Kostüme: Claudia Doderer, Choreinstudierung: Alistair Lilley, Dramaturgie: Kathrin Liebhäuser, Licht: Martin Stevens.
Mit: Michaela Schneider / Theodora Varga, Doris Dubiel, Adam Kruzel, Brent L. Damkier / Adam Sanchez, Matthias Ziegler, Michael Heuberger, Cameron Becker / Brent L. Damkier, Aurora Perry / Anna Pisareva, Tobias Hänschke, Mart Öztaner u.a.
Anonym
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Kommentar gelöscht. Wer unter fünf bis sechs Pseudonymen anfängt mit sich selber zu diskutieren, den sperren wir für das Forum.
Andreas
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@ Anonym
Ja leider kostet Kultur Geld. Aber vielleicht 1-2x weniger ins Cinemaxx und sich auch mal in so eine Vorstellung “verirren”, dann werden die Subventionen auch niedriger. Ich find es gut das Geld für diese Dinge ausgegeben werden. Und Aufgrund des Berichtes schau ich mir das vielleicht auch an:)
Frage
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@Anonym
Wäre es neuer “Käse”, ging die Subvention dann in Ordnung?
Oder ist es Ihrer Meinung nach in jedem Fall “schade um das viele Geld”, das in ein Theater fließt?
Anonym
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Zu 14:28 und 15:13
Die Subventionen im Theaterbereich sind erschreckend hoch, sie sind ausgeufert! Ich will nicht über Subventionen Theater finanzieren.
Zitat: “Aber vielleicht 1-2x weniger ins Cinemaxx […]”
Wer ins Cinemaxx geht zahlt den Eintritt selbst, da gibt es keine Subventionen, beim Theater wird fast der gesamte Aufwand über Subventionen getragen.
Nehmen wir ein fiktives Beispiel:
Stadt A Subvention einer Theaterkarte
Gesamtausgaben: 20 Millionen
Öffentlicher Zuschuss: 18 Millionen
Besucherzahl: 150.000
Ausgaben pro Besucher: 133 €
Auslastung in der Spielzeit 12/13: 70%
Finanzieller Schaden pro Besucher: 120 €
noch eine Frage
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@ Anonym:
“Zitat: “Aber vielleicht 1-2x weniger ins Cinemaxx […]”
Wer ins Cinemaxx geht zahlt den Eintritt selbst, da gibt es keine Subventionen,”
Also ich hab den Beitrag von Andreas so verstanden, dass bei seinem Vorschlag mehr Geld in die Theaterkassen fließen würde (im Beispiel die beiden eingesparten Kinokarten), wenn die Besucher eben nicht ins Cinemaxx gingen, sondern dafür Theater schauen würden. Und diese Mehreinnahmen könnten dann eben den von Ihnen in Ihrem Beispiel berechneten “Schaden pro Besucher” beim Theater reduzieren.
Aber ein weiterer Aspekt ist doch die Qualität des Programms im Cinemaxx. Wenn ich Ihren Gedanken auf die Spitze treiben möchte, dann wäre eine mögliche Lösung für das Dilemma die, dass das Stadttheater künftig das Programm des Cinemaxx übernimmt und schon ist das Subventionsproblem gelöst. Aber dann haben wir genau das Kulturangebot im Theater, dass eben ein Cinemaxx bietet. Naja, auf dieses subventionsfreie Angebot kann ich aber gerne verzichten.
Peter
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“Der Vogelhändler” mag “alter Käse” sein, aber er wurde peppig, frisch und frech auf die Bühne gehievt – das ganze war ein bonbonbunter Comicstrip, und für den, der zuhören kann, ist es ein unterhaltsamer Abend. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Subventionen: Wie kann ich mich dagegen wehren, dass mit meinen Steuergeldern Filme wie “Kokowääh” und “Rubbel die Katz” mitfinanziert werden? Glaubt hier tatsächlich jemand allen Ernstes, dass der Brei, der uns im CinemaxX serviert wird, nicht aus unseren Steuergeldern finanziert wird? Z.B. über die Filmförderfonds der Länder. Da ist mein Geld bei so einem “Vogelhändler” besser aufgehoben!
peter grunmel
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Jeder Euro fürs Theater ist es wert! Mag jeder einzelne Stücke nicht mögen – es arbeiten zig Menschen Tag für Tag an einem Kulturangebot hinter und auf der Bühne. Auf einem hohen Niveau mit teilweiser internationaler Ausstrahlung!
Cinemaxx als Gegenbeispiel arbeitet mit wenigen Hilfskräften und einzelnen ITlern (früher: Filmvorführer). Programm gibt es nur nach kommerziellen Gesichtspunkten. Und Reibach wird mit einer selten unverschämten Abzocke im “gastronomischen Sektor” gemacht.
Ob im Regensburger Cinemaxx Filme kuratorisch zusammengestellt werden, kann ich mir nicht vorstellen. Denke, das wird zentral mit Distributoren verhandelt und je nach BWL-Analyse den Häusern zum Fraß hingeworfen.
Dann bitte lieber die kleinen Kinos fördern und deren Einsatz für das filmische Erbe und kulturelle Dicersität unterstützen!
Ostentor – Filmgalerie – Andreasstadl – Garbo – Regina: Dort wird noch anders gedacht und gehandelt!
Die Filmfördertöpfe hingegen werden zwar auch aus Steuermitteln gefüllt, aber Publikumserfolge ( Till Schweiger usw.) müssen auch wieder etwas in den Topf zurückgeben.
Anoym
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Kommentar gelöscht. Bleiben Sie beim Thema.
Anonym
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Kommentar gelöscht. Bleiben Sie beim Thema.
Basti
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@Anonym: Ich stimme Ihnen voll zu.
Da der Dom übrigens auch ein reines Zuschussgeschäft ist, sollte er abgerissen und durch ein Parkhaus ersetzt werden.
Und auf den Haidplatz sollte man auch was mit mehr ROI bauen.
am
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Zu 18. Dezember 2014 um 02:17:
Wenn ich mich richtig erinnere, habe ich einmal einen Film gesehen, in dem der “Domreparaturservice” seine Meißel aus historischen Gründen selbst geschmiedet hat. Beim Dom wird sicherlich auch viel Geld in den Sand gesetzt.
Wenn ich was zu sagen hätte, würde man das Stadttheater zusammenstutzen.
Schmid
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@am
Ich wäre glücklich wenn ich heutzutage noch einen handgeschmiedeten Meißel bekommen würde. Leider ist der Schmied praktisch ausgestorben. Es wird nur noch primitive Baumarktware angeboten.
am
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Zu Schmid 18.12.14 11:59
Als Ingenieur folgende Antwort:
Maschinenprodukte sind in der Regel besser, als vom Menschen gefertigte Produkte.
Als Philosoph folgender Tipp:
Der Mensch ist nicht zum Arbeiten auf der Welt.
Als Verbraucher folgender Tipp:
Heben Sie sich die Rechnung für den Baumarkt-Meißel auf, falls der Meißel Schwächen zeigen sollte, können sie ihn wahrscheinlich ohne Probleme zurückgeben.
Der Schmied ist als Handwerker aus gutem Grund fast ausgestorben, Maschinen sind besser und produzieren billiger. Ich habe selbst, während einer Ausbildung, einen Meißel geschmiedet, so mit allen Arbeitsgängen, man kann alle Arbeitsgänge besser maschinell durchführen.
Beim Theater haben wir auch eine überholte Tätigkeit, sie ist nicht zeitgemäß!
Peter Williger
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Kunst und Kultur – sei es Musik, Theater, Film, Literatur oder sogar Software mit maschinell erstellbarer Massenware zu vergleichen, da kann man mit Argumenten ja gar nicht mehr an!
Nur: Schauspiel, Musik, Fotografie, Malerei, Literatur usw. funktionieren eben nicht maschinell. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Als Philosoph weiß ich um die Bedeutung der Kunst und Kultur für die Entwicklung des Menschen. Hierzu explizit auch kostenintensive Investitionen ohne finanzielle Gewinnaussicht.
Als Ingenieur kann ich nichts sagen, da bin ich keiner.
Als Verbraucher bin ich sehr froh um das Theater Regensburg und suche mir die Stücke aus, zu denen ich hingehe.
Als Staatsbürger sind mir subventionierte Kulturtempel lieber, als subventionierte “systemrelevante” Unternehmen der turbokapitalistischen Kaste.
ll
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Zu Peter Williger 19. Dezember 2014 um 10:38
“Als Staatsbürger sind mir subventionierte Kulturtempel lieber, als subventionierte “systemrelevante” Unternehmen der turbokapitalistischen Kaste.”
– Nur durch die kapitalintensive Industrie können wir die Menschen versorgen.
Zitat: “Als Philosoph weiß ich um die Bedeutung der Kunst und Kultur für die Entwicklung des Menschen. Hierzu explizit auch kostenintensive Investitionen ohne finanzielle Gewinnaussicht.”
Es geht nicht um Gewinne, sondern beim Stadttheater Regensburg um extrem hohe Verluste durch die Subvention veralteter Kulturformen.
Zitat: “Als Verbraucher bin ich sehr froh um das Theater Regensburg und suche mir die Stücke aus, zu denen ich hingehe.”
Dann bezahlen Sie das auch und laden Sie die Kosten nicht bei mir ab.