Richard Spieß: „Wir werden im Stadtrat nur als demokratisches Aushängeschild benutzt, um verwaltungsintern bereits beschlossene Entscheidungen zu legitimieren, die wir gar nicht richtig überprüfen können.“ Foto: Archiv/Staudinger
Richard Spieß mag nicht mehr. Der Gründervater der Regensburger Linken verlässt nach 14 Jahren die Partei. Auf Facebook kritisiert er vor allem den Parteiapparat in Bayern. Im Gespräch mit regensburg-digital zeigt er sich aber auch frustriert davon, wie wenig man als Stadtrat erreichen kann.
Fast könnte man meinen, es sei jemand gestorben. Viele der über 120 Kommentare unter der persönlichen Erklärung von Richard Spieß zu seinem Austritt aus DIE LINKE lesen sich wie Beileidsbekundungen, wie ein Nachruf. Und abgesehen von ein paar wenigen kritischen Beiträgen aus dem Umfeld der Linksjugend und des früheren Kreisvorstands der Linken, der im vergangenen Jahr nach einigen Auseinandersetzungen abgewählt wurde (Beschwerden gegen die Wahl blieben erfolglos), sind es fast durchweg positive Worte, mit denen Spieß bedacht wird. Sie kommen von Parteifreunden, Vertretern verschiedener NGOs und Stadträten anderer Parteien.
Der letzte Verhandlungstag des Jahres 2018 bietet noch einmal eine umfassende Darstellung aller Vorwürfe gegen die Ermittlungsbehörden. Weil gegen den Grundsatz für ein faires Verfahren verstoßen worden sei, fordern alle Verteidiger im Korruptionsprozess die Einstellung des Verfahrens gegen ihre Mandaten. Die Richterin zeigt sich von dem 50seitigen Antrag zwar beeindruckt, lässt aber durchblicken, dass sie den Prozess zu Ende führen will.
Die konkreten Vorwürfe gegen die Angeklagten spielen am 28. Tag im Korruptionsprozess allenfalls eine untergeordnete Rolle. Die Vernehmung eines Bereichsleiters der Regierung der Oberpfalz mündet in eine Abrechnung der Verteidigung mit dem Vorgehen der Behörden gegen Joachim Wolbergs und Spekulationen über parteipolitische Motive. Und tatsächlich wirft die Zeugenaussage einige Fragen zur Rolle des Regierungspräsidenten auf.
Hans Schaidinger erscheint am Montag nicht als Zeuge. Weil gegen ihn selbst ermittelt wird, verweigert der Altoberbürgermeister die Aussage. Dabei böte die bisherige Beweisaufnahme Anlass für viele Fragen. Fragen wirft auch das Verhalten der Rechtsaufsicht bei der Regierung der Oberpfalz auf. Ein Zeuge schildert, wie aus einer knappen Antwort an die Kripo eine mehrseitige Stellungnahme wurde. Abseits dieser Nebenkriegsschauplätze kommt der Korruptionsprozess inhaltlich nicht voran. Erneut beschäftigt sich die Kammer mit „Pannen“ bei den Ermittlungen.
Vertrauliche Verteidiger-Post in großem Stil wurde offenbar sämtlichen Verfahrensbeteiligten im Korruptionsprozess zugänglich gemacht. Gefunden hat sie Rechtsanwalt Markus Birkenmaier im Rahmen einer Akteneinsicht. Er spricht von „einmaligen und einzigartigen“ Gesetzesverstößen durch die Staatsanwaltschaft. Derweil bestreitet am Dienstag ein Zeuge vehement, von Joachim Wolbergs unter Druck gesetzt worden zu sein. Doch unter anderem damit wurde der Haftbefehl gegen den früheren Oberbürgermeister begründet.
Von einer „Farce“ spricht Altoberbürgermeisterin Christa Meier mit Blick auf die Anklage gegen OB Joachim Wolbergs. Doch auch das Gericht rügt erneut die Staatsanwaltschaft. Richterin Elke Escher deutet sogar an, dass der Prozess angesichts der zahlreichen Fehler bei der Telefonüberwachung hätte platzen können. Wären die Mitschnitte nicht an die Verteidigung herausgegeben worden, „hätte die Kammer bereits die Segel gestrichen“, so Escher. Ein Mitarbeiter der Bauteam Tretzel GmbH fällt bei seiner Aussage vor allem durch Erinnerungslücken auf.
Der Leiter des Liegenschaftsamtes der Stadt Regensburg erläutert vor Gericht detailliert das Zustandekommen der Konzeptausschreibung für das Nibelungenareal und die Vergabe an das Bauteam Tretzel. Diese hält er zwar nicht für rechtswidrig, ist aber überzeugt: Wäre anders vergeben worden, gäbe es aktuell keine Anklage. Der Schlagabtausch um die Schlampereien bei der Telefonüberwachung nimmt derweil an Schärfe zu und die Staatsanwaltschaft macht dabei keine gute Figur. Interessantes gab es in Telefonaten von Norbert Hartl zu hören. Demnach wollte der frühere OB Hans Schaidinger die inkriminierten Flächen bereits bei einer ersten Ausschreibung an Tretzel vergeben – trotz eines acht Millionen höheren Gebots von einem anderen Bieter.
In einer zweiseitigen Stellungnahme reagiert die Leitung der Universität Regensburg auf die Kritik an ihrer Beschäftigungspraxis und die Entlassung studentischer Hilfskräfte. Doch auf das Wesentliche geht man trotz wortreicher Erklärungen nicht ein, lenkt vom eigentlichen Sachverhalt ab und leugnet die Verantwortung für die selbstverschuldete Situation.
Der 23. Verhandlungstag im Korruptionsprozess bringt einen neuerlichen Rüffel für die Ermittlungsbehörden: Nach weiteren Schlampereien bei den Protokollen der Telefonüberwachung ordnet Richterin Elke Escher die Neuverschriftung von 111 aufgezeichneten Gesprächen an. Ob die Ausschreibung des Nibelungenareals auf den Bauträger Volker Tretzel zugeschnitten war, bleibt derweil trotz annähernd 30 vorgespielter Telefonate derweil weiter ungewiss. Allerdings offenbaren Gespräche das zweifelhafte Verständnis eines Regensburger Mediums von Journalismus. Joachim Wolbergs legt in diese Zusammenhang seine Sicht der Dinge zur hiesigen Medienlandschaft offen.
Das Gebiet rund um den Regensburger Hauptbahnhof und die Albertstraße gilt als „gefährlicher Ort“. Hier ist im Zweifel nicht nur jeder gefährdet, sondern auch verdächtig.
Verdeckte Wahlkampfspenden der „Bürger für Regensburg“ an die CSU – so lautet die Befürchtung des früheren Schatzmeisters beim Regensburger Kreisverband. Er hat deswegen ein warnendes Schreiben an die CSU-Landesleitung abgesetzt und darin offenbar auf die Gefahr möglicher Strafzahlungen hingewiesen. Die Vorstandschaft der Regensburger CSU sieht dagegen mehrheitlich keinerlei Probleme. Vergangenen Freitag wurde das Thema nicht einmal groß diskutiert.
Rund 1.000 Beschäftigte haben Ende Oktober mit dem Ende der Nachtschicht im BMW-Werk Regensburg ihre Arbeit verloren. Weil es sich aber um Leiharbeiter handelt, wird davon kaum Notiz genommen. Für die Stammbelegschaft gab es eine Erfolgsprämie, für die Leiharbeiter warme Worte zum Abschied. Mittlerweile wird ein weiterer Personalabbau befürchtet, der erneut eine erhebliche Zahl von Leiharbeitern betreffen dürfte.
In unserem heutigen Redaktionstagebuch beschäftigen wir uns mit der Frage, ob Frauen zu dumm sind, um eine Führungsposition bei der Krones AG zu übernehmen. Außerdem stellen wir den Voldemort der Regensburger Korruptionsaffäre vor und freuen uns über einen sinnvollen Antrag der CSU.
Bis zu 100 studentische Hilfskräfte an der Uni Regensburg drohen ihren Nebenjob zu verlieren. In den Bibliotheken waren sie rechtswidrig zum Mindestlohn anstatt nach Tarif beschäftigt worden. Nachdem immer mehr Betroffene ihre Rechte einfordern, zieht die Universität nun die Reißleine. Ein neuerlicher Fall von problematischen Beschäftigungsverhältnissen an der hiesigen Uni. Doch das Problem reicht über Regensburg hinaus.
Vom Be- zum Entlastungszeugen: Bei seiner zweiten Aussage am Dienstag bezeichnet CSU-Stadtrat Christian Schlegl das System, über das sowohl er wie auch Joachim Wolbergs Spenden vom Bauteam Tretzel erhalten haben, als „völlig korrekt“ und liefert fast wortgleiche Argumentationsmuster wie der angeklagte Oberbürgermeister. Weitere abgehörte Telefonate gewähren am Dienstag einen Einblick in die Eingeweide der SPD und das Verständnis, das Baumagnat Volker Tretzel von seinen Mitarbeitern hat.
Der 17. Verhandlungstag dürfte Ärger für die Staatsanwaltschaft mit der Landtagsabgeordneten Margit Wild bringen. Bei ihrer Aussage wird die SPD-Politikerin mit einem abgehörten Telefonat konfrontiert, über das sie – entgegen der Strafprozessordnung – nicht informiert wurde. Wenig Neues brachte die Aussage eines weiteren Mitarbeiters der Bauteam Tretzel GmbH (BTT), der mehrfach 9.900 Euro spendete – abgesehen von einigen Ungereimtheiten und Widersprüchen.
Der Vergleich eines Vortrags der Städteplanerin Christiane Thalgott mit den Zuständen in Regensburg offenbart, was vor allem die Politik von Hans Schaidinger in Sachen bezahlbarer Wohnraum angerichtet hat. Mit der Mentalität, die der frühere Oberbürgermeister in Teilen der Stadtverwaltung etabliert hat, hat der Stadtrat bis heute zu kämpfen.
Bei der Vernehmung von Beschäftigten der Bauteam Tretzel GmbH stellt sich zunehmend heraus, dass kaum jemand Einblick in die Gehaltsstrukturen, Provisionen und Gewinnbeteiligungen hatte. Vieles scheint nach Gutdünken des Firmenpatriarchen Volker Tretzel gelaufen zu sein – allerdings zur Zufriedenheit aller Beteiligten, die auf Zuruf von Tretzel und dessen Geschäftsführer Franz W. klaglos Parteispenden leisteten – mal an die CSU, noch häufiger an die SPD.
Jedes Jahr 9.900 Euro spendeten mehrere Mitarbeiter des Baumagnaten Volker Tretzel über Jahre hinweg auf das Konto des SPD-Ortsvereins von Joachim Wolbergs. Am Montag begann die Vernehmung dieser – so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft – „Strohmänner“, über die insgesamt 475.000 Euro geflossen sein sollen, gestückelt und damit verschleiert. Die Aussagen sind widersprüchlich und zum ersten Mal bröckelt die Geschlossenheit der Verteidiger-Phalanx.