Bauunternehmer hofft auf Bewährungsstrafe
Einen Freispruch für den Bauunternehmer Karl S. wird es aller Voraussicht nach nicht geben. Doch im Prozess um die Millionenpleite bei einem Bauvorhaben auf dem Candis-Viertel im Jahr 2014 zeichnet sich ab, dass mit die schwerwiegendsten Vorwürfe wohl nicht zu halten sein werden. Auf ihr Geld warten viele Handwerker in dem nach wie vor nicht abgeschlossenem Insolvenzverfahren bis heute.
Karl S. wird ein wenig emotional. „Ich habe eine Mordsangst gehabt, dass ich ins Gefängnis gehe und alles, was ich mir in den letzten sieben Jahren aufgebaut habe, wieder kaputt geht“, sagt der Bauunternehmer am Montag zu den Mitgliedern der 7. Strafkammer am Landgericht Regensburg. Dort muss sich der 61jährige derzeit wegen des Vorwurfs der Insolvenzverschleppung (Schaden: rund 1,5 Millionen Euro), Bankrotts, falscher eidesstattlicher Versicherung, Steuerhinterziehung und über 400 Betrugsfällen verantworten. Hintergrund ist eine Pleite, die der seit langen Jahren recht umtriebige Unternehmer mit seiner Firma bei einem Millionenauftrag für den Bauträger Lambert auf dem Candis-Quartier hingelegt hat (unser Bericht vom 19. Februar). Betroffen sind zahlreiche Lieferanten und Handwerksbetriebe, die aufgrund der Außenstände zum Teil selbst schließen mussten. Angeklagt ist auch der Sohn von Karl S., der „auf dem Papier“ als formaler Geschäftsführer des Unternehmens fungierte.
Jetzt doch vollständig die Wahrheit sagen…
Ein Freispruch dürfte zwar kaum drin sein – die Hinterziehung von rund 500.000 Euro Steuern hat der Unternehmer bereits eingeräumt. Allerdings hat das Gericht zuletzt erhebliche Zweifel geäußert, dass sich die angeklagten Betrugsfälle – der Vorwurf also, dass Karl S. vorsätzlich handelte und trotz ihm bekannter Zahlungsunfähigkeit weiter bestellte und Aufträge vergab – tatsächlich beweisen lassen würden. Karl S. und seine beiden Verteidiger Johann Seipl und Dr. Leonhard Walischeski hoffen nun auf eine Bewährungsstrafe. Selbst eine Verkürzung der Beweisaufnahme, möglicherweise eine Teileinstellung des Verfahrens in diesem Punkt war kurzzeitig in der Diskussion.
Diese Aussage des Gerichts habe ihm doch einiges von seiner Angst genommen, so Karl S. Und nachdem er bei einer längeren Autofahrt etwas ins Überlegen gekommen sei, habe er sich entschlossen, nun vollständig die Wahrheit zu sagen und nicht mehr zu versuchen, sich rauszureden. Und so räumt S. nun entgegen einer ersten Einlassung doch ein, Anteile einer Hotelanlage in der Westtürke zu besitzen – Nennwert etwa 45.000 Euro. Sowohl diese Beteiligung wie auch einen mittleren vierstelligen Betrag auf einem Bankkonto im österreichischen Schärding hatte er bei Vermögensaufstellungen gegenüber zwei Gerichtsvollziehern nicht angegeben – strafbar als falsche eidesstattliche Versicherung.
Das „Angora Beach Resort“ läuft nicht gut
Die rund 5.000 Euro auf dem Konto habe er vergessen, hatte S. bereits am ersten Prozesstag erklärt. „Sonst wäre ich ja gleich nach Schärding gefahren und hätte mir das geholt.“ Denn nach der Insolvenz 2014 sei wirklich kein Geld da gewesen. „Das war so wenig, dass ich schauen musste, wie man überhaupt leben kann.“ Selbst für Benzin sei kaum etwas übrig gewesen. Bei der Hotelbeteiligung sei das etwas anders, so S. Die habe noch nie etwas abgeworfen. Das Hotel kommen gerade so über die Runden. „Und da habe ich das nicht als so werthaltig empfunden, als das ich es hätte angeben müssen.“
Ein früherer Geschäftspartner von Karl S., der dem Bauunternehmer Arbeitskräfte aus der Türkei und Baumaterial aus Osteuropa besorgt hatte, und über den S. 2010 auch die Beteiligung an dem „Angora Beach Resort“ gekauft hatte, bestätigt, dass diese bislang kein Geld abgeworfen habe. Er sei deshalb auch ein wenig „beschämt“, so der Bauingenieur und Hotelbetreiber.
Die Handwerker, Geschäftspartner und Lieferanten von Karl S. zeichnen in ihren Aussagen recht unterschiedliche Bilder des Unternehmers.
„Der hat kein Unrechtsbewusstsein. Der kann nichts dafür“
Der gleichberechtigte Mitinhaber eines ehemals gemeinsamen Transportunternehmens berichtet davon, dass der „frühere Freund“ Karl S. ohne sein Wissen die GmbH mit einer Bürgschaft über 500.000 Euro belastet habe, um sein Bauunternehmen zu stützen. 267.000 Euro davon seien am Ende bei ihm „hängen geblieben“, die Firma habe gerade noch so gehalten werden können. Nachdem man nicht mehr befreundet gewesen sei und sich geschäftlich trennte, kurz vor und nach der Baupleite 2014, habe S. über seinen Anwalt Druck gemacht. Er habe fünfstellige Abfindungen und Gehalt als Geschäftsführer gefordert – per Scheck. „Da kam ein Brief nach dem anderen.“ Drei Schecks in Höhe von insgesamt 55.000 Euro habe er seinem früheren Freund und Geschäftspartner deshalb in der Folge ausgestellt. Einen ersten, günstigeren Deal, der über den Anwalt zustande gekommen sei, habe Karl S. aufgekündigt. „Der hat kein Unrechtsbewusstsein. Der kann nichts dafür“, habe der Anwalt zu ihm gesagt, berichtet der Zeuge.
Die 55.000 Euro soll S. laut Anklage „beiseite geschafft“ und im Zuge der Insolvenz „verheimlicht“ haben. Er selbst spricht davon, alles wieder ins Bauunternehmen gesteckt zu haben. Wo genau das Geld gelandet ist, lässt sich nach Aussage eines Kripobeamten ebenso wenig ermitteln wie der Verbleib von Barabhebungen von einem anderen Konto in etwa derselben Höhe.
„Es gibt Bauträger, die sich mit Insolvenzen dämlich verdienen.“
Der geschäftsführende Gesellschafter einer großen Baustofffirma – hier stand das Unternehmen von Karls S. am Schluss mit rund 750.000 Euro in der Kreide – äußerst sich hingegen sehr wohlwollend über den 61jährigen. Man pflege seit Jahren gute Geschäftsbeziehungen. Karl S. sei immer ein guter Zahler gewesen, der viele Aufträge gebracht habe. Deswegen sei man bei ihm auch sehr kulant bei den Bestell- und Zahlungsmodalitäten gewesen. 140.000 Euro seien über eine Ausfallversicherung abgedeckt gewesen. Außerdem habe S. 500.000 Euro abgetreten, die diesem nach eigener Schilderung von Bauträger Lambert zugestanden wären. Doch dieser habe am Ende nicht gezahlt.
„Bei solchen Objekten brauchen Bauunternehmer eine angeschlossene Anwaltskanzlei“, so der Zeuge. Es gebe Bauträger, die würden sich mit Insolvenzen „dämlich verdienen“. Offenbar hatte Karl S. gegenüber der Baustofffirma seine Insolvenz damit begründet, dass Bauträger Lambert am Ende eine anstehende Abschlagszahlung nicht mehr beglichen hätte. Das widerspricht allerdings der Darstellung des Geschäftsführers der Lambert Bau, der bei seiner Zeugenaussage besonderen Wert darauf gelegt hatte, dass man sämtliche Abschläge immer pünktlich bezahlt habe. Eine gerichtliche Auseinandersetzung wegen der angeblich ausstehenden Abschlagszahlung ist nicht dokumentiert.
„Der Karl hat gesagt, dass wir unser Geld schon kriegen.“
Den Vertreter der Baustofffirma scheint der Zahlungsausfall im sechsstelligen Bereich am Ende aber nicht sonderlich beunruhigt zu haben. „Der Karl hat gesagt, dass wir unser Geld schon kriegen.“ Und so sei es dann auch gekommen. Mit seiner neuen Firma – die läuft nun auf den Namen der getrennt lebenden Ehefrau von S. – habe der Unternehmer wieder bestellt und die Altschulden über einen erhöhten Preis mittlerweile beglichen.
Anders ging es einem Fliesenleger, der für S. am Candis gearbeitet hat. Ihm fehlen immer noch 115.000 Euro. Am Anfang seien die Zahlungen gut gelaufen, dann sei immer weniger gekommen und schließlich gar nichts mehr. Auch er erklärt in seiner Aussage, dass Karl S. die Verzögerungen mit ausstehenden Abschlagszahlungen von Lambert begründet habe. Der Fliesenleger sprach deshalb auch einmal direkt mit einem Verantwortlichen bei dem Bauträgerunternehmen. Daraufhin habe er von der Firma von Karl S. einen Anruf erhalten, was das denn solle. Entlastend für Karl S. – mit Blick auf einen vorsätzlichen Betrug – scheint wiederum zu sein, dass er dem Fliesenleger noch am 29. Januar rund 20.000 Euro 2014 überwiesen hatte – keine zwei Wochen, bevor die vorläufige Insolvenzverwaltung über sein Unternehmen bekannt gemacht wurde.
Vom nach wie vor nicht abgeschlossenen Insolvenzverfahren erhoffen sich weder Handwerker noch Lieferanten besonders viel.
Pleite vor sieben, letzte Ermittlungen vor fünf und Anklage vor über zwei Jaheren
Weiterhin geprägt ist der Prozess von anhaltenden Problemen bei der Ladung von Zeugen. Mehrfach beklagen sich diese, erst wenige Tage vor dem Vernehmungstermin davon erfahren zu haben. Immer wieder wird vorne an der Richterbank darüber diskutiert, warum dieser oder jener Zeuge nicht erschienen oder ein Ladungsschreiben nicht bei diesem angekommen sei. Zum Teil mag dies auch darin begründet sein, dass die Insolvenz bereits über sieben, die Anklage mehr als zwei Jahre zurückliegt. Letztmalig ermittelt wurde offenbar im Jahr 2016 – anlässlich der damaligen Privatinsolvenz von Karl S. Mehrfach hat die Verteidigung deshalb schon die lange Dauer des Verfahrens und dessen „Liegezeit“ bemängelt.
Bei einem Zeugen, der nicht zum Vernehmungstermin erschienen ist und dies mit der kurzfristigen Ladung begründet, denkt der Kammervorsitzende Fritz Kammerer kurzzeitig über ein Ordnungsgeld nach. Weil es aber um die Hotelbeteiligung von Karl S. geht und dieser sich dazu nun selbst umfassend geäußert hat, sieht Kammerer am Ende davon ab. „Dem können Sie ausrichten, dass Sie ihm einen Haufen Geld gespart haben“, scherzt der Richter mit dem Angeklagten. „Dafür lass ich mich schön zum Essen einladen“, gibt der zurück.
Der Prozess wird am Freitag fortgesetzt.
Carsten Jelitto
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Was für ein Trauerspiel!
Die Verhandlung an sich ist eine Farce! Der Unternehmer hat das zur Perfektion getrieben und schon mehrere Baugebiete in die Pleite getrieben und viele Handwerker im Stich gelassen. Und ein Richter, der dem ganzen zuschaut und das Spie lnicht durchschaut und ein Angeklagter, der auf Freispruch hofft. In welcher Bananenrepublik wohnen wir hier??
Und ein Redakteur, der das Wort “kritischer Journalismus” auch noch nie gehört hat! Schrecklich!
Christoph Ecklinger
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Insolvenz als Geschäftsmodell. Die (getrennt lebende!) Ehefrau als “Firmeninhaberin”, damit der Pleitier aus dem Schneider ist. Steuersparmodell, Risikominimierung und Win-Win-Situation. Und das alles ganz legal “dank” unserer “sozial gerechter” Steuer- und Firmengesetze.
Die kleine Handwerksfirma muss ums Überleben kämpfen oder aufgeben, der Bankrotteur gründet einfach eine neue Gesellschaft mit BESCHRÄNKTER Haftung und das Spiel geht von vorne los.
Lob für den Redakteur für die tiefergehende und kritische Recherche, das findet man heutzutage in den Printmedien leider immer weniger. Und dafür soll man dann auch noch 500 € pro Jahr löhnen.
Lex
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Es gibt leider seid Jahrzehnten nicht nur westlich von Regensburg ähnliche Geschäftsmodelle.
Wilfred
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@Carsten Jelitto: Ausgerechnet Stefan Aigner unkritischen Journalismus vorzuwerfen, zeugt von einer unzureichenden Kenntnis seiner jahrelangen Arbeit auf RD. Außerdem empfehle ich Ihnen ein Studium der verschiedenen journalistischen Textgattungen wie “Bericht”, “Report”, “Glosse”, “Meinung”, etc. Bei RD, und übrigens bei so ziemlich allen Presseorganen, ist die Textgattung recht leicht unter der Überschrift zu festzustellen. Nichts zu danken!
Mr. B.
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Herr Aigner, bitte einfach so, wie gewohnt und auch neutral und wirklichkeitsnah weiterberichten, auch wenn es einigen nicht passt!
RD öffnet einzigartig den Menschen in der Region die Augen!
RD ist konkurenzlos!
Realist
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Muß zugeben, dass ich mir beim ersten Durchlesen des Artikels auch gedacht habe, dass die Berichterstattung hier zu wenig kritisch, d.h. pro Angeklagten sei…aber wenn das wirklich die Stimmung in der Verhandlung wiederspiegeln sollte….was soll man dann anders berichten….
Bin unabhängig davon gespannt wie hier das Urteil aussieht….Bewährung oder Gefängnis…auf Grund der Summen und der “Falschangaben” würde ich Bewährung ausschließen wollen…auf der anderen Seite wenn jemand seine Fehler einsieht wäre moralisch auch Bewährung denkbar…sollte es wieder zu einer Insolvenz kommen….selbst mit einem neuen “Strohmann” im Hintergrund sollte die Bewährung erlöschen…wie gesagt bleibt intgeressant
Wilfred
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@Realist: Können Sie mir eine Stelle im Text nennen, die sich pro oder kontra den Angeklagten wendet? Das würde mich interessieren.
Herr Aigners Bericht ist weder kritisch noch unkritisch, sondern eine neutrale Nachricht, ein Protokoll, ein Tatsachenbericht der Geschehnisse im Gerichtssaal. Noch dazu durchgehend in der indirekten Rede und mit Zitaten in Anführungszeichen verfasst.
Würde er eine Bewertung des Sachverhalts oder seine persönliche Meinung schreiben, wäre dies eindeutig gekennzeichnet. Warum ist das für manche Leser hier so schwer zu verstehen?
Baupleite: Verfahren gegen Sohn eingestellt » Regensburg Digital
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[…] Verfahren gegen Bauunternehmer Karl S. wegen Insolvenzverschleppung, Bankrott, falscher eidesstattlicher Versicherung, Betrug und Steuerhin… (rund 560.000 Euro) und seinen Sohn Tobias wegen Insolvenzverschleppung, Betrug und der […]