15 Aug2012
Brief an SPD: Ein gewähltes Gremium braucht manchmal länger…
Verwundert hat sich SPD-Fraktionschef Norbert Hartl über einen Bericht der Mittelbayerischen Zeitung zur Situation für Radlewr in Regensburg gezeigt und deshalb einen Brief an ADFC und VCD geschrieben. Der Vorsitzende des ADFC hat Hartl jetzt geantwortet.
Sehr geehrter Herr Hartl,
vielen Dank für Ihr Schreiben zur aktuellen Berichterstattung der MZ über das Thema Radverkehr, von dem ich leider erst über die Medien in Form einer Pressemitteilung Ihrer Stadtratsfraktion erfahren habe.
Wie Sie sicher aus eigener Erfahrung wissen, werden in einem Zeitungsbericht nicht alle Aspekte eines längeren Gesprächs oder einer umfangreicheren Thematik aufgegriffen. Dies kann in einem solchen Medium nicht geleistet werden, und so muss ein solcher Text fokussiert wenige Punkte betrachten, und gerade der Titel wird plakativ und zugespitzt formuliert. Dass das Thema Radverkehr in den letzten Jahren auch im Stadtrat eine größere Aufmerksamkeit erfährt, entgeht uns keineswegs und wir haben dies auch wiederholt öffentlich dargestellt. Gerade die Öffentlichkeitsarbeit für das Radfahren wurde wesentlich intensiviert, und die bevorstehende Aktion “Stadtradeln” begrüßen wir außerordentlich und unterstützen sie nach Kräften.
Dass die zitierten 50.000 Euro die Zahl vom letzten Jahr ist, haben Sie zu Recht korrigiert. Wenn in den Haushalten der kommenden Jahre ein Mehrfaches davon zur Verfügung steht, ist dies zweifellos ein gutes Zeichen. Dennoch müssen wir feststellen, dass damit zu einem großen Teil nur Mängel früherer Planungen nachgebessert werden.
Gerade die auch im Radverkehrsgutachten als “Schlüsselprojekte” titulierten Maßnahmen drohen jedoch auf die lange Bank geschoben zu werden. Insbesondere das mit Abstand wichtigste Infrastrukturprojekt, ein Steg für Fußgänger und Radfahrer vom Gries/Stadtamhof zum Reinhausener Damm (vergleichbar dem Pfaffensteiner Steg), rückt immer mehr in weite Ferne. Dies ist umso bedauerlicher als das Projekt bereits im entsprechenden Bebauungsplan und im Regensburg Plan 2005 als wichtiger Baustein der städtischen Infrastruktur verzeichnet war. Immerhin wird dieses Bauwerk auch von einigen Kolleg/inn/en Ihrer Stadtratsfraktion mit Nachdruck befürwortet.
So wichtig aber auch die kleineren und mittleren Verbesserungen im städtischen Verkehrssystem sein mögen, die nach und nach mit dem von Ihnen skizzierten Haushaltsansatz umgesetzt werden können, so dürfen wir nicht die Augen verschließen vor den enormen Herausforderungen, denen unsere Gesellschaft mittelfristig gegenüber stehen wird und auf die jede Kommune vorbereitet sein sollte. Denn in dem Maß wie billige fossile Treibstoffe zur Neige gehen, stehen fundamentale Umstrukturierungen an, die nicht nur das Verkehrswesen, sondern in der Folge auch die Siedlungs- und Wirtschaftsstruktur betreffen werden.
Auch wenn unsere Generation noch vom billigen Öl profitieren kann, so wird sich eine Auto-zentrierte Infrastruktur für nachfolgende Generationen zunehmend als Belastung erweisen. Bei Planungshorizonten von 30 und mehr Jahren wie im Verkehrswesen müssen jetzt bereits künftige Entwicklungen berücksichtigt werden. Und dass der Kraftfahrzeugverkehr mit den derzeit üblichen Kilometerleistungen, Geschwindigkeiten und Fahrzeuggewichten nicht mit Strom und nicht mit Bio-Kraftstoffen betrieben werden kann, werden Sie als Ingenieur leicht nachrechnen können.
Insofern werden – zwar nicht heute und morgen, aber in mittelfristiger Zukunft – die Bürger/innen im Durchschnitt einen deutlich größeren Teil ihrer täglichen Wege nichtmotorisiert, zu Fuß oder mit dem Rad, oder wenigstens mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegen (müssen). Eine Kommune, die sich und ihre Bürger/innen frühzeitig auf diese Entwicklungen vorbereitet, kann diesen tiefgreifenden Wandel besser meistern. Ein immer weiterer Ausbau der Kfz-Infrastruktur ist daher keine Investition in die Zukunft, zumal das bestehende Straßennetz jetzt schon nicht mehr angemessen instand gesetzt werden kann.
Wie Sie sicherlich wissen, beschäftigen sich die Experten der Verwaltungen auf allen Ebenen mit den Fragen, wie sich eine Gesellschaft auf künftige Entwicklungen vorbereiten kann und welche Schritte erforderlich wären, um den Herausforderungen bestmöglich gerecht zu werden. Ebenso ist offensichtlich, dass es schwierig ist, für solche einerseits notwendigen, aber unpopulären Entscheidungen politische Mehrheiten zu finden. Daher ist es auch naheliegend, dass Stadtratsvorlagen – dem politischen Auftrag folgend – nur solche Inhalte umfassen, die mit großer Wahrscheinlichkeit mehrheitlich angenommen werden.
Dass ein sich regelmäßig der Wiederwahl stellendes Gremium unbequeme Entwicklungen, die erst auf einer längeren Zeitskala eintreten werden, allzu gerne ausblendet, ist verständlich. Ähnlich dem Klimawandel und der Energiewende ist auch die Verkehrswende mit unpopulären Entscheidungen verbunden, und die Politik auf allen Ebenen ist gefordert, den Bürger/innen solche Sachverhalte zu vermitteln, um Akzeptanz zu schaffen. In diesem Zusammenhang von “Geheimplänen” der Stadtplanung zu sprechen, ist völlig unangebracht – für die Zukunft unserer Stadt und ihrer Bürger wäre es schon hilfreich, die bekannten Konzepte mit größerer Stringenz und Konsequenz umzusetzen.
Auf ein Gespräch mit Ihnen und Ihrer Fraktion freuen wir uns, zumal sich bei der letzten ähnlichen Gelegenheit im Vorfeld der letzten Kommunalwahl sehr fruchtbare und anregende Diskussionen entwickelten.
Dieses Schreiben geht als Antwort auf Ihre Pressemitteilung auch den Redaktionen der wichtigsten lokalen Medien zu.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Wörle
Vorsitzender des ADFC Regensburg
wrdlbrnft
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Diese Antwort an Hr. Schlegel ist wirklich sehr gut. Vor allem Dinge wie “Dennoch müssen wir feststellen, dass damit zu einem großen Teil nur Mängel früherer Planungen nachgebessert werden.” würde ich mehr hervorheben.
Wir bewegen uns ja nicht von der Gleichberechtigung von
Rad- und Autoverkehr hin zur Radverkehrsbevorzugung, sondern es geht erstmal ‘nur’ um eine Reduzierung der Benachteiligung.
Das ist oft ein Problem, wenn man Leuten diskutiert, die sich kaum damit befassen: Sie sehen den aktuellen Zustand als normal an und erkennen nicht, wie extrem der MIV bevorzugt wird. Im Gegenteil, sollte es beim ohnehin schon bevorzugten Verkehrsmittel dennoch zu Staus und Stellplatzproblemen kommen, wird auf hohem Niveau gejammert.
schorsch
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aber der hansi will als schaidinger-gedenk-brücke doch keine radlerbrücke. da wird doch viel zu wenig beton in die landschaft gegossen- ne da muss schon ne auto-brücke her.
wo (ost oder westtrasse) ist da erstmal wurscht.
so ne radlbrücke wäre am ende evtl. sogar aus holz- und das geht ja schon zweimal nicht