Bluray statt Projektorrattern
Seit Donnerstag flimmern spätabends wieder Stummfilme über die Leinwand im Klosterhof des Historischen Museums. Als Auftakt der diesjährigen Stummfilmwoche wurde Fritz Langs Heldenepos „Die Nibelungen 1 – Siegfried“ gezeigt – leider ganz ohne vertrautes Projektorengeratter.
Von David Liese
Nicole Litzel und ihr Team haben sich schick gemacht – wie jedes Jahr, wenn der Arbeitskreis Film zur Stummfilmwoche lädt. Musiker Jan Kahlert schmunzelt gar, das Festival habe „definitiv die bestgekleideten Kartenabreißer“. Ganz stilecht in Schwarz-Weiß werden die Gäste im Klosterhof des Historischen Museums begrüßt. Eine Kulisse, wie man sie sich für die frühen Meisterwerke der Filmgeschichte schöner nicht wünschen könnte.
„Stumm“ sind die übrigens nicht, wie Litzel dem Publikum vor Beginn der Vorführung erklärt. Nur verfügten die Filme eben nicht über eine eigene Tonspur; stattdessen würden sie stilecht von Musikern untermalt werden. Live und „bei jeder Vorführung anders“ – das mache auch den besonderen Reiz von Stummfilmen aus.
Futuristische Sounds aus dem Hängeschrank
Am Donnerstag sind es der schon erwähnte Münchner Multiinstrumentalist Jan Kahlert und sein Kollege Klaus Reichardt, die den ersten Teil von Fritz Langs epischer Verfilmung der Nibelungen, „Siegfried“, vertonen. Mit dabei ist neben Keyboards, einem I-Pad und einem elektronischen Vibraphone, über dessen Klangflächen allerlei perkussive Instrumente gespielt werden können, auch ein Trautonium.
Jener archetypische Synthesizer, 1930 von Oskar Sala und Friedrich Trautwein entwickelt, sieht eher wie ein kleiner Hängeschrank als wie ein futuristisches Musikinstrument aus. Schon letztes Jahr war er mit von der Partie, als Reichardt und Kahlert Robert Wienes „Cabinet des Dr. Caligari“ musikalisch untermalten.
Der Filmprojektor – am Eröffnungsabend nur von dekorativem Wert
Damals kam zur gelungenen Performance der Musiker und dem tollen Ambiente auch ein denkwürdiges Detail dazu, das die Zuschauer am Donnerstag leider missen müssen: das mit dem Genuss eines Stummfilms doch eigentlich untrennbar verbundene Rattern eines Filmprojektors. Doch die Relikte aus der Zeit des 35-Millimeter-Films verschwinden nicht nur nach und nach aus den Kinosälen. Auch die Stummfilmwoche modernisiert sich.
Zwar ist der mächtige Projektor physisch im Klosterhof präsent, während Fritz Langs filmische Fassung des Nibelungenlieds gespielt wird. Doch der erste von zwei 1924 als „Superproduktionen“ geltenden Filmen nach Drehbüchern von Langs Ehefrau Thea von Harbou, die unter den Nazis noch große Karriere machen sollte, kommt heute von der Bluray.
Gute Bildqualität, aber atmosphärische Einbußen
Das Problem, so erklärt Nicole Litzel, seien die hohen Kosten für restaurierte Filmkopien der beiden Nibelungen-Teile „Siegfried“ und „Kriemhilds Rache“. „Das können wir uns mit unserem Budget nicht leisten.“ Da die Qualität der restaurierten Fassung aber „sehr viel besser“ sei, habe man sich für die Vorführung von der Bluray entschieden.
Auch wenn die Bildqualität dank eines leistungsfähigen Beamers nichts zu wünschen übrig lässt – so scharf und klar hat man Fritz Langs Film vielleicht noch nie gesehen – muss man diese Entscheidung auf der atmosphärischen Seite bezahlen. Es ist eben doch etwas anders, ob da eine mehrere Rollen lange 35-Millimeter-Kopie durch einen Projektor, so groß wie ein Kleiderschrank, rattert, oder ob ein Bluray-Menü aufblinkt, wenn der Vorführer auf der Fernbedienung „Start“, „Pause“ und „Stop“ drückt.
Ein sehenswertes Filmprogramm und hochkarätige Musiker
Bis 16. August können beim diesjährigen Festival noch echte Perlen der Stummfilmepoche genossen werden. Am Freitag geht es weiter mit dem zweiten Teil der Nibelungen, „Kriemhilds Rache“. Musikalisch werden hier wieder Kahlert und Reichardt am Werk sein, die es mit ihren Klangteppichen und Sound-Bauwerken schaffen, eine ganz eigene Stimmung im Klosterhof zu kreieren – Inspiration für ihre Nibelungen-Vertonung war übrigens „Star Wars“.
Weitere Highlights im Programm sind das düstere schwedische Drama „Der Fuhrmann des Todes“, Harold Lloyds „Safety Last!“ sowie der moderne spanische Stummfilm „Blancanieves“ aus dem Jahr 2012, der in der Filmgalerie im Leeren Beutel läuft. Als Musiker sind unter anderem das Aljoscha-Zimmermann-Ensemble und Rainer J. Hofmann aus Regensburg eingeladen. Viele der Filme werden übrigens – Puristen können aufatmen – auch dieses Jahr noch ganz klassisch vom Filmprojektor gezeigt. Rattern inklusive.
Horst
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First world problems…
Nostalgie hin oder her, die Filmemacher von damals würden sich wahrscheinlich (stumm) im Grabe rumdrehen, wenn Sie wüssten, dass ein Teil des Erfolges ihrer Filme für manche Zuseher heutzutage nur gegeben ist, wenn sie gleichzeitig das monotone Klackklack im Hintergrund hören…
Ernst Wendler
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Exakt, Horst. Es geht primär um den Filminhalt, auch wenn die Stummfilmwoche als Ereignis auch die Technik zur Schau stellt – und auch damit einen wichtigen Beitrag zur Kulturgeschichte leistet. Vielleicht hätte das Technikteam den Projektor leer mitlaufen lassen sollen?
Die Kinosäle hingen traten dem Rattern der Projektoren durch bauliche Maßnahmen entgegen. Nur wer die Tür zum Vorführraum öffnete, bekam das Geräusch mit.
karl-heinz scherpke
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na, was denn, haben Sie denn noch nicht den
Atmosphäre-App auf Ihrem I-Phone?
Projektorgeratter, Vinyl-Knacksen, Rundfunk-Rauschen
VW-Käfer Gedröhn erinnern mich an die ach so schöne
Jugendzeit……
Altstadtfreund
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Die Stummfilmwoche ist großartig. Noch versäumte ich keinen Abend. Besonders die Musiker beeindrucken.
Zu “Kriemhilds Rache” liegt mir eine Anmerkung am Herzen. Der Film hat eine Schattenseite. Die Darstellung der Hunnen erinnere ich als rassistisch: ameisenhaft, massenhaft abgeschlachtet ohne Leiden, ohne Mitleid oder Trauer. Selbst Punkvorläufer Etzel trauert primär um sein halb-burgundisches Kind. Diese Schattenseite der Filmregie bediente die Nazivorstellung von Herrenmenschen und Untermenschen. Mit solcher Einordnung bleibt der Film durchaus künstlerisch wertvoll.
Mein herzlichen Dank gilt dem Arbeitskreis Film mit Nicole Litzel und den Musikern.