Aufbruch in die katholische Tradition
Ausstellungen in historischen Museen sind Ausdruck und Mittel gesellschaftlicher Auseinandersetzungen gleichermaßen. Sie zeigen, welche geschichtlichen Themen die Macher und Leiter der Museen für relevant halten. Die inhaltliche Ausrichtung gibt Auskunft darüber, welchen Standpunkt Ausstellungsmacher einnehmen, nahe legen – oder schlicht nicht thematisieren wollen.
„Unerträgliche Kreatürlichkeit. Leid und Tod Christi in der spätmittelalterlichen Kunst“ lautet der Titel der Ausstellung, die derzeit noch im Regensburger Historischen Museum zu sehen ist. Ein durchaus spannendes Thema. Könnte man sich doch mit Fragen beschäftigen, die das Christentum seit jeher beschäftigt und gespalten haben. Von welcher Natur war Jesus, war er Mensch, Gott, Gottmensch? Was wird bzw. kann in den Bildern dargestellt werden: das Sterbliche oder das Göttliche – Zeichen oder Bezeichnetes? In Regensburg ist davon nichts zu spüren. Vieles wird hier nur vereinfacht und wenig komplex auf einen konservativ-katholischen Standpunkt reduziert.
Die Feinde Christi tragen auf den – meist sehenswerten – Exponaten neben römischer Uniform oftmals hässliche Fratzen – die der „jüdischen Gottesmörder“. Problematisiert werden diese Stereotype in der Ausstellung des Kurators Stavros Vlachos nicht.
Dass es auch anders gehen kann, zeigt eine aktuelle Ausstellung in der Zitadelle von Berlin/Spandau. Anlässlich des 500. Jahrestages der Verurteilung und Ermordung von 41 Juden in Berlin beschäftigt sich diese Ausstellung indirekt auch mit Regensburg. Der geschichtliche Hintergrund dieses Schauprozesses war ein mutmaßlicher Diebstahl in der Kirche des havelländischen Dorfes Knoblauch. „Ein christlicher Kesselflicker hatte dort zwei geweihte Hostien entwendet. Später erklärte er unter Folter, er habe eine der Hostien aus Hunger gegessen, die andere an den Spandauer Juden Salomon verkauft. Letztlich wurden insgesamt 51 Juden beschuldigt, die Hostie gemeinsam geschändet zu haben. 41 von ihnen wurden hingerichtet. Die anderen zehn seien möglicherweise bereits während der Folter gestorben“, vermutet die Ausstellungsmacherin und Museumsleitern Andrea Theissen.
In der Folge der Beschuldigungen, die auch auf „Ritualmord“ ausgedehnt wurden, mussten alle märkischen Juden auf Weisung des Kurfürsten Joachim I. unter Zurücklassung ihres Vermögens das Land verlassen.
„Der Hostiendieb aber widerrief seine Anschuldigung gegen Salomon später in der Beichte. Dies führte letztlich dazu, dass Kurfürst Joachim II. 1539 öffentlich einräumte, sein Vater habe ein Fehlurteil gefällt.“ Eine Ausnahme in der Geschichte der Prozesse wegen Blutbeschuldigungen.
In einer gelungenen Darstellung werden die spätmittelalterlichen Hintergründe – die christliche Judenfeindschaft, christlich-jüdische Arbeitsteilung und Sonderbestimmungen für Juden – erläutert. Explizit wird auf die wichtige Rolle der damals aufkommenden Drucktechnik thematisiert. Bereits kurz nach dem Prozess tauchten judenfeindliche Flugblätter auf, die weitere Verfolgungsmaßnahme forderten.
Der Schauprozess von 1510 endete mit Todesurteilen, die auf dem heutigen Strausberger Platz in Berlin vollstreckt wurden. In einer Gedenkveranstaltung erinnerte der Berliner Kulturstaatsminister André Schmitz am 500. Jahrestag an die Verkündung der Urteile vom 19. Juli 1510.
Zwei der Spandauer Exponate, die dort nur beispielhaft gezeigt werden, gehörten zuvorderst in eine Regensburger Ausstellung. Zum einen ein Hetzflugblatt (von ca. 1480), das vermutlich den prominenten Regensburger Juden Jössel darstellen soll (Foto). Der darin mit einem „Judenring“ gekennzeichneten Person werden allerlei antijüdische Stereotype in den Mund gelegt, wie das Essen von Christenkindern. Jössel war einer der Beschuldigung des zerstörerischen Ritualmordprozesses von 1476-1480 in Regensburg. Das antijüdische Motiv, ein Jude mit Geldsack vor dem „goldenen Kalb“, wurde nach der noch erhaltenen Figurengruppe am Nordturm des Doms gestaltet.
Das zweite Ausstellungsstück, das auch nach Regensburg gehören würde, ist der Titel der NS-Zeitschrift DER STÜRMER vom Mai 1939, der als Beispiel für die ungebrochene Rezeption der Anwürfe steht. Darauf werden die Regensburger Beschuldigungen mit einem Stich aus der „Bavaria Sacnta“ (1627) erneut vorgetragen.
In Regensburg gab es im Historischen Museum bislang keinerlei kritische Auseinandersetzung mit antisemitischen Ritualmordbeschuldigungen. Im Gegenteil: Der Archivleiter Heinrich Wanderwitz kolportierte sie vollkommen unkritisch. In einem Aufsatz von 1992 macht er sich die Position der Folterer von 1476 zu eigen (siehe die städtische Publikation „450 Jahre evangelische Kirche in Regensburg“, 1992, S. 33f.).
Die nächste Ausstellung am Dachauplatz ist dem Buchmaler Berthold Furtmeyr gewidmet. Höhepunkt des kulturellen Jahresthemas 2010 unter der Überschrift „Aufbruch“. Laut Kulturreferent Klemens Unger, der die Schau protegiert, war Furtmeyr ein begnadeter Lehrer des Künstlers Albrecht Altdorfers, der in diesem Zusammenhang auch gewürdigt werden soll. Altdorfer war als Ratsherr und Vertreibungsgewinnler ein herausragender judenfeindlicher Akteur bei der Ausweisung der Regensburger Juden im Jahr 1519. Auch er gefiel sich in der Schaffung von „hässlichen Juden“, deren Nasen er in Hakenform ausmalte, wie etwa ein Flügelaltar im Linzer Stift St. Florian (1518) eindrücklich belegt.
Peter
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Der “Artikel” klingt doch sehr danach, der Kirche und der Stadt was am Zeug flicken zu wollen.
Die Ausstellung hat halt das Thema “Leid und Tod Christi in der spätmittelalterlichen Kunst” .
Die monströse Darstellung der Folterknechte wird in der Ausstellung sehr wohl thematisiert.
Der Vergleich mit Spandau ist wie der Klassiker mit Äpfeln und Birnen.
Und die Ankündigung der Ausstellung über Berthold Furtmeyr schon damit ins schlechte Licht zu rücken, dass ein Schüler desselben Antisemit war, lässt ja auf eine objektive Berichterstattung hoffen!
Journalismus geht anders, Leute!
URURURURURURURURU
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Ohne Historie sind wir Multikulti!
Es geht glaube ich dem Kulturreferat (=Stadtmarketing) nur darum die Disnifizierung unserer immer provinzieller werdenden Altstadt mit einem bisserl historischer “Authentizität” zu unterfüttern.
Regensburg über alles!
Johann Baptist Müller
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In der Furtmeyr-Ausstellung, lt. Unger das „Regensburger Kulturereignis des Jahres“, soll auch Albrecht Altdorfer mit seinen Werken zum Zuge kommen. U.a. wurde die „Schönen Maria“, ein Bild aus dem Regensburger Stift St. Johann, angekündigt.
Dieses Gemälde gilt bei vielen (jedoch nicht bei den Kanonikern aus der ALTEN KAPELLE, die haben ihre eigenen!) als DAS „wundertätige Gnadenbild“ der judenfeindlichen Wallfahrt nach der Vertreibung von 1519.
Die „Schöne Maria“ wurde 1938 in München, der Hauptstadt der NS-Bewegung, auf der „Altdorfer Ausstellung“ als die kürzlich (wieder)entdeckte Sensation gezeigt. Im damaligen Katalog verbreitete man nebenbei die antisemitische Vertreibungslegende vom „Grauwinkel“, welche die Juden zu Marien(bild)-Frevlern erklärte. U.a. so versucht(e) man die Vertreibung zu rechtfertigen.
Der Nazi-Historiker Wilhelm Grau, dessen Pseudo-Entnazifizierung der Archivleiter Wanderwitz mit der Herausgabe von „Regensburger Hochfinanz“, (K. Fischer, 2003), versuchte, war von der Altdorfer-Schau 1938 so begeistert, dass er sein Machwerk für die zweite Auflage 1939 neubearbeitete und Altdorfers Bilder abdruckte.
Grau über Altdorfers Kunst:
„In der altdeutschen Kunst finden wir bei Darstellungen von Szenen aus dem Leben Christi nur selten Spuren der mittelalterlichen Auffassung von den Juden als den Mördern Gottes – das Böse ist dargestellt allein im Bereich des gemein Menschlichen und Charakterlichen. Auf den Tafeln dieses antisemitischen Jahres aber schlägt Altdorfer den Ton an: hie Christus und die Seinen, hell rassisch von unserer Art. Dort der Gegner dieser Welt des Guten und Lichten, in Dunkel getaucht und rassisch von der anderen Art. Vielen Gestalten dieser anderen Art hat Altdorfer die Fratze von Juden des Regensburger Ghettos gegeben.“ (Grau, Antisemitismus im späten Mittelalter, 1939, S. 203)
Man darf gespannt sein, ob und ggf. wie die Macher der Furtmeyr-Schau die mittelalterliche Judenfeindschaft ihres Künstlers bzw. den spezifisch-regensburgerischen Umgang damit thematisieren werden.
Vielleicht führt sogar Wanderwitz durch die Schau?
Johann Baptist Müller
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Altdorfer ein Judenfeind?
Im Katalog der letzten großen Altdorfer Ausstellung (Berlin u. Regensburg 1988) spekuliert Hans Milke (der Herausgeber) über eine „gewisse Sympathie“ und „wohlwollendes Interesse“ Altdorfers an den im Jahre 1519 vertriebenen Regensburger Juden.
Um dies tun zu können, musste er u.a. die Bildüberschrift auf dem berühmten Stich von der bereits leergeräumten Synagoge als „törichte Tagesmeinung“ abtun: Altdorfer Überschrift lautet:
„im Jahr des Herrn 1519 wurde die jüdische Synagoge durch das gerechte Gerichtsurteil Gottes dem Erdboden gleichgemacht“.
Altdorfer hat als Ratsherr die Vertreibung mit getragenund daraus als Künstler vielfach Profit geschlagen: er gestaltete die Ablassbulle, verkaufte Wallfahrtszeichen, verdiente an tausendfach gedruckten Farbholzschnitten der „Schönen Maria“. Er hatte anscheinend das städtische Monopol für die Bildpropaganda des Wallfahrtskults.
Auch wenn man den „begnadeten“ Künstler nicht darauf reduzieren kann, war er doch ein Synagogen- und Judenfriedhofs-Schänder, der sich an all dem bereicherte.
@Peter,
ja die monströsen Folterknechte werden in der o.g. Ausstellung schon erwähnt, die judenfeindliche Stereotype aber nicht thematisiert – das ist doch der springende Punkt. Sie stellen bloß nebulose Behauptungen ohne Substanz auf, die anscheinend ablenken sollen!?
gifthaferl
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“@Peter
Sie stellen bloß nebulose Behauptungen ohne Substanz auf, die anscheinend ablenken sollen!?”
Johann Baptist Müller
Aber nein, wovon denn nur?
Man kann ja nicht ausschließen heutzutage, dass der Peter glaubt, dass erstmalig die Nazis den Antisemitismus erfunden haben – und vorher gab es sowas im Leben niemals nie nicht.
Christen Antisemiten, seit jeher? Nee. oder?
Wo doch neuerdings und urplötzlich gar die “deutsche Leitkultur” von “christlich-jüdischer Tradition” geprägt sein soll – immer schon.
Besonders ja von der Tradition von Pogromen gegen Juden, Vertreibungen, Enteignungen ………… bis dann zur Massenvernichtung.
Bei der Stadt Regensburg ist die neue Leitlinie zur aktuellen „Leitkultur“ halt nicht angekommen.
Tja!
Peter
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Eijeijei,
es gibt einfach noch andere Kriterien, nach denen eine Ausstellung zu beurteilen ist, als: ob dem Thema Antisemitismus auch genügend Raum gegeben wird.
Der Vergleich der beiden Ausstellungen ist in dieser Form unsinnig.
Das mir hier historisches Unwissen unterstellt wird, fällt eher auf den Leserbriefschreiber als ziemlich mieser Stil zurück, aber bei dem Nickname ist Nomen ja wohl Programm.
Weber
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Feige sind BM Weber, Zeitungen und Eltern, die statt für eine Verfassungsänderung hin zu einem Gottesstaat gegen einen einzelnen Mitbürger kämpfen.
Das Kreuzurteil unseres Verfassungsgerichts zur Religionsfreiheit in Schulen ist eindeutig: Hier gilt Minderheitenschutz. Tolerant muss die Elternmehrheit sein.
Des Bürgermeisters Hetze gegen den Bürger, der dieses Recht wahrnimmt und im Klassenraum seines Kindes kein Kreuz sehen möchte, ist verfassungsfeindlich.
gifthaferl
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@ Peter
Genügend oder kein Raum in Bezug auf Antisemitismus in der didaktischen Aufbereitung einer Ausstellung wäre dann auch noch ein kleiner aber ziemlich feiner Unterschied.
Nach welchen Kriterien andere als Sie eine/diese Ausstellung beurteilen, das werden Sie dann schon den jeweiligen anderen überlassen müssen, seien es Journalisten oder wer immer.
Oder wer verleiht Ihnen Hoheitsrechte zur Erstellung von diesbezüglichen Vorschriften?
Übrigens, ich habe Ihnen nicht historisches Unwissen unterstellt, sondern das nur nicht ausgeschlossen.
Freilich gibt es da noch ganz andere Gründe, nicht zu wünschen dass das Thema Antisemitismus, sowie Rassismus und Sexismus und Christentum nicht “breitgetreten” wird.
Unwissen war noch die freundlichste Annahme meinerseits.
Peter
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ach, ach, Gifti
Hoheitsrechte…. Sexismus .. Rassismus.. Gehts auch ein bischen kleiner?
Was ist denn Ihre Vorstellung der Funktion eines Leserbriefes oder Kommentares, wenn nicht eine andere Einschätzung als die des Journalisten kundzutun?
Selber rumgifteln und keine andere Meinung als die eigene zu akzeptieren, scheint ihr Prinzip zu sein.
Oder sind Sie gar der namenlose Autor selbst, der als Anonymus jede Kritik an seiner Kritik niederwalzt?
gifthaferl
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“keine andere Meinung als die eigene zu akzeptieren, scheint ihr Prinzip zu sein.”
Nee, das ist Ihr Prinzip.
“Journalismus geht anders, Leute!”
Peter
12. November 2010 um 12:56 Uhr
Da geht es nicht um die Meinung, die jemand hat, sondern um die berufliche Qualifikation, die sie abwerten wollen.
Ein guter Journalist kann demnach nur exakt die gleiche Meinung wie sie haben, haha.
Diese Art Diffamierung von Leuten mit anderer Meinung ist weder neu, noch sonderlich intelligent, da ins Auge springend.
Und dann sollte ich noch der “namenlose Autor” selbst sein, weil ich ihre Meinung ebenfalls nicht teile, denn ein Kommentar oder Leserbrief kann nur gegen die Einschätzung des Autors/Journalisten gerichtet sein?
Ojojojojjjiiii
Ich bin kein Glaubensbruder von Ihnen, das ist es was ich bin, da können sie Gift drauf nehmen, und ich verabscheue Geschichtsklitterung insbesondere die seit 2000 Jahren praktizierte “im Namen des Herrn”, mein “Herr”!
Peter
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Jetzt wird´s albern, Gifthaferl, jetzt wissen´s schon wes Glaubens ich bin.
Der Artikel ist handwerklich schlecht, es geht hier gar nicht um Meinung.