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Nach Machtmissbrauch und Untätigkeit

Betreuungsrichter wegen Befangenheit abgesetzt

Über zehn Monate musste eine ältere Frau kämpfen, bis sie eine Betreuungsanordnung und einen Betreuer bekam, der ihre Bedürfnisse ernst nehmen. Verantwortlich für die lange Dauer: der zunächst zuständige Betreuungsrichter. Nun wurde der Mann abgesetzt. Die Frau sucht jetzt dringend eine Wohnung.

Es war im August 2017, als Kerstin L. beim Amtsgericht Regensburg eine Betreuung beantragte. Der Grund für die Bitte der Seniorin aus dem Landkreis Regensburg war eine schwere Krankheit, die einen mehrmonatigen Klinikaufenthalt erforderlich gemacht hatte. Das Gericht gab ihrem Antrag statt. Und damit begannen die Probleme.

Faktische Entmündigung statt Betreuerwechsel

Die vom zuständigen Richter eingesetzte Betreuerin brachte die Frau nach dem Krankenhaus in ein Altenheim, obwohl die Frau nicht in ein solches wollte. Weiteres Problem: Das Heim lag weit entfernt vom früheren Lebensmittelpunkt der Seniorin, dafür aber in der Nähe des Wohnorts der Betreuerin. Es war nicht der einzige Punkt, in dem die Chemie zwischen Betreuerin und Betreuter nicht stimmte und so beantragte die Betroffene beim zuständigen Richter, sie aus dem Altenheim zu lassen, sowie einen Betreuerwechsel. regensburg-digital hatte Mitte Juni darüber berichtet.

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Doch der Betreuungsrichter verfügte weder einen Betreuerwechsel, noch wurde die Frau aus dem Altenheim entlassen. Stattdessen bestätigte er die bisherige Betreuerin und entmündigte die Frau faktisch zusätzlich noch im Aufgabenkreis „Vermögenssorge“.

Landgericht hebt Betreuungsbeschluss auf

Nach einer Beschwerde der Seniorin hob das Landgericht Regensburg diese Betreuung mit lesenswertem Beschluss vom 8. Mai als offenkundig rechtswidrig auf. Begründung: Der Betreuungsrichter habe die Bedürfnisse der Frau, insbesondere raus aus dem Altenheim zu wollen, und ihren Wunsch auf Betreuerwechsel ohne triftigen Grund ignoriert. Eine neue Betreuung entsprechend den Bedürfnissen der Frau solle eingerichtet werden. Bezeichnend: Es ist nicht das erste Mal, dass sich dieser Richter über den erklärten Willen von Betreuten hinweggesetzt hat.

Doch auch nach dem Beschluss des Landgerichts gab der Richter der Frau weder die gewünschte Betreuung noch den von ihr gewünschten neuen Betreuer – den Berufsbetreuer Rechtsanwalt Otmar Spirk. Stattdessen verweigerte er diesem die Einsicht in die Betreuungsakte und blieb ansonsten weitgehend untätig. Im Juni beantragte die Frau daher, vertreten durch Spirk, den Richter von ihrem „Fall“ abzuziehen, da er befangen sei. Der Richter erklärte im Gegenzug, dass er nicht befangen sei, nein, er habe doch nur nach Recht und Gesetz gehandelt.

“Böser Schein” der Befangenheit

Amtsgerichtsdirektor Dr. Clemens Prokop sah das anders. Im Juli gab Prokop dem „Antrag auf Ablehnung des Richters wegen Besorgnis der Befangenheit“ statt. Durch den oben erwähnten Beschluss des Landgerichts sei bei der Frau tatsächlich der „böse Schein entstanden“, dass der Betreuungsrichter befangen sei. Eine deutliche Watschen für den Mann – es kommt eher selten vor, dass Befangenheitsanträgen bereits in der ersten Instanz stattgegeben wird.

Der neue Betreuungsrichter handelte so, wie man es eigentlich von Anfang an erwartet hätte: Er ordnete sofort eine Betreuung entsprechend den Wünschen der Frau mit Rechtsanwalt Otmar Spirk als neuem Betreuer an. Außerdem erhielt Spirk nun – über drei Monate nach seinem Antrag – auch die selbstverständliche Akteneinsicht.

Nun sucht die Frau dringend eine möglichst ruhige Wohnung auf dem Land in der Region Regensburg, die im Erdgeschoss liegt. Angebote von Vermietern leitet unsere Redaktion gerne weiter: wohnung@regensburg-digital.de

Lassen Sie die Finger von Betreuten, Herr Richter!

Kommentar von Stefan Aigner

Die gesetzliche Betreuung ist eigentlich eine wunderbare Sache: Eher mehr als weniger hilflose Menschen bekommen vom Amtsgericht einen Betreuer zur Seite gestellt, der sie in ihrem Leben unterstützt – bei relativ geringem Einkommen und Vermögen sogar auf Staatskosten. In Deutschland gibt es – letzte Hochrechnung aus dem Jahr 2016 – 1,25 Millionen betreuter Menschen.

Zur Falle wird die Betreuung aber dann, wenn – wie im vorliegenden Fall – eine Betreuerin, die mit ihrem Schützling „nicht kann“ und sich wenig Arbeit machen will, mit dem zuständigen Betreuungsrichter praktisch eine Front gegen die Betreute bildet, ohne dass es dafür einen nachvollziehbaren Grund gäbe. Schnell werden dann bevorzugt ältere Menschen zum Beispiel in einem Heim für den Rest ihres Lebens „verräumt“, damit alles seine scheinbare Ordnung hat.

Hier hilft nur die Beschwerde beim Landgericht und – ganz allgemein – eine verbesserte Rechtsprechung, die betreuten Menschen wie auch Betreuern schneller das Recht auf einen Betreuerwechsel gibt, wenn die „Chemie“ nicht stimmt.

Im vorliegende Fall waren die Betreuerin und viel mehr noch der Betreuungsrichter ihrer hohen Verantwortung in keiner Weise gewachsen. Und wenigstens bei dem Richter ist dokumentiert, dass er nicht zum ersten Mal gegen die Interessen von Betreuten entschieden hat. Sogar nach der Entscheidung des Landgerichts, das ihm rechtswidriges Handeln attestierte, blieb er uneinsichtig. Erst die Abberufung durch Amtsgerichtsdirektor Prokop wies den Mann in sein Schranken. Für den Umgang mit Menschen, die auf Hilfe – gerade auch des Betreuungsrichters – angewiesen sind, ist dieser Mann offensichtlich ungeeignet. Er sollte sich ein anderes Betätigungsfeld suchen.

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Kommentare (6)

  • Mr. T

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    Aber ansonsten bleibt so ein rechtswidriges Agieren sanktionslos, oder?

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  • Piedro

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    “Stattdessen verweigerte er diesem die Einsicht in die Betreuungsakte und blieb ansonsten weitgehend untätig. ”

    Keine gute Idee. Offenbar liest der Herr Richter hier nicht.

    Ich wünsche Herrn Spirk und der streitbaren Klientin, dass sich bald eine Wohnung findet.

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  • Piedro

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    Mr. T
    Aber ansonsten bleibt so ein rechtswidriges Agieren sanktionslos, oder?

    Das habe ich mich auch gefragt. Der Richter bleibt unbehelligt. Aber was ist mit dieser Betreuerin? Hätte sie das Vermögen der Klientin beschädigt wäre sie vermutlich dran, aber hier geht es ja nur um die Freiheit und Selbstbestimmung einer alten Frau. Die wurden zweifelsfrei beschädigt. Ob das sein Straftatbestand ist… Da muss ich zynisch zweifeln. Denkbar wäre, dass da eine Zulassung flöten geht, wenn sich in ihrem Verantwortungsbereich ähnliche Fälle häufen. Kann gut sein, dass diese Berichterstattung sich auswirkt und weitere Betroffene gegen ihre Entrechtung vorgehen. Heutzutage weiß man ja nie…

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  • Else E.

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    @Mr. T: Ich könnte mir schon denken, dass auch das Vermögen der Frau geschädigt wurde, nämlich durch die Kosten des Heimaufenthalts und die Auflösung der Wohnung. Miete und ein Pflegedienst plus Haushaltshilfe zur Überbrückung einer Genesungsphase daheim kommen garantiert billiger als ein Heimplatz. Aber das war ja weder das Geld der Betreuerin noch des Richters. Im Zweifelsfall zahlt die Sozialhilfe und die Frau bekommt nur noch Taschengeld.
    Krankenhäuser setzen ihre Patienten wegen der Fallpauschale immer früher vor die Tür, auch wenn sie noch gar nicht alleine alltagstauglich sind. Da heißt es aufpassen und vorsorgen. Ich meine damit:
    -dem eigenen Altern ins Auge sehen, statt zu hoffen, dass einen das Thema Pflege nie selbst betreffen wird!
    – Vollmachten und Betreuungsverfügung rechtzeitig verfassen, solange man/frau noch dazu in der Lage ist,
    – sich nach Hilfe oder einer barrierefreien Wohnung oder auch Pflegemöglichkeiten umsehen, die einem wirklich passen, statt das anderen zu überlassen.

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  • Ex Regensburger

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    Die Arroganz der Behörden bzw. Institutionen …
    Zum Glück kann man da ab und zu hineinstochern u. bekommt auch mal Recht. Mitunter funktioniert der Rechtsstaat (noch). Erfreulich.

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  • Thik

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    @Ex Regensburger 14. August 2018 um 13:37 | #

    “Zum Glück kann man da ab und zu hineinstochern u. bekommt auch mal Recht.”

    Die Grundvoraussetzung, dass man das kann, ist aber, dass einem RA Spirk über den Weg läuft. Wer im Heim liegt, liegt dort aus guten Gründen, wozu im Allgemeinen nicht gehört, zu wissen und die Möglichkeit zu haben, wie man sich wehrt. Da ist der Amtsgerichtsdirektor weit.

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Kommentare sind deaktiviert

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