Entdecke Veranstaltungen in Regensburg Alle Kultur Oekologie Soziales Kino

Autor Archiv

Nicht genug damit, dass die A 94 trotz jahrzehntelanger Bürgerproteste nunmehr quer durch eine der schönsten Landschaften Deutschlands gebaut wird – jetzt müssen das Isental und seine Bevölkerung auch noch den Tatort für einen recht mäßigen Krimi abgeben. Eine Besprechung von Leonhard F. Seidls Roman „Genagelt“.

Von Nina Müller

Cover GenageltWie in etlichen der neuerdings so beliebten Regionalkrimis, so tritt auch hier der Kriminalfall, die Ermittlung und die Auflösung der Zusammenhänge, in den Hintergrund zugunsten möglichst drastischer Einzelheiten und der ausführlichen Beschreibung des Lokalkolorits, der Gegend und ihrer Bewohner. Diese in meinen Augen falsche Schwerpunktsetzung wird hier besonders auffällig betrieben: Die beiden Morde sind grausig und obszön (der Schulfreund des Ermittlers und der Pfarrer wurden mit entblößtem Geschlechtsorgan an den Masten des örtlichen „Schwammerls“ genagelt, versehen mit Bibelzitaten), das Motiv ist die Verdeckung von sexuellem Missbrauch und Kinderpornographie. Auf der anderen Seite agiert der Ermittler, das alter Ego des Autors, extrem dilettantisch, tappt ziel- und planlos herum, schrottet mehrere Fahrzeuge, benutzt zur Fortbewegung einen Traktor und sogar einen Esel, flüchtet mehrfach vor der Polizei, von der er aber zum Schluss aus höchster Not gerettet werden muss – und um alles noch auf die Spitze zu treiben, hat er ein Baby dabei, das er mal im Tragetuch zum Einbruch mitnimmt, mal tagelang bei fremden Leuten lässt. Eine echte Aufklärung der Hintergründe ist von so einem nicht zu erwarten und erfolgt auch nicht, es wird nur ein Verdächtiger auf frischer Tat ertappt und verhaftet.

Vom Saugrippe zum Gscheithaferl

Das Schlimmste aber ist, dass alles so dick aufgetragen ist: Eine aberwitzige Szene reiht sich an die andere (die kreischende Nackte in der Kirche, ein Verdächtiger bekommt eine Ladung Schrot in den Hintern, eine Psychiatriepatientin wirft sich dem Ermittler an den Hals), die Sprache ist derb, die wörtliche Rede häufig im Dialekt, der aber schlecht buchstabiert ist („ang’zeigt“, „So ein Saugrippe“), die Frauen am Ort heißen Zenzi und Annamirl – kein Klischee bleibt den Lesern erspart. Dazwischen eingestreut die Gedanken des Detektivs, mal an Banalität schwer zu überbieten („Eine Mücke stach ihn in den Hals. Blutsauger!“), häufig für den Fortgang der Geschichte bedeutungslos, manchmal aber auch belehrend und pseudo-informativ: „Suchtkrankheiten traten bei Menschen in sozialen Berufen besonders häufig auf.“

Und das Isental? Spielt über weite Strecken eine reine Statistenrolle. Kurz wird ein Korruptionsverdacht bezüglich der Vergabe der Bauaufträge ins Spiel gebracht, erweist sich aber als falsche Spur. Die meiste Zeit löst die Autobahnfrage aber nur tiefschürfende Gedanken wie den folgenden aus: „Ich hab schon wieder vergessen, wie schön es hier ist. Vielleicht hat eine Landschaft ja auch eine Seele, die durch die A 94 auf alle Fälle angekratzt wird.“ Falls hier einem Jacques Berndorf mit seinen Eifel-Krimis vor politischem Hintergrund nachgeeifert werden sollte, so ist das jedenfalls gründlich misslungen.

Leonhard F. Seidl: Genagelt. Emons Verlag, 302 S., 10,90 €

Toni Deboni: Krimis für die Westentasche

Seit 2009 hat Regensburg einen neuen, heimlichen Krimi-Helden: Toni Deboni – ein obercooler Motorradfahrer, der Sprüche klopft und den Frauen nachstellt, ein Bier trinkender und fluchender Grobian mit Sinn für soziale Gerechtigkeit. Zunächst als Hauptkommissar in Zürich, löst Toni Deboni schon bald seine Fälle als privater Ermittler in Regensburg. Fünf spannende Bände sind inzwischen erschienen, […]

Verbrechen Liebe

Seit Jahren arbeitet der BR-Autor Thomas Muggenthaler zum „Verbrechen Liebe“ während der NS-Zeit. Erst vor kurzem hat er den Ort der Hinrichtung eines polnischen Zwangsarbeiters ausfindig gemacht (am kommenden Montag Thema in der Sendung “Aus Schwaben und Altbayern”) . In seinem 2010 erschienenem Buch dokumentiert Muggenthaler das Schicksal von über 20 polnischen Männern, die wegen Beziehungen zu deutschen Frauen hingerichtet wurden.

Niveau des Irrationalismus

Ursula Caberta ist ehemalige SPD-Bürgerschaftsabgeordnete in Hamburg und leitete 18 Jahre lang, bis zu deren Auflösung, die „Arbeitsgruppe Scientology“ bei der Behörde für Inneres in Hamburg. Nach ihrem „Schwarzbuch Scientology“ von 2007 legte sie 2010 das „Schwarzbuch Esoterik“ vor. „Wir sind auf einem Niveau  angekommen, das endlich ernst genommen werden muss“, konstatiert sie auf S. […]

Banal, schwül, peinlich

„Gero oder Der leichte Sommer“ ist der erste Roman der Lappersdorfer Autorin Angelika Seitz, die sich bisher in anderen literarischen Genres (v.a. Gedichten, aber auch Heimatkundlichem) sowie in anderen Kunstformen wie der Malerei versucht hat. Inhaltlich geht es um eine Dreiecks-Liebesgeschichte zwischen dem freiheitsliebenden Maler Gero, der schönen, aber allzu abhängigen Elsa und der Ich-Erzählerin […]

Der sachliche Massenmörder

Dem Schweizer Schriftsteller Jürg Amann fielen bei einer Theaterarbeit in Wien die Aufzeichnungen von Rudolf Höß, dem Kommandanten von Auschwitz, in die Hände. Höß hatte in der Krakauer Untersuchungshaft, zwischen seiner Verhaftung durch die britische Militärpolizei und seiner Verurteilung zum Tod, etwa 300 Seiten beschrieben; Amann hat diese strukturiert und verdichtet, ohne Nennenswertes hinzuzufügen. Entstanden […]

Lokalkolorit ohne Tiefgang

Soeben erschien mit „Herzstich“der erste Roman der jungen Regensburger Autorin Sonja Silberhorn. Er gehört zur immer beliebter werdenden Gattung der Heimatkrimis, auf die sich der Kölner Emons-Verlag spezialisiert hat. „Herzstich“ spielt und wurzelt in Regensburg. Dem Charme des Lokalkolorits kann man sich als Regensburger schwer entziehen – ein wichtiger Schauplatz ist zum Beispiel die Ostengasse, […]

drin