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Preisverleihung auf Schloss Nymphenburg

Am Beispiel des Bierschinkens

Martin Stein isst Fleisch und darüberhinaus isst er lieber kein Fleisch als Fleisch minderer Qualität. Ein guter Grund, um der Verleihung des Staatsehrenpreises für die zehn besten Metzger Bayerns beizuwohnen.

Ernährungsministerin Michaela Kanniber gemeinsam mit allen Preisträgern des Metzgerpreises 2024. Foto: Hauke Seyfarth/StMELF

Das Dasein des freien Journalisten verbindet im besten Fall ein abwechslungsreiches Leben mit einem völlig unspannenden Einkommen; in allen anderen Fällen bleibt nur das unspannende Einkommen als Konstante.

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Die Möglichkeit, oftmals auch kurzfristig fremde Länder bereisen zu können, ist ein gewaltiger Bonus zumindest auf dem Konto der Lebenserfahrungen, wenn es auch den realen Kontostand nicht arg nach vorne bringt. Immerhin sind in der Regel Kost und Logis frei, wohingehend in der eigenen Heimatstadt nach wie vor jeder irgendwie Geld von einem haben will, wenn man zum Essen und Trinken vorbeikommt.

Ein Anlass, der begeistert

Ein besonderes Schmankerl, im Wortsinn, war für mich persönlich da eine Einladung, die mich letzte Woche nicht geographisch, wohl aber gesellschaftlich in ganz neue Sphären beförderte: die bayrische Staatsregierung in Gestalt des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Tourismus bat zum Empfang, und zwar nach München ins Schloss Nymphenburg, genauer gesagt in den Hubertussaal der Orangerie.

Nymphenburg ist nun tatsächlich ein überaus eleganter Prachtbau mit wunderschönem, öffentlich zugänglichem Park und nicht so eine Proletenbutze wie Schloss Emmeram, und Wittelsbach hat für mich auch nicht diesen neureichen Hautgout wie T&T. Außerdem werde ich, so unglaublich das auch scheinen mag, außerordentlich selten von bayrischen Ministerien überhaupt irgendwohin eingeladen.

Und dann erst der Anlass!
Schiere Begeisterung umfing mich.

Ein Büffet, das überrascht

Es wurde nämlich der Staatsehrenpreis an die zehn besten Metzger Bayerns verliehen. Da denkt man sich, endlich mal ein vernünftiger Preis, da spare ich mir das Frühstück und fahre nach München. Gesagt, getan.

Ohne vorgreifen zu wollen: Das Büffet war erstaunlich wenig fleischlastig. Gut, Fleischpflanzerl und Roastbeefröllchen, aber ansonsten Quiche Lorraine, Frischkäseröllchen, Obatzda, Zucchinidingsbums, plus ein Haufen Nachspeisen.

Bei näherem Nachdenken allerdings scheint die Wahl der Speisen sogar ganz nachvollziehbar: wer bitteschön will sich denn mit seinem Sauerbraten aus dem Wärmebehälter blamieren, wenn die zehn besten Metzgereien anwesend sind! Am Schluss stehen deren Protagonisten dann noch mit ihren Tellerchen zusammen rum und fachsimpeln über Fasrigkeiten, falsche Garpunkte und allgemeine Zähigkeit. Dann lieber Zucchini und Schokocreme; verstehe ich völlig.

Eine Veranstaltung nach dem Geschmack eines alten weißen Mannes

So ganz allgemein war die Veranstaltung zugegebenermaßen sehr nach dem Geschmack eines – um einen Leserinnenkommentar aufzugreifen – alten weißen Mannes, wobei ich selbst mittlerweile die Bezeichnung „junggebliebener Kaukasier“ bevorzuge. Da wurde eine für mich tatsächlich nachvollziehbare Errungenschaft ausgezeichnet. Eine Leistung, die sich nicht darauf reduziert, ein Liedchen auf TikTok nachzutanzen oder einen furzenden Goldfisch zu präsentieren. Zehn herausragende Metzger in Bayern werden ausgezeichnet, und da ich Fleisch esse und darüberhinaus lieber kein Fleisch esse als Fleisch minderer Qualität, finde ich so eine Prämierung schon nicht schlecht.

Und, mal so ganz unter uns, es gibt schon Gründe dafür, dass Bayern seit dem Auseinanderbrechen des Urkontinents Pangaea von der CSU regiert wird. Überall sonst gäbe es für eine Leistung, die im Handwerk begründet liegt, eine Urkunde als PDF per Email zugeschickt. Aber hier? Man merkt schon: Kleckern ist unbayrisch, Klotzen liegt einem eher.

Ein Termin, der einfach toll ist

Logisch, Nymphenburg habe ich schon erwähnt, und im Hubertussaal hängt ein richtig großes Ölgemälde von Max dem Dritten Joseph aus dem Geschlecht der Wittelsbacher aus dem 18. Jahrhundert, während das entsprechende Ölgemälde aus dem Hause Thurn und Taxis einen ambitionierten Postboten zeigen würde.

Das Ministerium lässt sich nicht lumpen, das muss man schon sagen. Der Saal ist recht gut gefüllt, wenn auch zum großen Teil mit Preisträgern und dem thematisch passenden Honoratiorenpotpourri, aber auch etliche Landtagsabgeordnete machen ihre Aufwartung.

Der Umstand, dass ich abgesehen von zwei Kurzhosen-Nachwuchsmetzgern der Berufsschule Rosenheim der einzige schlecht gekleidete Anwesende war, ist allerdings ein starkes Indiz dafür, dass ich auch der einzige anwesende Journalist gewesen bin. Sehr schade. So ein toller Termin.

Im Kampf gegen das Imperium der Discounterwürschtel

Musikalisch untermalt wird die Veranstaltung von einem hochmusikalischen Bläserquartett, das den Nachmittag mit einem Fanfarenteil einleitet, das „Rondeau“ heißt und ebensogut bei Krieg der Sterne den Sieg der Rebellen über das Imperium verkünden könnte. Was komplett angemessen ist: das Imperium der Discounterwürschtel muss bekämpft werden, und dieser Kampf ist ungleich und unfair gestaltet, weil der deutsche Weber-Grill immer noch allzuoft mit einem geschissenen Aldi-Fleischthekenbesatz bestückt wird.

Eine Ehrung gab es auch für die Staatliche Berufsschule I Rosenheim. Im Bild: Landesinnungsmeister Konrad Ammon jun. und Ministerin Michaela Kaniber gemeinsam mit den Schülern. Foto: Hauke Seyfarth/StMELF

Wenn die Welt uns eines gezeigt hat, dann, dass das Böse oft nur gewinnt, weil es billiger ist als das Gute, und weil die meisten Menschen den Unterschied nicht einmal mehr erkennen, und zwar deshalb, weil das Gute so schwer zu finden ist und ihnen der Standard des Schlechten tagtäglich in den Mund gestopft wird. So eine Sozialisation aus Bärchenwurst und Chicken Nuggets muss man erzieherisch erst einmal wieder austreiben.

Wo aber könnte diese Erziehung besser geleistet werden als in Bayern, denke ich still bei mir, und erfahre kurz darauf vom Podium herab, dass tatsächlich wohl nur Bayern diesem Erziehungsauftrag gerecht wird. Unabhängig voneinander, ohne sich abgesprochen zu haben, bestätigen sowohl Landesinnungsmeister Ammon als auch Staatsministerin Kanniber einen lange von mir gehegten dunklen Verdacht: was momentan schief läuft, da ist Berlin dran schuld.

Man hätte es sich denken können.

Der Höhepunkt im Kalender der Handwerksgemeinschaft

Ich stelle allerdings auch bei mir einen vermutlich carnivor induzierten Lokalpatriotismus fest. Der Stolz, mit dem Ammon seine öffentlichkeitsarbeitsungeschulte Stimme über die Köpfe der Anwesenden hinweg sendet, lässt mich nicht unberührt. Vom „Höhepunkt im Kalender unserer Handwerksgemeinschaft“ spricht er, vom „Kulturgut und Genussmittel“, und dass er froh sei, „in Bayern zuhause sein zu dürfen.“

Die Diskussion um die Mehrwertsteuer auf seine Produkte habe ihn „sehr verletzt“, und ich bin mit ihm empört. Als er zum Abschluss „Gott schütze unser ehrbares bayrisches Metzgerhandwerk“ ausruft, bin ich fast geneigt, meinen 30 Jahre alten Kirchenaustritt kurz zu vergessen.

Der „Kult auf dem Teller“

Die Ministerin Kaniber, die mir ehrlich gesagt vorher kein Begriff war, ist natürlich rhetorisch deutlich abgebrühter, kann aber ohnehin mit dem Sympathievorschuss jedes Mitglieds der Regierung Söder punkten, das nicht der Aiwanger ist.

Ein Mitglied der Regierung Söder, das nicht Aiwanger ist: Ministerin Kanniber. Foto: ms

Gleich zu Anfang betont sie, dass man keine Kosten und Mühen gescheut hat und dass das königliche Ambiente der Preisverleihung „völlig adäquat“ sei. Auch sie selbst trägt einen gewissermaßen royalen weißen Blazer mit aufgesticktem goldenen Monogramm auf der Brusttasche, das ich in meiner Unkenntnis für Glööckler hielt, das aber, wie mich eine modebewusste Freundin korrigierte, wohl eher Ralph Lauren war.

Natürlich.

Wenig überraschend ist die Ministerin mikrofonaffiner als ihr Vorredner, und es ist auch viel von Kultur die Rede, selbstredend untrennbar mit Bayern und der bayrischen Lebensart verbunden, von „Kult auf dem Teller“, und als sie davon spricht, dass „wir den Menschen nicht vorschreiben werden, was sie zu Essen haben“, da will ich sofort allen die Meinung geigen, die das bei mir machen, also vor allem meiner Mama und meinem Hausarzt.

Wo sich das Filet vom Separatorenhackfleisch trennt

Natürlich bewahre ich meine professionelle Contenance, aber innerlich empfinde ich so ähnlich wie jene Schotten, die seinerzeit nach der Kinopremiere von Braveheart durch die Straßen zogen, um Engländer zu verprügeln.

Freeeeeeeedom!

Außerdem kennt die Ministerin noch einen Professor, der weiß, dass das Rindvieh nicht klimaschädlich ist, und auch das ist ja sehr beruhigend.

Jede der zehn Metzgerfamilien darf zur Preisverleihung auf die Bühne, jede wird gesondert vorgestellt (was auch nicht leicht ist; immerhin muss man zehnmal die Aussage variieren, dass diese Metzgerei da jetzt echt ganz besonders gut ist), und jede kriegt ihr ganz besonderes Foto mit Urkunde, Innungsmeister und Ministerin. Das ist schon schön für die, und die Ministerin lässt sich eine eventuelle Eile auch nicht anmerken.

Der Preis hat es halt tatsächlich auch in sich, das muss man schon sagen, den bekommt man nicht nachgeschmissen wie das Biosiegel für den schonendsten Schleppnetzfischer. Die Teilnehmer müssen in einem Zeitraum von fünf Jahren mindestens an drei Jahren ihre Produkte an die Qualitätsprüfer des Wettbewerbs eingereicht haben, und da trennt sich dann schon die Spreu vom Weizen, beziehungsweise das Filet vom Separatorenhackfleisch.

Gallische Dörfer gegen die Übermacht des schlechten Geschmacks

Übrigens auch interessant: kein einziger Preisträger stammt aus einer auch nur annähernd metropolenähnlichen Stadt; die gallischen Dörfer, die sich gegen die Übermacht des schlechten Geschmacks stemmen, sind also tatsächlich überwiegend Dörfer. Einem jeden dieser Dörfer möchte man seinen Glückwunsch aussprechen.

Der Nachteil des Jakobswegs ist ja, dass er in weiten Teilen so außerbayrisch ist. Ich persönlich könnte mir auch sehr gut vorstellen, mich im Namen der Wurst auf den Weg zu machen und mit einer tief empfundenen Innigkeit zu all den im doppelten Wortsinn ausgezeichneten Metzgereien zu pilgern, weshalb ich sie hier auch samt und sonders namentlich und in alphabetischer Reihenfolge aufführen will:

  • Die Metzgerei Werner Braun aus Wiedenzhausen, Landkreis Dachau
  • Die Metzgerei Einsle aus Bodenmais, Landkreis Regen
  • Die Metzgerei Willy Engelhard aus Wassertrüdingen, Landkreis Ansbach
  • Die Metzgerei Georg Greif aus Memmingen
  • Die Metzgerei Häuser aus Aschaffenburg
  • Die Metzgerei Theodor Luther aus Neustadt bei Coburg
  • Die Metzgerei Michael Schneider aus Eichstätt
  • Die Metzgerei Mantel aus Marktzeuln-Zettlitz, Landkreis Lichtfels
  • Die Metzgerei Siegler aus Lohr am Main, Landkreis Main-Spessart
  • Die Metzgerei Ludwig Walk aus Berching-Pollanten, Landkreis Neumarkt i. d. Obpf.

Denn: ich feiere euch, ihr Helden des Halsgrats, ihr Kämpfer für das Kotelett, ihr Anhänger des Abgehangenen. Ihr seid die kleinen Lichter am Ende des Tunnels, eine kulinarische Hoffnung, in Leberkäse gebettet, und ich bin dankbar, dass es euch gibt, ihr kleinen, dezent gwamperten Nymphen aus Nymphenburg. Ich hoffe, so viele von euch so bald wie möglich wiederzusehen.„"

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Kommentare (3)

  • Flore

    |

    Danke für diesen gelungenen Meinungs-Artikel, Martin Stein.
    Mich hat`s vor Lachen (manchmal möchte man zudem gleichzeitig schreien und weinen) z`rissn wia a Weißwuascht, die zu lang im Brühkessel schwimmt.

  • Andrea Mink

    |

    Wichtig ist die Mitte, – bei vielem. Das heißt: Qualitativ hochwertiges Bio-Fleisch sollte zur Verfügung stehen dürfen, denn Fleischessen wird es immer geben und das ist gut so.

    Heute wird von der Forschung festgestellt, das gerade die Viehhaltung auf Weiden, den CO2-Ausstoß minimiert.
    Ganz klar sollte man endlich die Massentierhaltung mit tierunwürdiger Haltung stoppen. Vernunft braucht eben die Mitte und nicht Fanatismus.
    Jede:r sollte das essen können, was schmeckt und qualitativ hochwertig produziert wird, – auch die sich Vegan ernährenden.

    Ich stehe auch auf dem Standpunkt des Lieber-selten-hochwertiges-Bio-Fleisch genießen als den Mist, der oft angeboten wird.
    Mir geht es finanziell relativ gut, andere müssen da schlechtere Kompromisse machen. Das ist eine traurige Tatsache, – Ärmere sollten auch die Möglichkeit zu guter Essensqualität (ob Gemüse oder Fleisch und Fisch) sich leisten können.

    Gut ist, das mehr über Alternativen in der Vielfalt in Sachen Nahrung nachgedacht wird.

    Schon etwas vom finnischen Solein, das wohl die Weltbevölkerung vor Hungersnöten bewahren wird, gehört?
    Wenn man es nur nicht bloß zum Superfood für Superreiche stilisiert und genau wie bei anderen Lebensmitteln damit an der Börse handelt… Ein NoGo, das leider üblich und übelst ist.

  • Native

    |

    Auf die überwiegend durch carnivore Ernährung sehr verbreitete Ernährungsform in unseren Breiten würden viele lokalpatriotische Genussmenschen in Bayern nur ungern verzichten. Man gönnt sich außer gelegentlichen Gichtanfällen (durch übermäßigen Konsum von Fleisch, Fisch oder Meeresfrüchten sowie Alkohol nach Übertreibungen) ja sonst nichts. Aber a guata holts aus und um an schlecht‘n is ned schod! Die Genussmenschen und die ausgezeichneten und alle anderen Metzgereien wissen es schon lange: Im Leberkäs ist gar kein Käse! 😊

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