…und die Stadt schaut schweigend zu
Bei der Nichtaufklärung des Missbrauchsskandals in Regensburg spielen Politik und Kirche zusammen: die einen durch Leugnen und Vertuschen, die anderen durch Ausblenden.
Bei der Nichtaufklärung des Missbrauchsskandals in Regensburg spielen Politik und Kirche zusammen: die einen durch Leugnen und Vertuschen, die anderen durch Ausblenden.
Er habe „genug von dieser Institution“ und wolle „von diesen Typen“ aus dem Regensburger Ordinariat niemals mehr etwas hören“. Mit diesen unmissverständlichen Worten meldet sich ein weiterer ehemaliger „Domspatz“ zu Wort. Unserer Redaktion schildert er sein Leid als blutig geprügeltes Kind, sein Los als Opfer von sexuellen Übergriffen und seine Enttäuschung nachdem er sich 2010 bei der damaligen „Missbrauchsbeauftragten“ Dr. Birgit Böhm gemeldet hatte. Die Glaubwürdigkeit des Regensburger Bistums in Sachen Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch von Minderjährigen und Schutzbefohlenen scheint indes tiefer nicht mehr sinken zu können. Das es auch anders gehen könnte, zeigt ein Blick nach München und Ettal.
Die Stellungnahme zu Nazi-Bürgermeister Hans Herrmann soll nach dem Wunsch von Oberbürgermeister Wolbergs Basis für „eine unvoreingenommene, offene Diskussion“ sein. Ein Faktencheck der Ausführungen von Stadtheimatpfleger Werner Chrobak und Professor Bernhard Löffler offenbart krasse Fehlstellen und eklatante Beschönigungen.
Der römisch-katholische Priester und ehemalige Rektor der Philosophisch-theologische Hochschule (PTH) Josef Engert gilt als Vater der Regensburger Universität. Ein Preis der Stadt Regensburg ist nach ihm benannt. Tatsächlich war Engert ein völkisch-katholischer Unterstützer und Propagandist des NS-Regimes. Im vierten und letzten Teil unserer Serie befasst sich Robert Werner mit der Gründung und Selbstdarstellung der Regensburger Universität und problematisiert die Gedenkpolitik um Engert.
Josef Engert gilt als Vater der Regensburger Universität. Nachdem im ersten Teil seine Haltung als demokratiefeindlicher Monarchist dargestellt und im zweiten seine Entwicklung zum völkisch-katholischen Unterstützer und Akteur des NS-Regimes skizziert wurde, soll im dritten Teil Engerts Rolle bei der Wiedereröffnung der Philosophisch-theologischen Hochschule 1945 skizziert werden.
Der Theologe und Philosophieprofessor der Philosophisch-theologische Hochschule (PTH) Josef Engert gilt als Vater der Universität in Regensburg. Ein städtischer Preis trägt seinen Namen. Tatsächlich war Engert ein Antidemokrat und Antisemit. Nachdem im ersten Teil unserer vierteiligen Serie die Zeit vor 1933 behandelt wurde, wird nun versucht, anhand von ausgewählten Briefen und Schriften Engerts anwachsendes völkisch-christliches Engagement für den Nationalsozialismus nachzuzeichnen.
Ein Preis der Stadt Regensburg trägt seinen Namen, er gilt als Vater der Universität: Josef Engert. Doch der vor 50 Jahren verstorbene Theologe war ein Antidemokrat und Antisemit. Eine Recherche von Robert Werner.
2005 erwarb sich der Regensburger Putzunternehmer und Runtinger-Preisträger Karlheinz Götz an der Universität Oviedo einen Doktor-Titel. Doch nicht nur der Promotionsort kommt einem bei näherer Betrachtung spanisch vor. Nachtrag: Am Mittwoch erhielt Götz übrigens das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse.
Obgleich die Legende des ehemaligen Wehrmachtsmajors Robert Bürger in ihren Grundfesten zerstört wurde, hält die Regensburger Bundeswehr-Kameradschaft (ERH) an den Erzählungen des selbsternannten Retters Regensburgs fest. Ihr Vorsitzender Oberst a.D. Norbert Hettmer plant eine Verteidigungsschrift, womit er die Bürger-Legende intern mit eigenen Überlegungen aufrechterhalten will. Neulich aufgetauchte Unterlagen bezichtigen Bürger jedoch erneut als Kriegstagebuch-Fälscher.
Fast dreißig Jahre hat sie standgehalten, die selbstinszenierte Heldengeschichte von Robert Bürger als dem Retter Regensburgs 1945. Seit Peter Eiser und Günter Schießl sie im April 2012 in „Kriegsende in Regensburg“ einer Revision unterzogen haben, gelten Bürgers Erzählungen als grundsätzlich erschüttert und ihr Urheber als findiger Quellenmanipulator. Ein Zwischenbericht über den Stand einer Debatte, die im vergangenheitspolitischen Treibsand Regensburgs zu verschwinden droht.
Vor 36 Jahren verlieh die Regensburger Universität zum ersten Mal ein Ehrendoktorat. Die Fakultät für Katholische Theologie ehrte damals den umstrittenen Diözesanbischof Rudolf Graber in einem Festakt, der mit Handgreiflichkeiten und der gegenseitigen Androhung von Strafanzeigen endete. Der frisch gekürte Dr. h.c. Graber hingegen blieb gelassen und würdigte seinerseits in einer lang vorbereiteten Gastvorlesung das Lebenswerk des Nazi-Theologen Karl Adam. Strippenzieher der Huldigung war Professor Joseph Ratzinger, der Bischof Graber seinen Lehrstuhl verdankte.
80 Jahre nach der Bücherverbrennung von 1933 erinnert Regensburg daran mit einer Gedenktafel, die nichts anderes ist, als ein Produkt des Wahlkampfs. In ihrem Text verschweigt und verdeckt sie sowohl wesentliche stadtgeschichtliche Ereignisse als auch die damaligen politischen Verhältnisse.
Es war der 5. März 2010. Damals wandte sich die Diözese Regensburg erstmals an die Öffentlichkeit, um die Medien über sexuellen Missbrauch bei den Regensburger Domspatzen zu informieren. Bistumssprecher Clemens Neck präsentiere damals nur Jahrzehnte zurückliegende Fälle. Doch selbst diese wurden irreführend und falsch dargestellt. Versuch einer Aufarbeitung.
Der ehemalige Domkapellmeister Theobald Schrems gilt in Regensburg als sakrosankte Institution. Selbst in der unmittelbaren Nachkriegszeit, als das Engagement des Chors und seines Leiters für Nazigrößen, Nazipartei und Nazireich durch die Kriegsniederlage eben beendet worden war, blieb Schrems weitgehend unbehelligt. Das Umfeld der Domspatzen, maßgeblich Schüler von ihm, arbeitet seit Jahrzehnten an einem geschönten Image des Chorleiters, insbesondere bezüglich seiner Rolle in der Nazizeit. Auch die im Oktober 1945 erstmals lizensierte Mittelbayerische Zeitung trug nicht zur Klärung dieser Rolle bei. Ende 2012 verstieg sich der Journalist Helmut Wanner in der MZ sogar zu der Spekulation, Schrems habe in der NS-Zeit als aktiver Judenschützer gewirkt.
Das „offizielle“ Regensburg tut sich schwer im Umgang mit seiner Vergangenheit als Zentrum des Rüstungskonzerns Messerschmitt. Die Verbindungen der Stadt zum KZ-System Mauthausen-Gusen waren in der lange kein Thema. Das, obwohl zwischen 1943 und 1945 mehrere hundert der Regensburger Messerschmitt-Facharbeiter zur Flugzeugproduktion nach Gusen versetzt wurden, um dort Zwangsarbeiter anzuleiten und zu überwachen.
Der Grad an Unterstützung und Aufmerksamkeit durch die Stadt könnte unterschiedlicher nicht sein. Während Kulturreferent Klemens Unger am 9. November im Historischen Museum mit überschäumender Begeisterung und einiger Deutschtümelei die Schau „Die Befreiungshalle Kelheim & König Ludwig I.“ eröffnete, besuchten letzte Woche nur OB-Kandidat Joachim Wolbergs und zwei, drei Stadträte die Eröffnung in der Staatlichen Bibliothek. Dort wurde die Ausstellung „Überleben durch Kunst. Zwangsarbeit im Konzentrationslager Gusen für das Regensburger Messerschmittwerk“ gestartet, ein gleichnamiger Begleitband wurde vorgestellt.
Die erfolgreiche Propaganda-Tätigkeit des Domspatzen-Chors für das NS-Regime ist bestens belegt. Wahrhaben will man das in der Domspatzen-Gemeinde offenbar nicht. Zuletzt versuchte der ehemalige Regensburger Bischof gar, den Chor in die Reihe der NS-Opfer zustellen. Ein Überblick über das Engagement des Domchors in der Nazizeit und den späteren Umgang mit den eigenen Verstrickungen.
Verschwundene Unterlagen, Anfragen, die nicht bearbeitet werden und Stellungnahmen, die mehr als fragwürdig sind: Wie der Regensburger Stadtarchivar Vergangenheitspolitik betreibt, zeichnet eine Recherche von Robert Werner nach.
Am 20. August 1959 starb der damalige Regensburger Oberbürgermeister Hans Herrmann. Im Vorfeld seines Todestags zeichnet Robert Werner den Weg des Ehrenbürgers und Namenspatrons einer Schule durch vier politische Systeme nach.