Blockade am größten Schlachthof Süddeutschlands
Am Samstag blockierten etwa 30 Tierschutz-Aktivistinnen den Wiesenhof-Schlachthof in Bogen. 240.000 Hähnchen können hier täglich geschlachtet werden.
“Mastanlagen Widerstand”: Am Samstag blockierten Aktivisten den Wiesenhof-Schlachthof in Bogen. Foto: as
Anmerkung der Redaktion: Die Aktivistinnen legen Wert auf die Feststellung, dass es sich bei ihnen nicht (wie im Artikel erwähnt) um Tierschützer, sondern um Tierbefreiungsaktivisten handelt. Den Artikel haben wir in der Ursprungsversion belassen.
Dass auf einem Schlachthof mit Bananen geworfen wird, kommt eher selten vor. Aber als Josef Bachmeier am Samstag um kurz nach elf sieht, was da gerade vor seinem Schlachthof vor sich geht, verliert er kurz die Nerven. „Euch werd i scho eineheifa in d’ Schuah“, (Übersetzt in etwa: Euch werde ich die Hammelbeine schon lang ziehen.) schimpft der Veterinär in breitestem Bairisch, fotografiert wild mit seinem Handy herum und bewirft eine der Aktivistinnen, die sich vor der Hauptzufahrt des Wiesenhof-Schlachthofs in Straubing-Bogen an ein Betonfass gekettet hat, mit ihrem Proviant. Dazwischen versucht er, die immer zahlreicher werdenden Medienvertreter vom Fotografieren und Filmen abzuhalten.
Erst Polizeibeamte, die beruhigend auf den Geschäftsleiter von Wiesenhof Süddeutschland einreden, können ihn schließlich beruhigen und davon abhalten, die Blockierer mit einem bereits angerollten Gabelstapler entfernen zu lassen. Es wird noch eine Weile dauern, bis der Betrieb im größten Schlachthof Süddeutschlands – bis zu 240.000 Hähnchen können hier täglich zu Fleisch verarbeitet werden – wieder reibungslos läuft. Die Blockierer sind darauf vorbereitet – sie tragen Windeln.
Seit kurz nach acht liegen und sitzen mehrere Tierschutzaktivisten vor den Zufahrten, die Hände in Betonfässern festgekettet, den Hals mit Fahrradschlössern am Metallzaun befestigt oder in luftiger Höhe auf einem sechs Meter hohen Gestell sitzend. Ein Transparent mit der Aufschrift „Mastanlagen Widerstand“ hängt zwei Stunden lang von der Produktionshalle und überdeckt das Wiesenhof-Logo.
Als Wiesenhof-Geschäftsführer Bachmeier einen Gabelstapler zum Einsatz bringen will, kommt es kurz zu Rangeleien. Foto: as
Das Ziel, den Betrieb tatsächlich aufzuhalten, verfehlt die Aktion – nur kurz müssen drei größere Lkws warten, dann wird ein Tor weiter hinten geöffnet und An- und Abfahrt verlaufen relativ reibungslos. Mit der medialen Aufmerksamkeit sind die Tierschützer aber zufrieden, auch wenn ein Fernsehteam von RTL sich etwas enttäuscht darüber zeigt, „dass das hier doch nicht so radikal“ sei, als dass es sich für einen größeren Beitrag lohnen könnte.
„Nicht nur die Tatsache, dass hier täglich eine Unzahl von Lebewesen getötet wird, finde ich problematisch“, sagt eine der etwa 30 Aktivistinnen, die für die seit drei Monaten geplante Aktion zum einem Großteil aus Regensburg, aber zum Teil aus ganz Deutschland angereist sind. Die „Schlachtfabrik“ stelle eine „ökologische und soziale Katastrophe dar“.
Mit Amtshilfe der Feuerwehr räumt die Polizei den sechs Meter hohen Tripod in der Haupteinfahrt der Schlachtfabrik. Foto: cg/ visual-rebellion.com
Rund 150 Zulieferbetriebe – „Mastanlagen“ – sorgen für die Auslastung des Schlachthofs. Pro Betrieb werden etwa 40.000 Hähnchen gemästet. Auf einem Quadratmeter müssen etwa 20 Tiere Platz finden. Küken und Futter kommen direkt von Wiesenhof, das nach durchschnittlich 42 Tagen die schlachtreifen Hähnchen abnimmt – das Kilo zu 90 Cent.
Das Bio-Hähnchen will niemand kaufen
Die Blockierer sprechen von „unwürdigen Bedingungen“. Wiesenhof hat sich hingegen über seine „Privathof-Geflügel“-Mästereien sogar ein Tierschutz-Label besorgt. Etwa 20 der 150 Zulieferer in Straubing-Bogen haben dieses Label. Die dort gemästeten Tiere sind 30 Prozent teurer als das herkömmliche Wiesenhof-Hähnchen. Entsprechend niedriger ist auch der Absatz. Und dass man nicht Einfluss auf die „Produktion“ in allen Zulieferbetrieben habe, hat Wiesenhof mit Blick auf einige Skandale in der Vergangenheit, immer wieder betont. Am Ende hängt es doch am Konsumenten: Das mit dem Bio-Label versehene „Weidehühnchen“ von Wiesenhof ist etwa doppelt so teuer wie ein normales Masthähnchen. Von ersterem werden laut Wiesenhof pro Woche 10.000, von zweiterem 4,5 Millionen geschlachtet.
Ein, an ein Betonfass angeketteter Aktivist in einer Seitenzufahrt. Foto: cg/ visual-rebellion.com
Es regnet. Es ist kalt. Die hinzugerufene Polizei steht teils ratlos, teils belustigt bei einem Unterstand am Schlachthof-Eingang und wird dort von Mitarbeitern mit Kaffee und belegten Baguettes versorgt. Draußen im Regen die Blockierer. Rufe wie „Mastanlagenwiderstand – es gibt kein ruhiges Hinterland“ oder Erklärungen zu den Haltungsbedingungen der Hähnchen, die hier tagtäglich in großen Lkws angeliefert werden, bekommen aber lediglich Wiesenhof-Mitarbeiter, Einsatzkräfte und der extra zum Ort des Geschehens gekommenen Bogener Bürgermeister Franz Schedlbauer mit: Die Schlachterei liegt etwas außerhalb, an einer Ausfallstraße.
Auf der tut sich mittlerweile – es ist kurz vor zwölf – Einiges. Immer mehr Polizeifahrzeuge trudeln ein. Nach ersten Versuchen, die Blockierer durch gutes Zureden, dann mittels Platzverweisen und schließlich durch Zerren an den Armen und „Schmerzgriffe“ zur Aufgabe zu bewegen, wird schließlich die Feuerwehr gerufen. Die kommt mit drei Löschzügen und schwerem Gerät. Auch drei Sanitätsfahrzeuge und ein Notarzt fahren vor. Zumindest jetzt ist die Zufahrt kurzzeitig blockiert. Mit Leiter und Rettungskorb wird eine junge Frau von ihrem Sechs-Meter-Gestell geholt. Den Einsatz wird man ihr, das hat ein empörter Bürgermeister mehrfach angekündigt, in Rechnung stellen. Dann beginnen Feuerwehrleute mit Bohrern und Meißeln die Betonfässer zu knacken. Das dauert über eine Stunde. Trotz Befürchtungen, dass die Betonfässer mit Spraydosen präpariert sein könnten, läuft alles reibungslos. Niemand wird verletzt.
“Sie fotografieren hier gar nichts.” Während die Betonfässer geknackt werden, versucht Josef Bachmeier Medienvertreter vom Fotografieren abzuhalten. Foto: as
Gegen die Blockierer ermittelt die Polizei jetzt wegen Verstoß gegen das Versammlungsgesetz und Hausfriedensbruch. Ob Wiesenhof zudem noch auf Schadenersatz klagen wird, wie es Josef Bachmeier in seiner ersten Aufregung mehrfach wütend in die Runde brüllt, war nicht zu erfahren. Eine Stellungnahme wollte der sonst recht medienaffine Geschäftsführer am Samstag nicht abgeben.