08 Mrz2012
Die Reise der Regensburger Ballonauten
Ballonauten-Tagebuch: Die armen Leute von Selb
Mit einem Riesenfussball reisten die Regensburger Jakob Schmid und Franz Berzel 1932/ 33 kreuz und quer durch Deutschland – wir veröffentlichen das Tagebuch der beiden Ballonauten.
Von Wunsiedel ab am 30. Mai 32 um 3 1/2 Uhr nachmittags.
Bei schlechter Witterung ging es weiter in Begleitung Besse May und seiner Frau sowie einiger Fußballspieler, hatten einen ganz schönen Berg zu überwinden, war etwas länger als der Rawitzer aber
nicht so steil.
Als wir ihn überwunden hatten nahmen wir Abschied von unserem lieben Sportskameraden May und
seiner Freunde. Unser Kamerad war sehr ergriffen als wir auseinander gingen.
Hatte halt noch seinen alten FC Geist in ihm, das konnte man ihm ankennen. Ich schätze es ihm auch
hoch an.
Nach kurzer Zeit setzte ein großer Regen mit Hagelschauer ein, aber mit frohem Mut und zurückdenkend
an unsere Gastgeber ging es fröhlich weiter.
Ganz durchnäßt und mit etwas Schüttelfrost gelangten wir um 7 1/2 abends in Marktleuthen an,
nahmen Quartier im Gasthaus zum Goldenen Löwen Besitzer Simet, waren hier auch ganz gut
aufgenommen. Einnahmen konnten wir so gut wie gar nicht verzeichnen. Es war ja auch schlechtes
Wetter.
Von Marktleuthen ab den 31. Mai 32 mittags 2 Uhr.
In Oberweißenbach angekommen um 7 Uhr abends, konnten bis nach Selb nicht mehr kommen, war doch
etwas weiter als wir dachten. Hatten ganz gute Aufnahme gefunden bei einem Dorfwirt. Einnahmen gar keine.
Wir sind finanziell erledigt, fast keine Karten mehr und kein Geld. Was wird das werden? Können wir unsere Reise weiter machen oder müßen es wir beenden? Große Hoffnung auf Selb. Haben wir Glück? Nur nicht den Mut verlieren, es wird schon gehen.
Von Oberweißenbach ab, den 1. Juni 32 um 9 1/2 Uhrvormittags.
Bis nach Selb waren nur noch 5 km, an diesem Tag fuhren wir nicht viel. Als wir die Stadt sichteten wurde und ganz schlecht zumute, haben wir hier Glück?
Nur abwarten war unser Losungswort. Hallo was ist da los? Eine Menschenmenge erwartete uns. Das kam so: Das Selber Tagblatt brachte einen Artikel über uns und die Selber Bevölkerung hatte zwar
nicht recht geglaubt, da der 1. Juni war und der Redakteur an solchen Tagen schon öfters die Selber
Bevölkerung in den Mai oder Junibummerln schickte.
Als wir tatsächlich erschienen war natürlich großes Hallo bei den Leuten, und sie bewerteten unsere
Sache sehr, das bekundeten sie dadurch, da sie uns tatkräftig unterstützten, bis nach 11 Uhr ging es zu. Unbeschreibliche Freude unsererseits, da wir tatsächlich in finanzieller Hinsicht gerettet waren. Die Selber
Bevölkerung hat sehr mitgeholfen, das wir nicht mit Schande zurück mußten in unsere Vaterstadt. Die
Karten waren bis auf 100 Stück weg. In der Nacht mußte ich noch ein Telegram aufgeben um Karten. Auch für unsere Familie blieb ein ganz nettes Sümmchen übrig.
Wenn man bedenkt, das bei 12000 Einwohnern ca. 3000 Arbeitslose sind und diese armen Leute hatten
unsere Rettung bewerkstelligt. Behörden sowie Sportvereine haben uns anständig und zuvorkommend behandelt. Selb, die Stadt welche uns ein tiefes Gepräge in uns einschrieb werden wir nie vergessen.
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