05 Jun2013
Auf den Spuren der deutsch-französischen Geschichte in Regensburg
Illustrierte Zeitung französischer Kriegsgefangener des Ersten Weltkriegs zeigt eine neue Sicht auf die Donaustadt
Eine kürzlich von der Staatlichen Bibliothek Regensburg im antiquarischen Handel erstandene Zeitung gibt Einblick in das Schicksal hunderter französischer Kriegsgefangener in Regensburg: Le Pour et le Contre – Journal hebdomadaire des Prisonniers de Regensburg lautet der Titel einer Lager-Zeitung, die zwischen Juli 1916 und April 1917 in Regensburg verfasst und gedruckt wurde. Die Gesamtheit der vom Initiator D. Lamy herausgegebenen 39 Ausgaben der Zeitung (16. Juli 1916 bis 8. April 1917) ist durch einen Zufall in die Hände des Regensburger Antiquars Reinhard Hanausch gelangt, der dieses einzigartige Zeugnis der Staatlichen Bibliothek Regensburg anbot. Die immer sonntags im Lager erschienene und verkaufte Zeitung dokumentiert das Leben mehrerer hunderter Kriegsgefangener, deren Schicksal bislang völlig unerforscht ist. Le Pour et le Contre ist ein historisch hochinteressantes Zeitzeugnis. Sie gibt Auskunft über interne Lagerangelegenheiten und bietet Einblicke in den Alltag der Soldaten und Offiziere. Darüber hinaus spiegelt die Zeitung auch aktuelle Diskussionen der Zeit über zivilgesellschaftliche Themen Religion, Religionsausübung, Frauenrechte u.a.) und das Verhältnis der Kriegsgefangenen zur Regensburger Bevölkerung. Thematisiert wird auch die schwierige Situation von Kriegsgefangenen – erwähnt seien neben der Reflektion des Kriegsgeschehens die Situation der erzwungenen Passivität und der Gefangenschaft in der Fremde. Zudem ist Le Pour et le Contre als Medium zu begreifen, das die Rolle der Kunst unter den Umständen der Haft verdeutlicht. Sichtbar wird dies beispielsweise in der Besprechung mehrerer im Lager aufgeführter Theaterstücke bekannter französischer
Dramenautoren, auch im Abdruck kurzer Gedichte und Parodien und in der Veröffentlichung feuilletonistischer Beiträge. Die Erschließung und Auswertung der Zeitung verspricht neue
Erkenntnisse über das bislang unbekannte Schicksal französischer Kriegsgefangener in Regensburg und das schwierige Verhältnis der Nationen zur Zeit der größten Vernichtungsschlachten des ersten Weltkriegs.
Am Lehrstuhl von Prof. Dr. Isabella von Treskow (Romanistik) an der Universität Regensburg wird derzeit an der wissenschaftlichen Erforschung des Bestandes gearbeitet. Dort findet gegenwärtig (Sommersemester 2013) eine Lehrveranstaltung statt, in welcher den Studierenden der Romanistik in Regensburg dieses einzigartige Zeugnis französischen Lebens in der Donaustadt nähergebracht wird.
(Foto: F. Wiegand)