Armes Isental
Nicht genug damit, dass die A 94 trotz jahrzehntelanger Bürgerproteste nunmehr quer durch eine der schönsten Landschaften Deutschlands gebaut wird – jetzt müssen das Isental und seine Bevölkerung auch noch den Tatort für einen recht mäßigen Krimi abgeben. Eine Besprechung von Leonhard F. Seidls Roman „Genagelt“.
Von Nina Müller

Vom Saugrippe zum Gscheithaferl
Das Schlimmste aber ist, dass alles so dick aufgetragen ist: Eine aberwitzige Szene reiht sich an die andere (die kreischende Nackte in der Kirche, ein Verdächtiger bekommt eine Ladung Schrot in den Hintern, eine Psychiatriepatientin wirft sich dem Ermittler an den Hals), die Sprache ist derb, die wörtliche Rede häufig im Dialekt, der aber schlecht buchstabiert ist („ang’zeigt“, „So ein Saugrippe“), die Frauen am Ort heißen Zenzi und Annamirl – kein Klischee bleibt den Lesern erspart. Dazwischen eingestreut die Gedanken des Detektivs, mal an Banalität schwer zu überbieten („Eine Mücke stach ihn in den Hals. Blutsauger!“), häufig für den Fortgang der Geschichte bedeutungslos, manchmal aber auch belehrend und pseudo-informativ: „Suchtkrankheiten traten bei Menschen in sozialen Berufen besonders häufig auf.“
Und das Isental? Spielt über weite Strecken eine reine Statistenrolle. Kurz wird ein Korruptionsverdacht bezüglich der Vergabe der Bauaufträge ins Spiel gebracht, erweist sich aber als falsche Spur. Die meiste Zeit löst die Autobahnfrage aber nur tiefschürfende Gedanken wie den folgenden aus: „Ich hab schon wieder vergessen, wie schön es hier ist. Vielleicht hat eine Landschaft ja auch eine Seele, die durch die A 94 auf alle Fälle angekratzt wird.“ Falls hier einem Jacques Berndorf mit seinen Eifel-Krimis vor politischem Hintergrund nachgeeifert werden sollte, so ist das jedenfalls gründlich misslungen.
Leonhard F. Seidl: Genagelt. Emons Verlag, 302 S., 10,90 €


