Zensur-Streit: Unger bricht schriftliche Vereinbarung
Zum Ende seiner Amtszeit als Kulturreferent lässt es Klemens Unger noch einmal krachen.
Mit einer nichtssagenden Antwort reagiert Kulturreferent Klemens Unger auf eine Anfrage zu seiner Zensur eines Textes über die „Judensau“ am Regensburger Dom. Mails der betroffenen Autorin beantwortet er seit Wochen nicht. Schriftliche Vereinbarungen bricht er. Die Bürgermeisterin sieht keinen Grund, sich einzumischen.
Kulturreferent Klemens Unger tut auch zum Ende seiner Dienstzeit das, was er immer getan hat: Er versucht, das Thema auszusitzen und pflegt einen kreativen Umgang mit der Wahrheit. Erst drei Tage nach unserem Bericht zu den Auseinandersetzungen um eine städtische Publikation zur jüdischen Geschichte Regensburgs und fünf Tage, nachdem wir ihm sehr konkrete Nachfragen zu dem Konflikt mit Professorin Eva Haverkamp-Rott gestellt hatten, erhalten wir über die städtische Pressestelle eine Antwort. Ausweichend, nichtssagend und am Kern der Sache vorbei.
Änderungen ohne Absprache, Streichung ganzer Kapitel
Wie berichtet, hatte Unger einen Text der renommierten Expertin für jüdische Geschichte zur sogenannten „Judensau“ am Regensburger Dom ohne jede Absprache massiv verändert und entschärft. Die Autorin erhielt lediglich kommentarlos die von Unger veränderten Druckfahnen.
Als Haverkamp-Rott dagegen protestierte, sie sprach unter anderem von Verharmlosung und Verfälschung des Inhalts, reagierte der Kulturreferent zunächst überhaupt nicht – obwohl die Professorin mehrfach mündlich und schriftlich nachfragte. Schließlich kündigte er an, komplette Kapitel – Dutzende von Seiten – von Haverkamp-Rott aus der geplanten Publikation zu streichen. Nach Informationen unserer Redaktion sucht der Kulturreferent nun neue Autoren, um das Buch trotzdem irgendwie zu füllen.
Autorin verzichtete trotz monatelanger Arbeit auf Honorar
Diese Informationen lagen uns bei der Veröffentlichung unseres Artikels aus gesicherter Quelle vor, doch wir wollten auch von Klemens Unger wissen, worum es bei diesem Konflikt nun genau geht und wie er diesen denn zu lösen gedenkt. Doch Unger lässt lediglich wissen, dass es notwendig sei, „mit den einzelnen Autoren Abstimmungen zu treffen“. Er spricht davon, dass es zwei Publikationen mit „ähnlichem Inhalt“ und zwei Texte mit derselben Ãœberschrift gebe und dass mit den Autoren „eine einvernehmliche Lösung gesucht“ werde. Das hat mit den tatsächlichen Abläufen allerdings nur wenig zu tun.Â
Tatsächlich hatten Unger und Haverkamp-Rott bereits im Oktober 2018 schriftlich die Bedingungen für zwei Publikationen vereinbart, die im Anschluss an die Ausstellung „Regensburg – Mittelalterliche Metropole der Juden“ im Historischen Museum erscheinen sollten. Das schreibt uns die Professorin in einer Mail.
Unger sicherte den Autorinnen die Herausgeberschaft zu
Demnach verzichtete Haverkamp-Rott auf ein Honorar für ihre monatelange Tätigkeit. Im Gegenzug sicherte Unger ihr und ihrer Kollegin Astrid Riedler-Pohlers zu, dass sie als Autoren und Herausgeber der beiden Publikationen genannt werden würden. Ein durchaus bemerkenswertes Entgegenkommen der Historikerin, die zusammen mit Riedler-Pohlers nicht nur die Ausstellung kuratiert, sondern auch einen gehörigen Teil der Vortragsreihe zum Schwerpunkt des städtischen Jahresthemas konzipiert hatte, dem 500. Jahrestag der Vertreibung der Juden aus Regensburg. Eine Expertise, mit der sich die Stadt zuletzt noch gerne geschmückt hat.
Bereits im März, als die Ausstellung eröffnet wurde, wurden die beiden Bücher eingereicht, die als Band 14 und 15 in der Reihe „Kulturführer Regensburg“ veröffentlicht werden sollten. Band 15 ist zwischenzeitlich erschienen.
Für das zweite Buch, Band 14, lagen die fertigen Druckfahnen ebenfalls bereits im Mai vor. Allerdings hatte Unger, wie erwähnt, Haverkamp-Rotts Passagen zur „Judensau“ massiv verändert und teilweise komplett gestrichen. Insbesondere entfernte Unger unter anderem folgenden Satz zur „Judensau“:
„Diese Ekel erregende Propaganda degradierte die Juden und war eine Angriff auf die jüdische Religion.”
Der Referent antwortet drei Wochen lang nicht
Die Suche nach einer „einvernehmlichen Lösung“ a la Unger sah anschließend wie folgt aus: Keine Reaktion auf mündlichen und schriftlichen Protest der Professorin und schließlich, am 10. Juli, die Ankündigung, dass er das Gros der Texte von Haverkamp-Rott aus diesem als Stadtführer konzipierten Band streichen werde – darunter der erwähnte Text zur „Judensau“, ein Artikel zur „Anbetung des Goldenen Kalbes“ und ein weiterer zu einem judenfeindlichen Fresko in der Pfarrkirche St. Kassian.
Eva Haverkamp-Rott hat sich bereits am 17. Juli erneut an Unger gewandt und sich gegen dieses Vorgehen verwahrt. Der Kulturreferent hat seit drei Wochen nicht darauf geantwortet. Nun hat es Haverkamp-Rott mit einer weiteren Mail versucht.
Bürgermeisterin will sich nicht einmischen
Bei der städtischen Pressestelle haben wir nachgefragt, ob Bürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer – immerhin Ungers Dienstherrin – gedenkt, bei der Auseinandersetzung zu intervenieren. „Die Bürgermeisterin wird sich in dieses Thema nicht einmischen“, lautet die lapidare Antwort.