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Solidarische Landwirtschaft

Besuch auf einem Solawi-Feld

Solidarische Landwirtschaft, kurz: Solawi, wird auch im Raum Regensburg zunehmend populärer. Was sich dahinter verbirgt? Ein Besuch bei Solawi in Tegernheim.

Ob groß oder Klein – bei der Solawi in Tegernheim will man die Mitglieder wieder etwas näher an die Lebensmittel und die Natur bringen. Foto: bm

Es ist ein eher ungewöhnlicher Ort für einen Acker. Mitten in Tegernheim, nordöstlich von Regensburg, unweit der Kirche und zwischen Einfamilienhäusern hat die Solawi Tegernheim ihren Platz gefunden. Solawi, das steht für Solidarische Landwirtschaft. Ein Konzept, das sich seit einigen Jahren großer Beliebtheit erfreut – auch in Regensburg. Sechs solcher Projekte gibt es mittlerweile im Landkreis. Eines der Jüngeren ist das Tegernheimer Modell.

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Auf Initiative von Roland Greiner kamen Ende 2019 rund 60 Interessierte zusammen. In den Wochen zuvor hatte man mit der etwas ungewöhnlichen Idee geworben, gemeinsam einen Acker zu bewirtschaften. „In den Supermärkten finden Sie regionales oder unverpacktes oder Bio-Gemüse. Aber so gut wie nie alle drei Ansprüche gleichzeitig erfüllt.“ Das habe sie schon länger gestört, erklärt uns Birgit Bensinger bei einer Ackerführung. Genau diesen Dreiklang haben sich Bensinger, Greiner und die etwa 120 Mitglieder der Solawi Tegernheim mittlerweile selbst erfüllt. Rund einen Hektar hat man gepachtet und dort baut der Verein seit dem Frühjahr 2020 sein eigenes Gemüse an. Um die 40 verschiedenen Sorten sind es im Verlauf eines Jahres.

„Es gibt immer das, was wir gerade ernten können.“

Vom Westen her, dort wo etwas entfernt gerade die nächste Wohnbebauung entsteht, weht ein kalter Wind über die Landwirtschaftsfläche in der Jahnstraße. Die Luft drückt den Rosenkohl etwas in Schieflage, während Bensinger über die Abläufe informiert. Aktuell findet sich auf dem Acker klassisches Wintergemüse wie Grünkohl, Pastinaken oder der wenig bekannte Portulak. Recht farbenfroh präsentiert sich das Gelände daher momentan nicht.

„Es gibt immer das, was wir gerade ernten können“, sagt Bensinger. Das müsse man wissen, wenn man sich auf das Abenteuer Solawi einlasse. Man wolle deshalb das eigene Lagersystem künftig ausbauen und verbessern, um auch im Winter noch mehr Vielfalt anbieten zu können. Andererseits sieht Bensinger auch die Chance wieder mehr Abwechslung in die Küchen zu bringen.

Doch warum überhaupt Mitglied werden bei so einem Projekt? Bensinger sieht darin einen wichtigen Schritt hin zu mehr Nachhaltigkeit. „Wir bringen die Menschen hier wieder näher an die Nahrungsmittel und an die Natur.“ Solawis seien auch eine Gegenantwort auf die Monokulturen. Hier könne eine Vielfalt angeboten werden, die sich für große Betriebe selten finanziell lohne. Und das alles durch Handarbeit und in (nicht zertifizierter) Bioqualität.

Der Speiseplan ist langweiliger geworden

Rund 6.000 Pflanzenarten soll die Menschheit im Laufe ihrer Geschichte auf dem Speiseplan gehabt haben. „Heute essen Sie meist nur noch neun“, schreibt Dan Saladino, britischer BBC-Journalist und Autor von „Eating to Extinction“. Mit der menschlichen Entwicklung veränderte sich auch die Nutzbarmachung der Natur. Viele Ur-Getreidesorten wichen ertragreicheren und widerstandsfähigeren Sorten.

Statt Emmer (eine der ältesten kultivierten Getreidearten), Murnong (kartoffelähnliche Knollen aus Australien) oder schwarzem Mais, der schon von den Azteken kultiviert wurde, sind es Reis, Weizen und gelber Mais, die zu den am häufigsten konsumierten Lebensmitteln gehören. Weit verbreitet sind auch Kartoffeln, Gerste, Palmöl, Soja und Zucker. Laut einer Studie der australischen James Cook University war die Produktpalette noch nie so einseitig.

Die Solawi richtet sich beim Anbau weitestgehend nach den saisonalen Bedingungen. Derzeit bestimmen Rosenkohl und Grünkohl das Ackerbild.

Und das mache nicht nur die Speisepläne langweiliger. Es stelle laut Umweltexperten auch ein ökologisches Problem dar. Schon länger wird davor gewarnt, dass Nutzpflanzen immer anfälliger gegenüber den Folgen des Klimawandels und Schädlingen werden. Die hochintensivierte Landwirtschaft schädige darüber hinaus den Boden. Was einst als großer Fortschritt bei der Vorbeugung von Hungersnöten und Nahrungsmittelknappheiten für eine wachsende Bevölkerung galt, könnte in den kommenden Jahren ins Gegenteil kippen. Die Solawis werden das Problem nicht beheben. Sie könnten allerdings dabei helfen, ein wenig mehr Bewusstsein zu schaffen und regional neue Wege aufzeigen. Das hofft man jedenfalls in Tegernheim.

Neben Bensinger schlottert der vor wenigen Monaten neu aufgestellte Folientunnel im Wind. Acht auf zwölf Meter hat der in etwa und sorgt im Inneren für derzeit deutlich angenehmere Temperaturen. Sehr zur Freude der kleinen Grünlinge. In Reih und Glied ragen saftige Spinatpflänzchen aus der dunkelbraunen Erde. Daneben präsentieren sich Sorten der hierzulande noch eher unbekannten Asia-Salate von ihrer delikaten Seite. Durch den Tunnel kann man auch im Winter knackiges Blattgemüse anbieten.

Profis und Ehrenamtliche

Damit die Nahrungsmittel auch gut versorgt sind und von den Mitgliedern jeden Freitagnachmittag abgeholt werden können, vertraut man in Tegernheim auf drei professionelle Gärtner, die für ihre Arbeit auch ganz normal bezahlt werden. „Anders würden wir das auch gar nicht hinbekommen“, sagt Bensinger. Allerdings: Ganz aus der Affäre ziehen sollen sich die Mitglieder auch nicht.

Das Konzept der Solawis lebe schließlich vom solidarischen Miteinander. „Jeder soll sich nach seinen Möglichkeiten einbringen und wenn möglich auch bei der Feldarbeit mithelfen.“ Mal unter der Woche ein Beet rechen, Freitagmittag bei der Ernte helfen oder zu den Hochphasen im Jahresverlauf die Felder bestellen und Folien auslegen. Arbeit falle immer an. Wie aktiv die Mitglieder sich aber in die Ernte, die Logistik oder andere Bereiche einbringen, hängt von ihrer verfügbaren Zeit ab und wird nicht vorgegeben. Langfristig sollen noch mehr professionelle Kräfte bezahlt werden können.

Die Solawi kommt aber auch an ihre technischen Grenzen. Kartoffeln müssen von einem Biobauern aus der Region bezogen werden. Zu aufwendig sei der Anbau der Goldknolle und intensiver Materialeinsatz nötig. Gerade darauf wollen Solawis aber bestenfalls verzichten. Keine schweren landwirtschaftlichen Maschinen, keine Spritzmittel, möglichst bodenschonend und gleichzeitig biointensiv – soll heißen mit einem möglichst hohen Ertrag.

Ressourcenschonender Anbau auf kleiner Fläche

„Wir bauen hier nach der sogenannten Market Gardening Methode an“, erklärt Bensinger. Das Konzept ist nicht neu, wird schon seit vielen Jahren unter anderem in Frankreich angewendet und fand, über einen Umweg in die Vereinigten Staaten, vor einiger Zeit auch nach Deutschland. Market Gardening verspricht einen ressourcenschonenden Gemüseanbau auf kleiner Fläche, wobei das Gemüse direkt – also ohne Zwischenstationen – an die Konsumenten gereicht wird.

Anders als beim konventionellen Gemüseanbau sind die Beet- und Pflanzabstände deutlich kleiner. Circa 80 Zentimeter breit sind die meisten Beetstreifen. Nur wenige Zentimeter die Wege dazwischen. Dadurch werde der Platz besser genutzt, sagt Bensinger, und Beikräuter – das klassische Unkraut – hätten es wesentlich schwerer, zu gedeihen. Der Boden wird zudem sehr schonend behandelt. Wo es nicht sein muss, wird auch nicht in die Tiefe gegraben. Weitere Aspekte sind eine Gründüngung, ein bewusster Aufbau des Bodens mit Kompost und eine ausgeklügelte Fruchtfolge.

Im Lagerraum kann jede Woche das frisch geerntete Gemüse und Eingelagertes abgeholt werden. Die Menge ist dabei für alle Mitglieder gleich.

Im Lagerschuppen neben dem Feld hängt ein großer Plan. Ingo Frank, selbst seit Anfang an im Verein aktiv, hat hier die komplette Jahresabfolge zu Papier gebracht. Für den studierten Logistiker kein Problem, wie er meint. Wenngleich einiges zu beachten sei. Rechts oberhalb hängen Zwiebeln und Knoblauch. Die haben es schon vor einiger Zeit vom Feld als Lagergemüse in den Holzverschlag geschafft. Auf Regalen stehen mehrere Kisten mit frisch geerntetem Gemüse.

Während Bensinger über das Gelände führt kommen immer wieder Mitglieder mit ihren großen Taschen und Kisten. Man grüßt sich freundlich, plaudert ein wenig und holt sich dann seine Wochenration ab. Es gehe auch um das Miteinander, heißt es. Deshalb lade man auch regelmäßig zum Stammtisch – online oder, wenn es Corona und das Wetter zulassen, Freitagabend bei Lagerfeuer auf dem Acker.

Jedes Jahr eine Bieterrunde für Anteile an der Ernte

Doch wie finanziert sich das Projekt? „Jedes Jahr Ende Februar zur neuen Saison gibt es eine Bieterrunde für alle Mitglieder.“ Hier können die Anteile für das folgende Jahr erstanden werden. Ein Anteil, so heißt es auf der Internetseite der Solawi, decke in etwa den Bedarf von ein bis zwei Erwachsenen. Dafür wird dann ein im Rahmen der Bieterrunde festgelegter monatlicher Betrag von im Durchschnitt rund 65 Euro entrichtet.

Wie Bensinger erklärt, werde vom Vorstand zuvor kalkuliert, mit welchen Kosten für das kommende Jahr zu rechnen sei. Für die Gärtner, die Pacht, Anbaumaterial, zuletzt den Plastiktunnel – eben alles was so anfalle. In geheimer Runde können dann die Mitglieder mitteilen, wie viel sie zahlen wollen bzw. können. „Wir wollen niemanden allein der finanziellen Mittel wegen ausschließen.“

Auch hier gehe es um Solidarität. Wer nur wenig geben könne, der solle geben was er kann und dafür dann eventuell etwas mehr auf dem Feld mithelfen. Wer mehr zahlen kann, der soll der Idee nach dann den offenen Betrag ausgleichen. Das habe bisher auch sehr gut funktioniert. „Ist der benötigte Betrag in der ersten Bieterrunde noch nicht erreicht würde es eine weitere Runde geben.“ Solange bis der Topf gefüllt ist.

Solawi-Projekte in Etterzhausen, Regenstauf und Burgweinting

Ähnlich funktioniert es bei der Solawi Jura in Etterzhausen. Auch dort haben sich vor einiger Zeit über 60 Personen zusammen getan und versorgen sich weitestgehend selbst mit frischem Gemüse. Das Jahresbudget wird solidarisch auf alle Schultern verteilt und die anfallende Arbeit gemeinsam erledigt.

Ein etwas anderes Konzept fährt man bei der Solawi Ferni bei Regenstauf. Ebenso wie in Tegernheim und Etterzhausen wird auch hier nur für einen festen Abnehmerkreis produziert. Allerdings handelt es sich bei Ferni um den Landwirtschaftsbetrieb von Sophie Ley und Michael Birkenseer. Die bewirtschaften den Hof und versorgen seit nunmehr drei Jahren 60 Mitglieder ihrer Solawi. Der Vorteil für sie dabei: Sie haben ein festes Einkommen, müssen nicht mit Stückpreisen arbeiten und haben dadurch mehr Planungssicherheit. Das ermöglicht auch eine größere Produktpalette und den Anbau von Nischenprodukten.

Im Folientunnel wächst auch bei Eiseskälte vitaminreiches Blattzeug wie Spinat.

Das gleiche Konzept findet sich bei Irene Neumeier und Albert Schmalzbauer. Auf Anregung von Transition Town Regensburg begannen sie bereits 2015 ihre kleine Landwirtschaft in Mintraching als Solawi neu zu denken und in eine Partnerschaft mit den Verbrauchern zu gehen. Sieben Jahre später ist die älteste Solawi im Landkreis ein Erfolgsprojekt und für die beiden Landwirte ein wichtiges Standbein, das die Existenz des kleinen Hofs mit absichert.

Seit kurzem finden Interessierte auch in Burgweinting eine solidarisch organisierte Landwirtschaft. Hinter Oberpflanz verbirgt sich dabei eine Biogärtnerei samt Hofladen. Für einen festen monatlichen Beitrag haben die Solawi-Mitglieder die freie Auswahl aus den angebauten Produkten, frisch aus der Region. Ganz getreu dem Solawi-Prinzip will man aber auch hier eng mit den Verbrauchern zusammen arbeiten. „Wir sehen uns als Gemeinschaft“, heißt es auf der Homepage. „Wir bauen nicht für eine anonyme Masse an, sondern für Menschen aus Burgweinting und Regensburg.“ Neben regelmäßigen Umfragen unter den Mitgliedern soll es demnächst auch einen Beirat geben, der die Landwirte bei der Anbauplanung unterstützt.

Es gibt noch Anteile

In sieben Jahren will man auch in Tegernheim noch den eigenen Acker bestellen. Dafür wird auch ständig weiter geplant und an den Abläufen gefeilt. Auch ein Experimentierfeld gibt es. „Dort probieren wir immer wieder neue Produkte aus und Wege, wie wir Sorten anpflanzen können“, sagt Bensinger. Langweilig werde es also nicht. Und neue Köpfe für den kreativen Austausch seien stets willkommen. „Aktuell sind noch ein paar Anteile für die kommende Saison zu vergeben.“ Danach gäbe es eine Warteliste, für den Fall, dass unter dem Jahr jemand ausscheide.

Wer mehr wissen will, der kann sich an einem der derzeit wöchentlich angebotenen Infoabende einklinken. Jeden Donnerstag ab 20 Uhr und Sonntags um 18 Uhr klärt der Verein online über das Konzept Solidarische Landwirtschaft auf. Außerdem könne Freitags von 12 bis 14 Uhr bei der Ernte vor Ort zugeschaut und mitgeholfen werden. Anschließend wird derzeit eine Ackerführung angeboten.

 

Anmerkung: In einer früheren Version hatten wir auch von “Vereinshühnern” berichtet. Diese Hühner gehören aber nicht der Solawi sondern dem angrenzenden Landwirtschaftsbetrieb der Verpächterin. Wir haben die Stelle daher herausgenommen.

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Kommentare (1)

  • Landwirtin

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    In dem Artikel wird davon gesprochen, dass die Solawis eine Gegenantwort zu den Monokulturen darstellen. So entsteht der Eindruck, dass dies die übliche Anbauweise wäre. Das ist aber falsch! Bei Monokulturen handelt es sich um den Anbau einer einzigen Pflanzenart über mehrere Jahre hinweg auf derselben Fläche. Das ist ackerbaulich für keinen Landwirt sinnvoll, da sich dadurch leichter Krankheiten ausbilden und der Schädlingsdruck zu groß wird.
    https://www.pflanzenforschung.de/de/pflanzenwissen/lexikon-a-z/monokultur-786

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Kommentare sind deaktiviert

drin