„Der größte Lebensmittelskandal, den wir je gesehen haben“
Mischfutterhersteller Josef Feilmeier warnt seit Jahren vor Lebensmittel-Skandalen. Er ist überzeugt: “Was bislang an die Öffentlichkeit gelangte, ist nur die Spitze des Eisbergs.” Foto: da Hog’n
“Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir das auch in Bayern finden”
Feilmeier aus Edlham im Landkreis Passau warnt schon seit Jahren vor solchen Szenarien – und wurde dafür bislang nur belächelt. „Das ist erst die Spitze des Eisbergs“, zeigt sich der 56-Jährige überzeugt. „Das wird der größte Lebensmittelskandal, den Deutschland jemals gesehen hat!“ Denn auch wenn das Schimmelpilzgift bislang nur in sieben Bundesländern entdeckt worden sei, „ist es nur eine Frage der Zeit, bis man den krebserregenden Stoff auch in Bayern finden wird“, prophezeit der Futtermittelhersteller, der sich schon seit vielen Jahren mit derartigen Themen auseinandersetzt. Claudia Schuller, Pressesprecherin des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL), kann dies nach derzeitigem Kenntnisstand jedoch nicht bestätigen: “Momentan ist Bayern davon nicht betroffen.” Und auch auf der Homepage des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) ist zu lesen, dass bislang aus den Bundesländern Ergebnisse von fast 900 Milchproben gemeldet wurden, die alle keine Höchstmengenüberschreitungen an Aflatoxin aufgewiesen haben.Schimmelpilzgift im Mais ist nicht “nur” ein Import-Problem
“Auch bei deutschen Maisbauern kommt Schimmel vor, wenn nachlässig getrocknet wird”, sagt Josef Feilmeier. Foto: H.D. Volz / pixelio.de
Kritik an der Eigenkontrolle der Lebensmittelindustrie
Fest steht jedenfalls: Um Lebensmittelskandale zu verhindern, müssen regelmäßige Kontrollen durchgeführt werden. Aber genau das ist das Problem: „In Bayern haben wir zwar eine sehr gute staatliche Überwachung“, bescheinigt Feilmeier den Behörden, “aber eben diese leidet an einem akuten Personalmangel”. Und in den übrigen deutschen Bundesländern sei das noch um einiges schlimmer. Martin Müller, Vorsitzender des Bundesverbands der Lebensmittelkontrolleure (BVLK), konnte eine diesbezügliche Presseanfrage passenderweise “aufgrund eines immensen Arbeitsaufkommens” nicht beantworten, wie er dem Hog’n mitteilte. Ende Februar hatte er im Namen des BVLK noch mehr Personal gefordert. In Deutschland übernimmt die Lebensmittelindustrie ihre Kontrolle deshalb zu einem großen Teil selbst. Ein Beispiel für die Qualitätssicherung im Lebensmittelsektor: die „QS Qualität und Sicherheit GmbH“. Das privatrechtliche Unternehmen, das nach dem BSE-Skandal 2001 gegründet wurde, hält jedoch absolut nicht das, was es verspricht, kritisiert Feilmeier. „Dieser GmbH gehören als Gesellschafter unter anderem der Deutsche Bauernverband (DBV), der Verband der Fleischwirtschaft (VDF) und der Deutsche Raiffeisenverband (DRV) an. Von einer unabhängigen staatlichen Kontrolle kann also schon mal gar keine Rede sein!“ Der stellvertretende Geschäftsführer von QS, Oliver Thelen, kann diesen Vorwurf nicht nachvollziehen. Schließlich habe die EU 2002 die Zweigleisigkeit bei der Lebensmittelüberwachung beschlossen. “Das hat sich ja nicht QS ausgedacht.” Und demnach sei die selbstverantwortliche Kontrolle der Betriebe genauso hoch zu bewerten wie die unabhängige staatliche. “Nur weil wir ein privatrechtliches Unternehmen sind, heißt das doch nicht, dass wir nicht unabhängig prüfen”, so Thelen weiter. “Wir arbeiten mit unabhängigen, akkreditierten Stellen, wie beispielsweise TÜV SÜD zusammen, die wiederum die Zertifikate für unsere QS-Systempartner ausstellen.”Feilmeier: “Wer schickt denn schon minderwertige Ware ein?”
Das Problem sei ja auch nicht in erster Linie die Zertifzierung der Betriebe an sich, erwidert Feilmeier, sondern die Tatsache, dass das QS-System mitunter auf die Eigenkontrolle ihrer Mitglieder baue. „Das ist wirklich ein guter Witz. Jährlich müssen die Betriebe etwa 30 Proben einschicken. Aber wer kontrolliert, was hier abgefüllt wird? Und wer schickt schon minderwertige Ware ein?“ Den Umstand, dass ein QS-Mitglied die Proben selber zieht, sieht Thelen nicht als ein Schlupfloch für Tricksereien: “Wenn ein QS-zertifizierter Betrieb eine Lieferung Mais bekommt, davon eine Probe nimmt, in ein von QS zugelassenes Labor einschickt und dort dann festgestellt wird, dass der Mais kontaminiert ist, kann er die Ware doch einfach zurückgehen lassen. Wer sieht der Ware denn schon an, dass sie kontaminiert ist?”Josef Feilmeier: “Die Zertifizierungssysteme der Lebensmittelindustrie sind im Grunde nichts anderes als eine reine Zettelwirtschaft.” Foto: da Hog’n
Der Verbraucher ist gefordert: besser regional kaufen als im Supermarkt
Neu ist die Kritik jedenfalls nicht, rückte doch bereits der Dioxin-Skandal von vor zwei Jahren das QS-Siegel und die Eigenkontrolle der Lebensmittelindustrie in ein schlechtes Licht. Geändert hat sich damals wie heute aber nichts an dem Verfahren. Thelen behauptet jedoch, das sei auch gar nicht nötig, denn: Schließlich habe die Eigenkontrolle der QS-Systempartner den damaligen Dioxin-Skandal mitaufgedeckt. “Wir haben auch absolut kein Interesse daran, Unternehmen zu schützen, die gegen das QS-System verstoßen”, fährt Thelen fort. “Warum sollten wir auch? Es besteht keine Veranlassung, die 130.000 Systempartner von QS wegen ein paar unzuverlässigen Mitgliedern in Frage zu stellen.” Außerdem gebe es im QS-System ebenfalls unangekündigte Kontrollen, so Thelen. Vor allen Dingen dann, wenn es konkrete Hinweise auf Missstände gebe. “Das mit den unangemeldeten Kontrollen ist vielleicht bei den Bauern so, aber nicht bei den Herstellern”, kontert Feilmeier. „Ich weiß von Kollegen, dass dem einen oder anderen Mischfutterhersteller Prüfungsrabatte angeboten werden, wenn sich die Kontrolleure vorher terminlich ankündigen dürfen. Dann können sie nämlich besser planen. Wir müssen endlich dort kontrollieren, wo das Futter herkommt und nicht ständig die abnehmenden Kleinbauern schikanieren!”Regionales Einkaufen auf Bauernmärkten verringert Lebensmittelskandale, davon ist Josef Feilmeier überzeugt. Foto: Gabi Eder / pixelio.de