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„Regensburg - Mittelalterliche Metropole der Juden“

Ausstellung will mit falschen Vorstellungen aufräumen

Vor wenigen Wochen jährte sich zum 500. Mal die Vertreibung der Regensburger Juden und Jüdinnen von 1519. Im Gedenken an diesen widerrechtlichen Akt, der „unter aktiver Beteiligung weiter Teile der Regensburger Bevölkerung“ geschah, zeigt das Historische Museum die nächsten elf Wochen die äußerst aufwändig und detailreich gestaltete Ausstellung mit dem Titel: „Regensburg – Mittelalterliche Metropole der Juden“. Darstellt wird die „Geschichte der jüdischen Gemeinde von ihren Anfängen im 10. Jahrhundert bis in das Jahr 1519 in verschiedenen Aspekten und Facetten“.

Professorin Dr. Eva Haverkamp-Rott und Dr. des. Astrid Riedler-Pohlers sind Kuratorinnen der Ausstellung. Foto: wr

Bei der Ausstellungseröffnung am Donerstag betonten die Initiatorinnen und Kuratorinnen, Professorin Dr. Eva Haverkamp-Rott (Professorin für Mittelalterliche Jüdische Geschichte und Kultur an der Ludwig-Maximilians-Universität München) und von Dr. des. Astrid Riedler-Pohlers (Bayerischen Hauptstaatsarchiv München), dass die Ausstellung die Geschichte der Juden durchgängig als Teil der Regensburger Stadtgeschichte darstelle. Und nicht in der oftmals üblichen Zweiteilung von christlich und jüdisch, in der Juden in der Regel als gesellschaftliche Außenseiter präsentiert würden.

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Hervorragende Quellenbasis

Die Fülle der präsentierten mittelalterlichen Dokumente und Exponate ist beeindruckend. So zeigt die Schau etwa Schreiben von Rabbinern, Protokolle des Stadtrats, städtische Gerichtsurteile, Flugblätter, Auszüge von Einwohnerverzeichnissen, lateinische und deutsche Urkunden, zum Teil mit hebräischen Notizen, Rechtebestätigungen, Chroniken und religiöse Literatur in Deutsch, Latein oder Hebräisch. Eine außergewöhnlich große Anzahl von Quellengattungen in den verschiedenen Sprachen des Mittelalters – in Latein, Hebräisch, Aramäisch, Jiddisch und Deutsch – wurde für die Ausstellung herangezogen.

Feuerordnung von 1450, die Juden als Teil der Regensburger Stadtgesellschaft betrachtet. Foto: wr

Darüber hinaus können Besucher unter anderem aus dem Bestand des Historischen Museums Grabsteine, archäologische Funde und Befunde sowie Skulpturen und Bilder studieren. Die Ausstellungmacherinnen betonen, dass all die unterschiedlichen Zeugnisse eine „ebenso großen Vielfalt von Lebensbereichen und Erfahrungen“ aufzeigen und „von einem Miteinander, Nebeneinander, aber auch von Verfolgung und Vertreibung“ zeugen.

1519: Versuch, die christlich-jüdische Vergangenheit auszulöschen

Die Ausstellung beginnt zeitlich mit den Anfängen der jüdischen Gemeinde im 10.Jahrhundert und endet mit ihrer Vertreibung. Schwerpunktmäßig dargestellt werden unter anderem: das Judenviertel, international bedeutsame jüdische Gelehrte, die komplexen Rechtsverhältnisse und wirtschaftlichen Situationen, Beispiele aus dem gemeinsamen alltäglichen Leben in der Stadt und die Phasen der Verfolgung. Ausführlich dargestellt wird der sogenannte Ritualmordprozess (1476 bis 1480), mit dem der Magistrat der Stadt die Hinrichtung der führenden Mitglieder der jüdischen Gemeinde und die Vertreibung aller erreichen wollte. (Zum Umgang mit den Ritualmordbeschuldigungen, die bis heute in der Regensburger Kassianskirche präsentiert werden, hier ausführlich). Ebenso detailliert wird auf den bis 1522 laufenden „Innsbrucker Prozess“  eingegangen, der den Rechtsbruch der Vertreibung festgestellt hat.

Gotischer Werkstein aus der 1519 zerstörten Synagoge, aufgefunden 1995. Foto: wr

Ausführlich thematisiert wird beispielsweise auch die Zerstörung des Jüdischen Viertels und des Friedhofs von 1519. Die Ausstellung sieht darin, die Absicht bzw. den Versuch „nicht nur die Rückkehr der Juden zu verhindern“, sondern auch „die baulichen Hinweise auf die Präsenz der Juden“ und die christlich-jüdische Vergangenheit auszulöschen. Die jüdischen Grabsteine aus dem geschändeten Friedhof haben sich, so die Professorin Haverkamp-Rott, „die Eliten der Stadt als Zeichen ihrer Mitwirkung an der Vertreibung und ihres Triumphs in ihre Häuser einmauern“ lassen.

Die falsche Vorstellung, „dass Juden nicht Teil der Gesellschaft waren“

Neben der Vermittlung der christlich-jüdischen Stadtgeschichte verfolgen die Kuratorinnen eine gesellschaftspolitische Intention. Sie wollen der „Ausgrenzungen von Juden aus der Gesellschaft – verbunden mit verbalen und sogar physischen Attacken“, die laut Professorin Haverkamp-Rott in den letzten Jahren alltäglich geworden sei, mit ihren Ausstellungsinhalten entgegentreten. Denn: Es habe sich herausgestellt, dass diese ausgrenzenden „Verhalten auf Vorstellungen und Vorurteilen beruhen, die sich bereits im Mittelalter entwickelt“ haben. „Der Grundsatz ‚Wehret den Anfängen‘ sollte sich also nicht nur auf das Agieren in der heutigen Gesellschaft beziehen“, sondern auch „auf unser Wissen und unsere Vorstellungen von der Vergangenheit beziehen, die unser Denken und Handeln von heute prägen, leiten und legitimieren.“

Einige falsche Vorstellungen zur Rolle der Juden. Tafel aus aktueller Ausstellung. Foto: wr

Museen, Ausstellungen und Geschichtsbücher würden leider noch immer die falsche Vorstellung verbreiten, „dass Juden nicht Teil der Gesellschaft waren, dass sie am Rande standen“. Dieser falschen Vorstellung will die Ausstellung entgegenwirken. Ausgrenzung beginne „mit der Vorstellung von einer Gesellschaft, der man angehört“. Wenn diese Vorstellung die Geschichte der Juden und Christen als Einheit wahrnimmt, dann kann, so Dr. Haverkamp-Rott, „mit der Ausstellung auch Antisemitismus und Ressentiments entgegengetreten werden.“

Etwas zu kurz gegriffen

So sehr man dieser Intention auch beipflichten und Erfolg wünschen möchte, erscheint ihr Ansatz doch etwas zu kurz gegriffen. Antisemitismus und Ressentiments in christlichen Kontexten entgegenzutreten, bedarf einer radikalen Auseinandersetzung innerhalb der christlichen strukturierten Mehrheitsgesellschaft. Einer Auseinandersetzung damit, wie genuin christliche Judenfeindschaft in den rassisch begründeten Antisemitismus der völkischen und nationalsozialistischen Bewegung nahtlos überging und nach 1933 in eine Vernichtungspraxis mündete. Dergleichen steht für Regenburg noch weitestgehend aus.

Die Ausstellung läuft vom 15. März bis zum 2. Juni 2019 zu den regulären Öffnungszeiten des Historischen Museums Regensburg (Dienstag – Sonntag, 10 Uhr – 16 Uhr). Führungen durch die Ausstellung werden jeden zweiten Sonntag um 11 Uhr angeboten (24. März, 7. April, 5. Mai, 19. Mai, 2. Juni).

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Kommentare (10)

  • joey

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    Judenfeindlichkeit hat mit Logik nichts zu tun. Deshalb kommt man auch nicht mit Argumenten oder wertvollen Ausstellungen bei. Eine solche Ausstellung muß man nicht in dieser Weise begründen, sie ist für sich ganz gut.

    Die einstige christliche Judenfeindschaft sollte ruhig klargestellt werden, aber heute sind Judenfeinde eher islamisch oder aus dem paganen Neonazi Bereich wie auch aus dem linken Lager (z.B. Jeremy Corbin). Ich kenne keine Lutheraner in Regensburg, die ihren Martin da (noch) wörtlich nehmen. Daß judenfeindliche Straftaten pauschal als “rechts” registriert werden, verfälscht das Gesamtbild sehr (nein, ich behaupte nicht, daß es keinen Rechtsextremismus gibt).

    Der Ausstellung wünsche ich viele Besucher.

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  • SG

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    Auch M. Luther plädierte in seiner Schrift „Von den Juden und ihren Lügen“ 1543 für das Verbot der Religionsausübung und die Unterdrückung der jüdischen Bevölkerung. Erst im Zeitalter der Aufklärung ließ der Verfolgungsdruck nach.
    ….siehe link…
    https://www.wissen.de/lexikon/judenverfolgung

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  • Ungläubiger

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    Zu der Überschift “Etwas zu kurz gegriffen” eine Chronologie:
    Am 31.10.1517 Brief von Martin Luther an Albrecht Kardinal von Brandenburg ( Thesen von Wittenberg ) .
    Ende der 1520’er Jahre Anhänger der Reformation in Regensburg tätig.
    12.01.1519 Tod des Kaisers Maximilian I., des letzten Ritters und Schutzherrn der Juden.
    21.02. 1519 Vertreibung der Juden ( unter Mitwirkung von Albrecht Altdorfer ).
    1530 “Der ganze Judenglaube” von Aaron Margols alias Anton Margaritha erschienen ( 1492 in Regensburg geboren ).
    1543 M.L. : Vernichtung der Synagogen, Zerstörung der Privathäuser, Verbot sich frei auf Strassen zu bewegen, Zwangsarbeit . . .

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  • Ungläubiger

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    Sie haben ja völlig Recht: aber ‘en arche en ho logos kai ho logos’ bedeutet das vernünftige Wort: das hat M.L. 1543 gründlich missverstanden.

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  • Ungläubiger

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    Man muss den”Religionsstreit” wohl auch ganz nüchtern sehen: Der Kaiser Maximilian I. mit Residenz in Innsbruck stand in Streit mit Venedig und die Türkengefahr drohte, die Finanzmittel waren trotz der Augsburger Fugger am Ende. Die Wirtschaft und die Handelsbeziehungen der Regensburger Kaufleute mit Venedig – die immerhin um 1200 den fondaci dei tedesci neben der Rialtobrücke mitgegründet hatten – lagen brach. Und dann kommt die Reichsstadt R und vertreibt – nach seinem Tod – hatten es ja vorher auch schon versucht – seine Finanziers. Das von ihm 1495 gegründete Reichskammergericht – war zeitweilig sogar in Regensburg – fällte 1522 das Urteil: das war rechtswidrig. So wie die Enteignungen 500 Jahre später.

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  • Ungläubiger

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    Nachtrag: Man kann diese ganze Tragödie 1519-1919 eben auch ganz anders sehen: Glaubensvorstellungen werden vorgeschoben und nicht weiter reflektiert, die Schuld auf andere abgeladen, jenseits aller Fakten. Die Regensburger Kaufleute waren samt Bischoff einfach pleite, und dann Adolf Hitler alias Alois Hiedler ebenso.

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  • Ungläubiger

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    M.L. wollte mit dem irrationalen Ablasshandel aufräumen, damit hatte er ja Recht: in Torcello bei Venedig gibt es ein uraltes Fresco zum Höllensturz: von dem griechischen Urtext verstand er aber rein gar nichts trotz Erasmus von Rotterdam.

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  • Thik

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    @Ungläubiger

    Die Judenverfolgung hat Hitler aus finanzieller Not befreit?

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  • Ungläubiger

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    Hitler wollte eine deutsche Autarkie und lehnte die Weltwirtschaftsordnung samt Völkerbund ab – das Weltjudentum als Ursache der Wirtschaftskrise – durch die er an die Macht kam. Daher Enteignung der Juden und geplanter Eroberungskrieg (Götz Aly 2005, Raub und Rassenkrieg).
    Die Aufrüstungskosten betrugen bis zum Überfall auf Polen an die 70 Milliarden RM, das Staatsdefizit betrug 1938, also beim November-Synagogenbrand, 24 Milliarden RM, mehr als den Haushalt.
    Der Überschuldung wurde durch die Schein-Gründung der Metallurgischen Forschungsgesellschaft begegnet, die von der Reichsbank garantierte “Handelswechsel” herausgab – dabei betrieb sie gar keine Handelsgeschäfte. Amerikanische Aktien mussten verkauft werden.
    Die NS-Regierung war 1938 pleite, mit ein Grund des Überfalls auf Österreich dessen Goldbestände die des Reichs um das dreifache überstiegen.

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Kommentare sind deaktiviert

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