„Aus dieser Stadt sollen Menschen verschwinden.“
Um die Abschiebung von Flüchtlingen aus “sicheren Herkunftsländern” durchzusetzen greifen die Behörden zu juristischen Spitzfindigkeiten und Schikanen. Am Mittwoch wurde dagegen demonstriert.
„Aus dieser Stadt sollen Menschen verschwinden.“ Mit diesem Satz wurde am Mittwochabend eine Demonstration eröffnet – die Forderung: „Alle Menschen bleiben hier!“
Anlass der Aktion war eine für den Folgetag angesetzte Umverteilung von sechs Familien aus so genannten „sicheren Herkunftsländern“ in das Abschiebelager in Bamberg. Es ist bereits das zweite Mal, dass die Behörden versuchen, die Menschen im Rahmen einer größeren Aktion mit Reisebussen nach Bamberg abzutransportieren.
Bereits Anfang Dezember erhielten die betroffenen Personen einen Vollzugsbescheid über ihre „Umverteilung“. Binnen 48 Stunden sollten die Familien Regensburg verlassen haben. Faktisch blieb keine Zeit, gegen den Beschluss auf Rechtswegen mit einem Einspruch zu reagieren. Der Bescheid war allerdings formal fehlerhaft. Dass die Rechtmäßigkeit der Aktion angezweifelt würde, damit hatte man wohl nicht gerechnet. Wie berichtet, konnten die Familien sich teilweise erfolgreich gegen das Einsteigen in die Busse wehren.
Zweiter Umverteilungsversuch
Nach fast einem Monat des Wartens und der Unsicherheit erhielten einige der Betroffenen nun am Mittwoch der vergangenen Woche einen Brief vom Hausmeister des Lagers. Das neue Datum zur Abholung: 28. Januar 2016. Darüber hinaus wurde angekündigt, sämtlicher Sozialleistungen zu streichen, ebenso ein Hausverbot.
Eigentlich stand zu dem Zeitpunkt noch eine Antwort des Verwaltungsgerichts Regensburg aus. Dementsprechend löste die Nachricht Verwirrung und Panik aus. Mithilfe ihres Rechtsbeistandes versuchten die Betroffenen nun noch einmal, eine schnelle Entscheidung des Gerichtes zu erwirken. Mit Erfolg: Das Verwaltungsgericht entschied, dass eine „Umverteilung“ vorerst nicht durchgeführt werden könne. Als die Betroffenen diese Entscheidung einen Tag später dem zuständigen Hausmeister vorlegten, händigte der ihnen süffisant zwei neue Schreiben aus: Im ersten, das auf den 21. Januar 2016 datiert ist, wird das Umverteilungsvorhabens vom 30. November 2015 aufgehoben. Im zweiten, am selben Tag ausgestellten Schreiben wird eine neue „Umverteilung“ angesetzt. Damit waren alle zuvor angestellten juristischen Bemühungen gegenstandslos.
Zermürbung mit System?
Diese juristische Zerreißprobe wurde von einer beispiellosen Folge an Schikanen und Drohgebärden seitens der zuständigen Behörden begleitet: Der Eingriff in private Räume durch Polizeibeamte nach dem ersten erfolgreichen Widerstand gegen die Umverteilung, die Androhung von Einreise- und Hausverbot, der Entzug sämtlicher Sozialleistungen. Unangekündigte Abschiebungen, die trotz zuvor angemeldeter „freiwilliger Ausreise“ vollzogen wurden und bei denen die Trennung der Familienmitglieder in Kauf genommen wurde, vervollständigten dieses juristische Katz- und Mausspiel voll formaler Fehler und zurückgehaltener administrativer Beschlüsse.
Noch extremer gestaltet sich die Situation der Betroffenen im Landkreis. Sie sind weit stärker gesellschaftlicher und infrastruktureller Isolation ausgesetzt, als dies in der Stadt der Fall ist. Sie haben erschwert Zugang zu Anwältinnen und auch diesen Menschen wurden die Sozialleistungen stark gekürzt. Die Busse nach Bamberg ließen heute das Regensburger Stadtgebiet aus, für die ländlichen Gebiete dagegen wurde die geplante Aktion nicht abgesagt.
Behördliche Zuständigkeiten werden dabei verschleiert, mit immer neuen Formen wird Druck ausgeübt. Die so erzeugte Perspektivlosigkeit zermürbt die Betroffenen zusehends. Und diese Zermürbung scheint System zu haben.
Erneut gilt: aufgeschoben, nicht aufgehoben
Am Donnerstagmorgen, dem Tag, an dem die erneut angesetzte „Umverteilungsaktion“ stattfinden sollte, befinden sich die betroffenen Familien noch immer in Regensburg. Da sie erneut Rechtsmittel eingelegt haben, sagt die Regierung die „Umverteilung” kurzfristig ab. Unsicherheit und Angst aber bleiben bei den Familien. Erneut gilt: Die Umverteilung wurde nur aufgeschoben, aber nicht grundsätzlich abgewendet. Hinzu kommt die finanzielle Notlage. Einigen Betroffenen wurden die Sozialleistungen in diesem Monat nur zum Teil ausbezahlt. Es scheint, als würde nun mit allen Mitteln versucht, die Menschen ihrer Existenz in Regensburg zu berauben.
(Bitte bei den Fotos auf „Pause” klicken, um Kommentare zu lesen, ohne dass sie auf- und abrutschen.)
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Anonym
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Um was für Familien handelt es sich denn? Mit mehr Kontext ließe sich die Demonstration besser einschätzen.
Wenn die Familien aus sicheren Herkunftsländern kommen, warum werden sie dann weiter unter dem Begriff Flüchtlinge geführt? Handelt es sich vielleicht um Sinti und Roma?
“Es scheint, als würde nun mit allen Mitteln versucht, die Menschen ihrer Existenz in Regensburg zu berauben.”
Aber so würde es mir doch auch gehen, wenn ich ohne Erlaubnis als Deutscher nach Australien, Kanada oder Japan gehen würde.
Natürlich, falls die Familien schon lange hier sind und die Kinder bereits ein soziales Umfeld aufgebaut und deutsch gelernt haben kann man nicht einfach mit dem Holzhammer agieren oder gar Familien zerreißen.
Irgendwo
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Scheint wie bei der “Aggression” gegen HartzIV-Empfänger welche einen Staubsauger nicht bewilligt bekommen während es den Flüchtlingen angeblich besser geht, “bayerische staatsstrategie” – oder Oberpfälzer Strategie – zu sein, um eine Art “befreite Zone” zu erhalten.
Leute vom Bundesverfassungsschutz mal herlesen und prüfen. Danke!
Dienste anderer Länder lesen so etwas mit Sicherheit auch, und wundern sich bald in Bayern über nichts mehr.
Oleg
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Das ist eben das Problem, wenn man alle möglichen Gruppierungen in das Land lässt und dann lange Zeit prüft wer, wie, was.
Würden die Menschen ohne Anrecht auf Asyl etc. schon an der Grenze aufgehalten und nach kurzer Prüfung vor Ort wieder Heim geschickt, wäre es für alle Parteien das Beste.
bernd
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Wann fand die Demo genau statt?
Warum sind die Bilder schwarz-weiß?
Hans Dampf
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Kommentar gelöscht. Bleiben Sie sachlich.
Rosi
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Genau Oleg, wären sie erst gar nicht ins Land gekommen wären die Kinder der Familien womöglich schon tot und sie hätten keinen Stress mehr. Seperate “Balkanlager” die einzelne Gruppierungen “konzentrieren” sind ganz bestimmt für alle Beteiligten das Beste!
Kanonikus2L
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@Anonym:
“Aber so würde es mir doch auch gehen, wenn ich ohne Erlaubnis als Deutscher nach Australien, Kanada oder Japan gehen würde.”
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Sicher, wenn Sie aus dem Wohlstandsland Deutschland ohne Not, Mühe oder Verfolgung dorthingehen würden schon. Nicht aber wenn Sie auf der Flucht vor Krieg, Verfolgung und verständlicherweise auch Hungersnot wären.
Mich schockt, dass gerade in der Oberpfalz welche nach 1945 so viele Heimatvertriebene aufgenommen hatte, die hier auch seßhaft und einflußreich geworden sind, mitunter ein solches “Feindverhalten” anzutreffen ist.
Weiden – Migration: Stadt Weiden findet schnelle Lösung für Flüchtlingsfamilie: Neugeborenes muss nicht in Mehrzweckhalle – Onetz | Die Erste Eslarner Zeitung - Aus und über Eslarn, sowie die bayerisch-tschechische Region!
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Ziander
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Deutschland ist tödlich…heißt es auf einen Transparent..Warum?Weil es einige Leute abschiebt oder verlegt oder weil es Auslandseinsätze betreibt.?
Und wenn die Aussage des Transparentes richtig ist,warum kommen dann überhaupt so viele Leute hierher..in dieses tödliche Land??Ist das nicht ein Widerspruch in sich…Irgendwie sind mir diese Parolen zu platt…
Anonym
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@Kanonikus2L
Ich habe doch versucht zu differenzieren. Wenn jemand z.B. mit dem Traum vom besseren Leben aus Bosnien herkommt, warum soll er dann nicht wieder zurück müssen, solange er keiner verfolgten Minderheit angehört oder andere gute Gründe hat. Zumindest mit unserem aktuellen Gesellschafts- und Sozialsystem ist das doch gar nicht anders möglich.
Es tut mir leid, dass sie von mir geschockt sind. Ich wollte einen fairen Vergleich ziehen, weil es hier angeblich um sichere Drittländer geht, mir aber ein paar Informationen fehlen. Mir jedoch Feindverhalten vorzuwerfen finde ich unnötig und sehr plump. Ich habe eine Utopie von einer Erde ohne Staatsgrenzen und mit einer gemeinsam arbeitenden Weltbevölkerung in meinem Kopf, bis dahin ist es aber nun einmal noch ein weiter Weg.