Affäre Götz: Ein „ziemlich aufwändiges Verwaltungsverfahren“
Die fragwürdige Dissertation von Putzunternehmer Karlheinz Götz wird in Regensburg heiß diskutiert. Die Mittelbayerische Zeitung schweigt den Fall tot und veröffentlichte am Donnerstag eine veraltete Meldung über das Bundesverdienstkreuz für Götz in einem groß aufgemachten Artikel. Der Betroffene selbst gibt keine Stellungnahme ab und ist am Freitag nach Kanada verreist.
„Herr Götz wird den Tag, an dem er die Runtinger-Medaille bekommen hat, vielleicht noch verfluchen. Ohne diese Ehrung hätte sich doch nie jemand für seine Doktorarbeit interessiert.“ Solche und ähnliche Bemerkungen hört man beim Neujahrsempfang der Stadt Regensburg vergangene Woche öfter.
Die fragwürdige Dissertation („Die Entwicklung des Schulwesens in der Oberpfalz und in der freien Reichsstadt Regensburg bis 1810 sowie in Salzburg bis 1816.“) des Reinigungsunternehmers Karlheinz Götz ist ein recht häufiges Gesprächsthema. Und während auch Götz selbst vor Ort ist und zahlreiche Hände schüttelt, freut mancher sich im Zwiegespräch diebisch über das, was unser Autor Robert Werner tags zuvor aufgedeckt hat. Andere schüttelten verwundert, manchmal schockiert den Kopf über das, was Götz da als Doktorarbeit abgeliefert hat.
All diese Kritik und Häme wird allerdings nur hinter vorgehaltener Hand formuliert. Öffentlich äußern will sich bislang kein lokaler Funktionsträger zu den Plagiaten und anderen Abgründen in der Götz-Arbeit, die Werner im Rahmen einer akribischen Recherche offengelegt hat. Die lokalen Medien schweigen das Thema tot. Götz selbst hatte bereits im Vorfeld der Veröffentlichung jede Stellungnahme verweigert.
Die Universität Regensburg, an der die Firmengruppe Götz putzt, hält sich heraus und verweist (korrekterweise) darauf, dass die spanische Universität Oviedo für eine eventuelle Überprüfung zuständig sei. Dort hat Götz die Doktorarbeit eingereicht, mit der er im Jahre 2005 promoviert wurde. Einige Dozenten aber, mit denen wir gesprochen und denen wir die Dissertation vorgelegt haben, zeigen sich im persönlichen Gespräch bestürzt. „So etwas genügt nicht einmal den Maßstäben einer Diplomarbeit“, sagt uns einer.
Wann darf ein in Spanien erworbener Doktortitel hierzulande geführt werden?
Die Kultusministerkonferenz der deutschen Bundesländer (KMK) hat sich im Jahr 2000 darauf geeinigt, dass das Führen von im europäischen Ausland erworbenen Doktorgraden ohne Genehmigung erlaubt ist, wenn die Titel an einer ordnungsgemäß akkreditierten Hochschule „in einem wissenschaftlichen Promotionsverfahren erworben wurden“.
Um das Verfahren zur Eintragung dieser Doktorgrade ins deutsche Melderegister zu vereinfachen, wurde seinerzeit auch der Aufbau einer Datenbank vereinbart, in der alle akkreditierten Hochschulen gelistet werden sollen. Anhand dieser sogenannten ANABIN-Liste (Anerkennung ausländischer Bildungsnachweise) können die jeweils tätig werdenden Meldeämter eigenständig prüfen, ob eine Universität den Anforderungen der KMK entspricht. Da die ANABIN-Liste nicht vollständig ist, wird sie bei Bedarf durch entsprechende Gutachten fortgeführt. Fachlich zuständig dafür ist die „Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen“, kurz ZAB, die bei der ständigen Kultusministerkonferenz angesiedelt ist.
Götzsche Alleinstellungsmerkmale
Als Karlheinz Götz im Jahre 2005 mit seiner Promotionsurkunde im Meldeamt seiner Heimatgemeinde Sinzig auflief, blieb ihm der direkte Eintrag seines Doktortitels verwehrt. Der Grund: Seine Alma Mater, die spanische Universität Oviedo, war damals nicht in der ANABIN -Liste verzeichnet. Und so musste ein „ziemlich aufwändiges Verwaltungsverfahren“ in Gang gesetzt werden, wie von einer daran beteiligten Behörde zu erfahren war. Das damalige Verfahren sei jedoch völlig regulär, wie in solchen Konstellationen üblich, verlaufen.
Bemerkenswert: Offenbar war Karlheinz Götz seinerzeit der erste deutsche Doktorand, der in Oviedo promovierte und – legitimiert durch das ANABIN-Verfahren – den Titel in Deutschland führen wollte.
Zum Eintrag des Götzschen Doktorgrades wandte sich die Meldebehörde von Sinzing hilfesuchend an das Regensburger Landratsamt, welches wiederum die für die Fortführung der ANABIN-Liste zuständige ZAB kontaktierte. Dort prüfte und begutachtete man zunächst generell die Promotionsverfahren der Universität im spanischen Oviedo. Im Anschluss daran wurde ein weiterer Durchgang notwendig. In dieser zweiter Begutachtung überprüfte die ZAB auch den Studiengang, den Götz laut Promotionsurkunde absolvierte: angeblich Erziehungswissenschaften. Da die von der ZAB gestellten Anforderungen erfüllt waren, nahm man die Universität Oviedo anlässlich des „Falls Götz“ schließlich in die ANABIN-Liste auf. Die Gemeinde Sinzing konnte den Eintrag vollziehen.
Über die Qualität und Hintergründe einer in Oviedo absolvierten Dissertation sagen diese Gutachten allerdings nichts aus, da nur die Universität bzw. der entsprechende Studiengang, und nicht die Arbeit bzw. Hintergründe, begutachtet werden. Obwohl solche Verfahren üblich sind, bleibt der Fall Götz für Regensburg singulär. Laut Auskunft des Regensburger Landratsamts wandte man sich in den gut acht Jahren, die seit der Causa Götz bis Januar 2014 verstrichen sind, kein weiteres Mal an die ZAB. Götz verfügt also auch in dieser Hinsicht über ein gewisses Alleinstellungsmerkmal.
ANABIN-Voraussetzung erfüllt?
Die näheren Umstände der Promotion von Karlheinz Götz sind bislang nicht bekannt. So ist z.B. nicht geklärt, ob er ein wissenschaftliches Promotionsverfahren durchlaufen und sich dafür länger in Spanien aufgehalten hat. Weiterhin bleibt im Dunkeln, in welcher Sprache Götz seine Arbeit eingereicht hat? Laut Deckblatt seiner Dissertation dankt Götz einer Dolmetscherin „für die Übersetzungsarbeiten und die für Zusammenstellung des spanischen Textes.“
Ebenso interessant wäre es zu erfahren, in welcher Sprache Götz seine Dissertationen vor der fünfköpfigen Prüfungskommission „verteidigt“ hat. Offenbar ist er des Spanischen nicht mächtig.
Die Kernfrage lautet: Hat Karlheinz Götz überhaupt ein reguläres wissenschaftliches Promotionsstudium absolviert? Es solches dauerte damals in Spanien fünf Jahre. Wobei innerhalb der ersten zwei Jahre Vorbereitungskurse mit mindestens 320 Stunden zu besuchen gewesen wären, wie aus einer GEW-Studie aus dem Jahr 2004 hervorgeht. Nur unter diesen Voraussetzungen hätte der Doktortitel über das ANABIN-Verfahren in Deutschland anerkannt werden dürfen.
Promotionsurkunde bleibt unter Verschluss
Einige dieser Fragen ließen sich möglicherweise durch einen Blick in die Promotionsurkunde beantworten. Doch in Sinzing, wo Götz die notwendigen Unterlagen für einen Eintrag des Titels ins Melderegister vorlegen musste, verweigert man uns – mit Verweis auf Persönlichkeitsrechte und Datenschutz – die entsprechende Einsichtnahme. Genau so ergeht es uns bei der übergeordneten Behörde, dem Landratsamt Regensburg.
Bereits im August 2013 hatte sich SZ-Journalist Thomas Urban unter der Überschrift „Abschreiben mit Auszeichnung“ intensiv mit dem Promotionswesen in Spanien beschäftigt. Sein Fazit: Dort befindet sich ein Eldorado für Plagiate und Auszeichnungen.
Karlheinz Götz hat sich am Freitag zu einer länger geplanten Reise nach Kanada aufgemacht und wird angeblich vor März nicht zurückkehren.
Die Mittelbayerische Zeitung hat unterdessen über „Eine große Ehre für Dr. Karlheinz Götz“ berichtet und die mehr als eine Woche alte Meldung zur Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an den Unternehmer zu einem groß aufgemachten Artikel verarbeitet.
„Eher wie Propaganda denn Journalismus.“
Der freie Journalist Thomas Mrazek, der auch die Fachgruppe Online beim Bayerischen Journalistenverband leitet und unsere Berichterstattung zu Karlheinz Götz verfolgt hat, schreibt zu dieser Reaktion der Mittelbayerischen Zeitung unter anderem:
„Von den (…) Zweifeln an der Integrität des Herrn Götz ist darin (in dem Artikel der MZ, Anm. d. Red.) nichts zu lesen. Der Platz reichte wohl nicht aus für sämtliche Huldigungen für Götz. Ich bin deswegen irritiert, denn für mich als Leser wirkt das eher wie Propaganda denn Journalismus.“