Auf Diebestour zwischen Cham und Regensburg
Ein Spur durch ganz Ostbayern zog ein 38-Jähriger bei diversen Raubzügen zwischen 2017 und 2018. Am Donnerstag standen er und seine damalige Partnerin vor dem Landgericht Regensburg.
„Danke, dass Sie gekommen sind“, sagt Richter Fritz Kammerer zu Eva K. Dass eine Angeklagte zu ihrem Verhandlungstermin vor dem Landgericht Regensburg erscheint, das ist normalerweise nichts Ungewöhnliches. Im Fall der 36-jährigen Frau aus dem tschechischen Pilsen aber ist es dem Richter diesen Donnerstag am Ende eines langes Verhandlungstages doch eine lobende Erwähnung wert. Denn die Frau konnte nicht ordnungsgemäß geladen werden. Dennoch ist sie gekommen. Um reinen Tisch machen zu machen, wie sie sagt.
Festnahme im Februar 2018
Die Mutter eines dreijährigen Sohnes wurde zusammen mit Juraj S. am 7. Februar 2018 von der Polizei festgenommen, als sie gerade auf Beutezug Richtung Ostbayern aufbrechen wollten. Den weißen Fiat Punto, der auf die führerscheinlose Frau angemeldet war, hatte ein älterer Mann drei Tage zuvor schon in Neukirchen beim Heiligen Blut (Lkr. Cham) gesehen.
Wohl eher zufällig schaute der Zeuge am 4. Februar 2018 aus seinem Fenster, als der Fiat vor dem Schuppen eines Nachbarn anhielt. Über das Autodach kletterte ein Mann durch ein kleines Fenster in den Schuppen. Der Beobachter verständigte sofort den Nachbarn und notierte sich das Kennzeichen. Diesmal sollten die Diebe noch entkommen und die aus dem Schuppen gestohlene Tischkreissäge an diesem Abend nicht das einzige Diebesgut sein, das Juraj S. entwendete.
Vom Herrenrad bis zum Winkelschleifer
Insgesamt vier Stationen machte der Fiat in Neukirchen. Später konnten Ermittler auch anhand des Navis die Strecke rekonstruieren. Neben der Tischkreissäge für 150 Euro, landeten ein Satz Autoreifen, zwei Ferngläser und ein Leatherman (Gesamtwert 3.500 Euro) im Fiat sowie Werkzeugmaschinen für rund 3.600 Euro.
Zwischen Mai 2017 und dem 6. Februar 2018 soll der Angeklagte 26 Fälle des schweren Diebstahls begangen haben. Gesamtwert laut Anklage: 73.966 Euro. Von einem Herrenrad für 200 Euro in Regensburg, Stichsägen und Winkelschleifer aus einer Garage in Kareth, über einen Computer für 1.800 Euro aus einem Büro in Cham, bis hin zu mehrere tausend Euro teure Motorräder. Juraj S., so liest sich die Anklage, nahm mit was ihm in die Finger fiel.
Im Oktober 2017 waren das in einem Rodinger Motorradgeschäft auch eine Registrierkasse, ein Helm sowie Motorradbekleidung. Gesamtwert hier 4.612 Euro. Anfang 2018 dann stand ein Möbelhaus auf dem Plan. Wandleuchte, Dunstabzug und Kupferkabel, Matratzen und Regale für zusammen 1.000 Euro weckten das Interesse des Angeklagten. Bei einem seiner Raubzüge durch Ostbayern hatte er zudem eine Kreditkarte entwendet und damit unter anderem in Deggendorf mehrfach Geld, insgesamt 4.890 Euro, abgehoben.
Partnerin stand unter psychischem Druck
Eva K. war zu der Zeit die Partnerin des 38-jährigen gebürtigen Slowaken. Hatte neben dem Autovertrag auch eine Garage in Pilsen auf sich laufen lassen. „Er hatte keinen Pass“, erklärt die junge Frau der 7. Strafkammer. Dass ihr damaliger Partner immer wieder nach Ostbayern aufgebrochen sei habe sie gewusst, auch dass das Diebesgut teilweise in der Garage zwischengelagert worden sei, ehe es zu Geld gemacht wurde. Mitgefahren seien aber immer irgendwelche andere Personen. Jedenfalls bis zum 4. Februar. Eva K. erzählt von psychischem Druck und dass sie der Angeklagte immer wieder geschlagen habe. Dass sie zwar vor der Beziehung schon mal mit Drogen experimentiert habe. „Erst mit ihm habe ich dann aber regelmäßig konsumiert.“
Am 4. Februar habe sie auch aus Angst zugestimmt, mit nach Neukirchen zu fahren. Am Donnerstag steht sie wegen der Beihilfe zu schwerem Diebstahl vor Gericht. 16 Fälle wirft Oberstaatsanwalt Denis Biermann Eva K. vor. Nach einem längeren Rechtsgespräch beschränkt die Kammer dann aber bei beiden einen Teil der Fälle weg. Vor allem, weil nach mittlerweile vier Jahren die Beweisführung nicht mehr ganz einfach wäre. Und weil beide in ihren Geständnissen auch viele Erinnerungslücken geltend machen. Dass das Verfahren erst jetzt vor Gericht landete, das hängt auch mit den umfangreichen Ermittlungen zusammen.
Bis zu 300 Fälle von Diebstahl
Im verhandelten Tatzeitraum kam es zu einer Vielzahl von Diebstählen in Ostbayern. Die nach der Festnahme von K. und S. am 7. Februar 2018 eingesetzte Ermittlungsgruppe der Kripo Regensburg hatte zeitweise fast 300 Fälle auf dem Tisch liegen. Die habe man nach und nach auf eine mögliche Täterschaft von Juraj S. hin untersuchen müssen, heißt es am Donnerstag. Elf weitere Personen standen im Verdacht, Komplizen zu sein. Der Vorwurf einer Diebesbande rund um den Angeklagten hatte sich aber letztlich nicht erhärtet. Die anderen Ermittlungen wurden zum Teil eingestellt. Mehrere Verdächtige sollen laut dem Richter in Tschechien mittlerweile aber wegen ähnlicher Delikte einsitzen.
Auch Juraj S. saß zuletzt in Österreich eine Haftstrafe ab, wurde erst vor kurzem nach Deutschland ausgeliefert. Auch das habe das Verfahren für die Frau noch einmal verlängert, merkt Biermann an. Am Donnerstag wird ihr Verfahren schließlich abgekoppelt. Sie hatte schon nach der Festnahme wichtige Informationen geliefert. Mittlerweile ist sie laut eigener Aussage drogenfrei, lebt in einer neuen, stabilen Beziehung. Die Verhaftung sei ein „Befreiungsschlag“ gewesen, sagt sie. Am Ende des Tages verhängt die Kammer gegen sie eine neunmonatige Haftstrafe, ausgesetzt zur Bewährung, wegen der Beihilfe zum Diebstahl in vier Fällen.
Gutachterin muss Unterbringung prüfen
Juraj S., der nach der Mittagspause von Richter Kammerer entlassen wird, muss Mitte Juni wieder vor Gericht erscheinen. Dann wird gegen ihn als Hauptangeklagten weiter verhandelt. Viel passieren wird dann aber nicht mehr. Auch er gesteht, soweit er sich noch erinnert, die vorgeworfenen Taten. Der gelernte Elektriker habe damals über die Einbrüche und Diebstähle seinen Lebensunterhalt und vor allem seine Drogensucht finanzieren wollen. Am nächsten Verhandlungstag soll deshalb eine psychiatrische Gutachterin feststellen, ob der Mann die Voraussetzungen für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach §64 StGB erfüllt.
Im Rechtsgespräch haben Verteidigung, Staatsanwaltschaft und Kammer bereits einen möglichen Strafrahmen ausgehandelt. Bis zu drei Jahren und einem Monat drohen dem Angeklagten. Am 21. Juni soll das Urteil folgen.