Aus dem Redaktionstagebuch 4/18
Späte Genugtuung für die Liste Alzheimer – jene berühmte Regensburger Spaßpartei, die 1996 mit zwei Mann in den Stadtrat einzog: Bei der Diskussion um die geplante DITIB-Moschee macht die CSU aktuell Politik und Pressearbeit getreu dem Alz-Wahlspruch: „Vergessen wir, was war.“
Vielleicht haben die Stadträte, die sich aktuell medial in Positur setzen, 2016 gar nicht mitbekommen, dass schon damals der Bauplatz und ein Entwurf mit Minarett bekannt waren. Außerdem noch im Tagebuch: die Rückkehr von Jürgen Huber ins Rathaus, ein juristischer Erfolg für die Refugee Law Clinic, Semesterticket, unser Pressespiegel und etwas Alternativkultur.
Vergessliche CSU
Sicher: Man kann eine Moschee durch DITIB in Regensburg durchaus kritisch sehen. Dass aber just die Regensburger CSU sich in einer Pressemitteilung von letzter Woche neben ihrer Kritik auch völlig überrascht gibt und anschließend eine ihrer Stadträtinnen gegenüber der WELT und JU-Chef Michael Lehner gegenüber dem Wochenblatt kritisieren, dass die Bevölkerung nicht mehr eingebunden wurde und es im Vorfeld keine Informationen gegeben habe, kann allenfalls witzig gemeint sein.
Bereits vor knapp zwei Jahren war bekannt, an welchem Standort DITIB seine Moschee bauen will. Auch ein erster Entwurf – mit Minarett – wurde damals veröffentlicht.
Das hätten sowohl die CSU als auch die empörungsgeile AfD, als auch die Beteiligten an der SPAM-Flut gegen die SPD-Stadtratsfraktion Anfang der Woche bereits damals zur Kenntnis nehmen können. Tatsächlich hätten insbesondere Stadträte eine Diskussion anstoßen können, wenn sie sich eine solche denn gewünscht hätten. Debatte damals: null. Heute: “Obacht. Schlimm. Weltuntergang.” Manche Parteien und Funktionäre scheinen es mit der legendären Liste Alzheimer zu halten: „Vergessen wir, was war.“
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Erfolg für Refugee Law Clinic
Das Verwaltungsgericht München hat in drei Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz sechs Kindern, die im Transitzentrum Manching/ Ingolstadt untergebracht sind, das Recht zugesprochen vorläufig eine Regelschule zu besuchen. Die betroffenen Kinder hatten bereits teilweise am regulären Unterricht teilgenommen, wurden dann aber mit ihren Eltern in das Transitzentrum verlegt, wo sie in eine Übergangsklasse für Schüler mit geringen Deutschkenntnissen kamen.
Die Kinder lebten allerdings bereits seit 2013 beziehungsweise 2014 in Deutschland, hatten hier die Regelschule besucht und verfügten über ausreichende Deutschkenntnisse, um dem Unterricht zu folgen, so das Verwaltungsgericht. Ebenfalls stellte das Gericht fest, dass die Familien der Kinder angesichts ihres mehrjährigen Aufenthalts in Deutschland nicht verpflichtet seien, im Transitzentrum zu leben. Das Urteil ist eine Ohrfeige für die Regierung, die den Besuch an der Regelschule zunächst verhindern wollte. Mittlerweile hat man das Urteil akzeptiert.
Auch ein Team der Refugee Law Clinic Regensburg war an dem juristischen Erfolg beteiligt. In Kooperation mit Rechtsanwalt Hubert Heinhold nahmen die (angehenden) Juristen vor allem zu verfassungs- und europarechtlichen Fragen Stellung.
Derzeit dürfte es eine Vielzahl von Kindern geben, die in Transitzentren beschult werden, aber nach dem Beschluss des Verwaltungsgerichts ebenfalls Anspruch auf eine Regelbeschulung hätten. Betroffen sind vor allem jene, die sich bereits länger in Deutschland aufhalten. Es könnte als durchaus noch weitere Klagen zu dem Thema geben. Zum einen von Kindern die eine Regelschule besuchen wollen und deren Kenntnisse hierfür ausreichen. Zum anderen aber auch aufgrund der Unterkunftssituation selbst. Asylbewerber, die rechtlich nicht verpflichtet sind, in einem Transitzentrum zu wohnen, könnten sich hiergegen wehren.
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Jürgen Huber ist wieder da
Mal eine gute Nachricht: Nach einem guten halben Jahr Ausfall wegen schwerer Krankheit kehrt Bürgermeister Jürgen Huber kommende Wochen wieder zurück ins Regensburger Rathaus. Für Donnerstag kommende Woche lädt er zusammen mit dem Betriebsleiter der Regensburger Verkehrsbetriebe zur Pressekonferenz, um – wie es in der Einladung heißt – „die beabsichtigten Vorhaben bis zum Ende der Amtsperiode 2020“ vorzustellen.
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Tanz dich frei…
Wer hätte gedacht, dass es in einer Kirche so hoch hergehen kann. Doch in der evangelischen Pfarrkirche Maria Magdalena in Burgweinting konnte man kürzlich einige Dutzend zunehmend begeisterter bis wilder Tänzerinnen und Tänzer beobachten, die eine „Tanz-Welle“ veranstalteten. Elfriede Selina lädt bereits seit geraumer Zeit unter dem Motto „Tanz Dich frei“ zu einer „Wave“ ein. Zwei Stunden dauert dieser Tanz, bei dem man überhaupt nichts können oder müssen muss, sondern sich einfach auf den wechselnden Rhythmus der Musik einlassen kann. Erstmal recht langsam zum An- und Runterkommen, dann geht es zügig Richtung staccato zum zielgerichteten, kraftvollen Tanzen und schließlich – chaotisch – mit viel Trommelmusik zum Schütteln und herum Springen. Gegen Ende wird die Musik schließlich wieder langsamer, auch Lieder mit Tiefgang-Texten werden gespielt.
In Regensburg gibt es seit langem diese sogenannte „Wave-Szene“, angelehnt an die Fünf-Rhythmen-Tanzlehre nach Gabrielle Roth, der Gründerin dieser Tanzbewegung. Wussten wir nicht und weisen an dieser Stelle gerne darauf hin. Mehr Infos und Termine zum Freitanzen gibt es bei Elfriede Selina (elfriede.selina999@gmx.de) und bei einem weiteren Angebot (im Mehrgenerationenhaus) von Rudi (stois1@web.de).
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Semesterticket: Neue Preisverhandlungen, neuer Ärger?
92,50 Euro – so viel kostet aktuell das Semesterticket für Studis in Regensburg für das das gesamte Einzugsgebiet des RVV. Ein Soli-Modell, dass für viele ein Segen, für manche überteuert sein mag. Insofern ist der Preis immer ein Streitthema. Vor gut fünf Jahren zogen Jusos und CSU angesichts der Preisverhandlungen gar den Kommunalwahlkampf vor und befeuerten einander mit Pressemitteilungen. An der Uni selbst wiederum gab es schwere Verwerfungen innerhalb des linken Lagers – Jusos versus Bunte Liste – ob der Beibehaltung des Solidarmodells. Und beim RVV schließlich konnte man den Eindruck gewinnen, dass der Erhalt des Semestertickets allenfalls halbherzig betrieben wurde.
Heuer wird nun wieder neu über den Preis verhandelt und erneut dräut Ungemach. Angesichts einer nunmehr „liberal-konservativen“ Studivertretung aus RCDS und LHG befürchtet die Bunte Liste eine allzu leichtfertige Zustimmung zu neuerlichen Preiserhöhungen. Verhandeln dürfen die Studis selbst ohnehin nicht – in Ermangelung einer Verfassten Studierendenschaft. Auskarteln mit dem RVV muss das Ganze das Studentenwerk Niederbayern/ Oberpfalz. Keine sehr dankbare Aufgabe – 2012/ 13 bezog die Geschäftsführerin von beiden Seiten Prügel – und rettete das Semesterticket schließlich souverän per Urabstimmung.
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Neu im Pressespiegel
Der Bayerische Rundfunk hat – nachdem es andere regionale Medien wohl übersehen haben – vergangene Woche unsere Berichterstattung zu den Schulden des Veranstalters Peter Kittel beim Helferverein des THW aufgegriffen. Wie berichtet, ging es dabei um über 11.000 Euro. Kittel zahlte nach den Berichten per Eilüberweisung diese und noch weitere offene Forderungen und erklärte „die Angelegenheit“ in einer „Presseerklärung“, die nicht verschickt, sondern lediglich zur Beruhigung aufgebrachter Facebook-Gemüter verlinkt wurde, für „erledigt“. Der Helferverein allerdings wartete am Montag allerdings nach wie vor auf die Bezahlung seiner außergerichtlichen Kosten. Hier geht es zu unserem Pressespiegel.
Norbert Urban
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Gibt’s da ne Haltestelle?
Dieter
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Liste Alz und Kittel – passt ja irgendwie zusammen. Stichwort: Truthahnessen.
Was ist eigentlich an dem Gerücht dran, dass Kittel damals die Liste Alz mit aus der Taufe gehoben hat?
eingeborener
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TANZ DICH FREI ! finde ich supergut zum Austanzen oder gemeinsam tanzen , und das ganz ohne die üblichen Zutaten der Discokultur wie ohrenbetäubender Lärm und Alk und blöde Anmache. Elfriede Selina ist übrigens neuerdings in der Alten Mälzerei im Theatersaal.
Regensburger
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Dreimal oder sogar viermal mussten die Bürger über den Bau von Kultur und – Kongresszentrum entscheiden. Warum nicht auch diesmal sollten die Regensburger über den Bau eine Moschee entscheiden? Bau einer Moschee hat mit der „Integration nichts zu tun“ . Zwei Tausend Jahren haben wir in Regensburg ohne Mosche und Islam im Frieden gelebt. „ALZ“ hat Recht, schon vor Zwei Jahren waren in der Zeitung flüchtigen Berichte über Baue eine Moschee, aber auch schon damals haben die Bürger mit ihren Leserbriefen gegen den Bau, protestiert. „Wie ich mich erinnere“
Joachim Datko
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Mich stört am Semesterticket, dass alle Studenten damit finanziell belastet werden. Viele Studenten fahren nicht mit dem Bus. Ich kenne z. B. einige studentische Radfahrer, die bei jedem Wetter mit dem Fahrrad unterwegs sind.
blauäugig
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Wem das Regensburger Semesterticket zu teuer ist, der sollte konkrete Alternativen benennen, welche nicht zu höheren Defiziten beim RVV führen. So viel Solidarität erwarte ich von den Studierenden den anderen Fahrgästen des RVV (darunter auch Schüler und Auszubildende, welche wesentlich höhere Ticketpreise selbst bezahlen müssen) und den Steuerzahlern aus der Region gegenüber. Wenn es daran scheitert, bin ich für die Abschaffung des Semestertickets, die Studierenden, welche Bus fahren, können ja dann auch die Tickets des Vorzugstarifs für Schüler und Auszubildende kaufen.
Ein Kompromissmodell wie in München für einen niedrigeren Solidarbeitrag (Solidarbeitrag zahlen alle Studierenden, fahren dürfen diese nur zwischen 18 Uhr und 6 Uhr, für die Fahrt zur Vorlesung braucht man zusätzlich eine IsarCard Semester) stellt wohl niemanden zufrieden.
Mr. T.
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Dass Regensburger sich hier vor künftigen Moscheen und den damit verbundenen Zuständen fürchtet, sagt viel aus. Vielleicht sollte ihm mal wer dagen, dass es bereits Moscheen hier gibt, ohne dass das Abendland untergegangen ist. Die aktuell diskutierte Ditib-Moschee ist auch nur ein Ersatz für die alte. Ändert sich also nicht viel. Wenn er auch mal mehr als nur die Überschriften gelesen hätte, wüsste er auch, dass ein Bürgerentscheid unsinnig ist, weil es nicht mal eine Genehmigung braucht.
Lothgaßler
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@Regensburger zu Moscheebau:
Ich bin entsetzt! Als eingefleischter Atheist brauch ich keinerlei Räume um zu beten oder mir Predigten anzuhören, das trifft für alle Religionsgemeinschaften zu, incl. “Fliegendes Spaghettimonster”.
Dennoch: Weil wir in unserer Verfassung die Religionsfreiheit verankert haben, darf es auch die freie Religionsausübung geben, und dazu gehört die Versammlung samt Gebeten und Predigten. Also ja, die Muslime dürfen auch Moscheen bauen, solche die ihnen gefallen und mit üblichen baulichen Attributen.
Nicht zur freien Religionsausübung gehören Kinderschändung, Teufelsaustreibung, Hexenverbrennung, Steinigung, Scharia-Recht und deer Aufruf Andersgläubige zu verfolgen und zu ermorden.
Damit hätten wir eine Grundlage, die Gläubige jeglicher Richtung mit Nichtgläubigen friedlich zusammen leben lässt. Gefällt Ihnen das nicht?
Markus Frowein
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@Lothgaßler (9. Februar 2018 um 11:36)
Sie können doch dem “Regensburger” nicht einfach so die Grundlage für seine oft
hart an der strafrechtlichen Relevanz vorbeischrammenden Hetztiraden nehmen. ;-)
Thik
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“Zwei Tausend Jahren haben wir in Regensburg ohne Mosche und Islam im Frieden gelebt.”
Ich musste auch erst nachsehen. Den Ort schreibt man Germelshausen.
Rosalia Genoveva
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Die neuen Parteien mit die Neuen Namen mit drei Buchstaben haben alle Erfolg ghabt.
Müssen sich halt die alten Großparteien umbenennen.
Ich hätt schon einen Namen, der was zu ihnen passen könnt:
“Pst!”
Bau einer Moschee in Regensburg? Pst!
Verkehrskonzepte? Pst!
Sozialwohnungen? Pst!
Bürgerfreundliche Stadt? Pst!
Kuscheln mit DITIB » Regensburg Digital
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[…] Trotzdem heuchelte die Regensburger CSU jüngst Unwissenheit, agitiert gegen den Moscheebau und hechelt damit der AfD hinterher, die ihrerseits keine Gelegenheit auslässt, um die Islamisierung Deutschlands herbeizufantasieren und in der geplanten DITIB-Moschee faktenwidrig eine Stadtbildveränderung sieht. Die CSU geht der AfD auf den Leim. […]