Altenheim: Das ist kein Leben dort!
Nun sind sie alle tot – meine Betreuten in Altenheimen. Und bei fast allen frage ich mich, ob es nicht besser für sie war, zu sterben, als ihr Leben im Altenheim… Denn was für ein Leben war das? Trauen Sie sich, liebe Leser und Leserinnen, mit mir einen Blick in das Paralleluniversum Altenheim zu werfen? Denn gut möglich, dass wird dort landen, oder Angehörige von uns.
Meine Mutter ist jetzt 92 Jahre alt. Ihre größte Angst ist, dass sie ins Altenheim muss. Kürzlich war sie vorübergehend zur Kurzzeitpflege dort. Keine Ahnung, warum das „Kurzzeitpflege“ heißt, denn eigentlich war es nur eine Verwahrstation, bis wir sie wieder abholten. Wirklich lauter nette Menschen, die Pfleger dort. Bloß leider mit ganz wenig Zeit, so dass das Warten, bis sie aufs Klo gebracht wurde, schon mal eine halbe Stunde dauerte. Und umgekehrt dauerte es, bis sie dann wieder runter geholt wurde. Hier noch regelmäßige persönliche Zuwendung, gar Streicheleinheiten zu erwarten wäre eine geradezu obszöne Zumutung. „Personalmangel, tut uns leid“, hieß es.
“Keine Zeit, tut mir leid!”
Mein erster Betreuter in einem Altenheim – er war taub, stumm, und blind. Die Pflegerin stellte ihn mir kurz vor, sagte mir, dass einmal die Woche für eine Stunde eine Dame vom Hospizverein komme, die ihm die Hand halte, und weg war sie. “Keine Zeit, tut mir leid!” Schon damals fragte ich mich: Was gibt dem Leben im Altenheim überhaupt noch einen Sinn?
Was wird im Altenheim den Alten an Hören, Sehen, Riechen, Schmecken sowie Berührung angeboten – Grundbedürfnissen, über die wir unser Leben erfahren? Wenn ich im Altenheim war, habe ich als Normalfall erlebt: Einsame alte Frauen, die sich über jede Streicheleinheit, über jedes Händchenhalten von mir gefreut haben. Alte Männer, die sich über jeden Händedruck, über jedes freundliche Schulterklopfen von mir gefreut haben. Über die essentielle Bedeutung von zärtlicher Berührung für Gesundheit und Wohlbefinden habe ich ja schon vor kurzem bei regensburg-digital geschrieben.
In der Regel sehe ich alleine herumsitzende, dahinwackelnde oder dahin geschobene alte Menschen. Manchmal auch nicht-alte Menschen, die nach einem schweren Unfall Pflegepatienten geworden sind. Und da sitzen sie aufgereiht beim Essen, und einer von zehn redet vielleicht mal mit seinem Nachbarn. Dass es bei den Altenpflegern und Pflegerinnen für viel mehr als eine „Hallo, wie geht’s“-Floskel und ein verständnisvolles Nicken reicht, wenn überhaupt, hab ich nicht erlebt.
Mehr Krankenhaus als “Lebensabend”
Ja, neben den Pflegern gibt’s noch den oder die Sozialbetreuer im Heim, die für „das Soziale“ zuständig sind. An der Größe des Programms, das im Heim aushängt, kann man dann sehen, wie viele oder wie wenige Möglichkeiten der Ablenkung bis Freude als Alternative zum unsäglichen Warten auf das Ende angeboten werden. Das hilft ein bisschen, das macht das Leben leichter. Aber es ersetzt nicht die Grundlage: eine Ausrichtung der Altenheime auf die tägliche Freude für die Sinne der alten Menschen. Es fehlt eine Kultur der Sinne. Das Freizeitprogramm im Altenheim kann nicht das alltägliche Bedürfnis nach Nähe ersetzen. Wo doch der ganze Tag im Altenheim „Freizeit“ ist oder besser: Totschlag-Zeit.
Wenn Sie Glück haben, haben Sie (noch) Angehörige, die gerne regelmäßig zu Besuch kommen wollen und können. Wer keine Angehörigen mehr hat und nicht mehr aus dem Bett rauskommt, der darf einsam im Bett verrotten. So habe ich es Monat für Monat bei einer lieben alten Frau erlebt. Schlimm ist gar kein Ausdruck.
Wenn ich ins Altenheim komme, erlebe ich die Sterilität standardisierter Zimmer, mehr Funktion als Wohnung. Bestenfalls mit ein paar eigenen Bildern und Utensilien seiner Bewohner ausgestattet. Das ganze Altenheim ist eher Krankenhaus als „Lebensabend“: Weiße Wände, wohin ich schaue – mit ein paar Bildertupfern. Von der wohltuenden Kraft der Farben ist hier nichts zu sehen. Wie ich nur vom Hörensagen weiß, soll es in einem Teil der Altenheime –falls sich Angehörige die Mühe machen – auch möglich sein, mit ein paar eigenen Möbeln einzuziehen.
Keine Intimsphäre
Weiter fiel mir auf: keine Intimsphäre. Was ich als Standard immer wieder gesehen habe: Die Zimmer der alten Menschen sind nicht abschließbar. Wenn überhaupt angeklopft wird, dann so, dass der Pfleger im nächsten Moment schon im Zimmer steht. Tja, zu wenig Personal, da muss mit jeder Sekunde Zeitaufwand gespart werden.
Das Essen. Es kann wirklich mit jeder Betriebskantine mithalten. Würstchen mit Kartoffelsalat sah ich oft. Pech, dass man keine Chance hat, sich darauf zu freuen, dass man sich ja selber noch was kochen oder zum Essen weggehen kann. Und vegetarisches Essen war dort das, was übrig bleibt, wenn Fleisch und Wurst weggelassen werden. Riechen und schmecken, ade.
Seit Jahren wird um einen neuen „Pflege-TÜV“ gerungen. Die Angehörigen wollen schließlich wissen, wo sie ihre Eltern für den Rest ihres Lebens abliefern. Es ist hinlänglich bekannt, dass die Altenheim-„Noten“ des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) ein irreführender Witz ohne Aussagekraft sind. Man sollte sich von den meist guten „Noten“ nicht täuschen lassen und mindestens die vollständigen MDK-Checklisten über ein Heim lesen – und persönlich eine genaue Stippvisite machen.
Der neue Pflege-TÜV: Irreführung, wie gehabt
Auf den öffentlichen Druck hin haben sich die Pflegekassen und die Heimbetreiber bereit erklärt, gemeinsam an einem neuen „Pflege-TÜV“ zu arbeiten, einer erweiterten Art Selbstverpflichtung zu Qualität im Altenheim. „Selbstverpflichtung“, das ist ja so ein Lieblingswort wirtschaftsfreundlicher Politiker. Schaut, wir brauchen die Wirtschaft nicht mit Gesetzen zu zwingen, sie verpflichten sich ja selber dazu, ein bisschen weniger habgierig?/ ein bisschen weniger menschenverachtend? zu agieren.
Der neue geplante Pflege-TÜV ist – der alte im neuen Gewand. Wie bisher auch sollen Äpfel mit Birnen zusammengerechnet werden, und wer faule Äpfel verkauft, aber gute Birnen hat, kann damit die Gesamtnote ausgleichen. Da kann zum Beispiel eine schlechte Bewertung wegen schmerzhaftem Druckliegen doch einfach durch die gute Speisekarte ausgeglichen werden. Irreführung wie gehabt.
Am krassesten aber ist, dass ein Kriterium unverändert nicht beim Pflege-TÜV genannt werden soll: Nämlich das Zahlenverhältnis von Alten im Heim zur Zahl der Pflegerinnen und Pfleger. Obwohl das die conditio sine qua non ist, ohne die sich in den Altenheimen nichts ändern wird, nichts ändern kann. Ohne viel mehr Pfleger ist jedes gute Konzept zum Scheitern verurteilt. Nun hat die Arbeitsgemeinschaft von Heimbetreibern und Pflegekassen mitgeteilt, dass der neue Pflege-TÜV nicht wie angekündigt 2018, sondern erst 2020 fertig sein wird. Es geht ja auch nur um 783.000 Menschen in Altenheimen.
Altenpflegerinnen verlassen nach durchschnittlich nur acht Jahren ihren Beruf.
Da die „Senioren“ im „verdienten Ruhestand“ und am „Abend ihres Lebens“ zu ihrem Pech keine mächtige Lobby haben, die Pflegeheimindustrie aber schon, sind sie nur Objekt der Pflegeheimindustrie, nicht Subjekt. Ein Mittel zur Gewinnerzielung. Ein großes Geschäft. In der Regel rund 3.000 EUR im Monat oder mehr kostet unsere Verwahrung im Altenheim, bis der Tod uns holt – was für eine teure Perspektive.
Doch trotz der teuren Unterbringung heißt es: „Personalmangel, tut uns leid.“ Richtiger müsste es doch heißen: Aufgrund der Habgier der Altenheimbetreiber, mit staatlicher Billigung, sind wir nicht bereit, den harten Beruf des Altenpflegers so zu gestalten und bezahlen, dass sich genug Kräfte finden. Altenpflegerinnen verlassen nach durchschnittlich nur acht Jahren ihren Beruf.
Meine Mutter hat jetzt eine legale 24-Stunden-Rundum-Betreuung mit einer ausländischen, gut deutsch sprechenden Haushaltshilfe in ihrer vertrauten Wohnung. Mit allem Drum und Dran lebt sie damit genau so teuer, als wenn sie im Altenheim wäre. Eigentlich super. Allerdings wird diese Art Betreuung von der Pflegekasse so minimal bezuschusst, dass absehbar ist, wann ihr Geld verbraucht ist. Voll vom Staat übernommen werden nämlich im finanziellen Notfall nur die Kosten des Altenheims.
Ich habe die Hosen voll!
Die „Politik“ beklagt seit Ewigkeiten den „Pflege-Notstand“ – und ändert: nichts. Wie ich lese, werde die Bundesregierung binnen der nächsten drei Jahre ein Gutachten erstellen, wie hoch denn der Altenpflegerbedarf ist. (FAZ 17.9.2017) Diese absolute Ignoranz kann ich mir nicht anders erklären, als dass die Mehrheit der sogenannten Volksvertreter davon ausgeht, dass sie jedenfalls die Kohle haben, sich bis zuletzt eine gute Rund-um-die-Uhr-Pflege zu Hause leisten zu können oder notfalls eine Luxus-Seniorenresidenz mit allem, was der altgewordene Politiker noch braucht…
Da hilft nur eins: Rechtzeitig sterben oder rechtzeitig für ein menschenwürdiges Leben im Alter auf die Barrikaden gehen, solange wir noch Saft in den Knochen haben. War ich jetzt etwa unsachlich, gar böse und polemisch? Ganz ehrlich: Ich habe einfach nur die Hosen voll, mal selber in die pflegenden Hände der Altenheimindustrie zu fallen.
Helmut
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Joa gut beobachtet…..Das traurige daran ist aber auch das Angehörige selbiges beobachten, darüber reden, vielleicht noch Personal ansprechen aber ihre Pflegebedürftigen zurücklassen für mehrere Tage. Vielleicht haben sie auch bemerkt, das Klinikpersonal sich derer “Patienten” eher und vermehrt annehmen die besucht werden, anstelle umgekehrt. Es könnte ja auffallen…..Leider hat sich mit Beihilfe der Politik ein Arbeitsplatz nicht selten auf 2 Personen geteilt, das in Familien beide arbeiten müssen und die Zeit dann nicht mehr haben.
Ebenso ist es mir schleierhaft , warum Personen die Angehörige zu Hause pflegen nicht im Ansatz das Geld dazu erhalten was eine Altenheim kostet, geschweige den rentenversichert wären. Angehörige pflegen bedeutet ja gleich wieder Altersarmut für den Pflegenden.
joey
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Neu ist das alles nicht.
Seit Jahrzehnten sind die Probleme von Altenheimen (“Seniorenresidenzen”) bekannt.
Intelligent ist, wer über die Zukunft nachdenkt und rechtzeitig die Konsequenzen zieht.
Ist es denn eine überraschende Weisheit, daß alte Menschen nicht mehr flexibel sind und es nicht schaffen, im Fall “Altenheim” dort eine Heimat zu finden? Es geht nicht nur um Toilettengang, alle dort sind entwurzelt. Heimat hat jeder irgendwo, seine vertraute Umgebung, seine Freunde, “seine Sachen da wo sie hingehören”. Heimatlosigkeit kann bei einer 70 jährigen beginnen, wenn sie den Zucker in einer Gemeinschaftsküche nicht findet. Selbst im besten Heim ist man nicht zuhause.
Mit 30 ist alles kein Problem, mit 80 ist alles ein Problem.
Daß Pflege zuhause nur gering erstattet wird, liegt an den “NGOs” wie Caritas und AWO. Diese haben gute Lobbyverbindungen. Pro: mit den Einnahmen aus den Altenheimen werden Sozialberatungen und andere kostenlose Services umlagemäßig finanziert. Aber: Für (aufgeblähte) Verwaltungskosten bis hin zu reiner Korruption geht eben viel Geld drauf, die Tochter des SPD/CSU Stadtrats braucht ja einen Posten.
Übrigens: wo es der Staat / Kommune macht(e), ist es nicht besser.
Der wirtschaftsliberale Ansatz ist: bau Dir (mit 30) ein barrierefreies Haus (oder Wohnung), auch wenn Du es jetzt nicht brauchst. Vielleicht braucht es Deine Mutter oder Deine Frau oder ein behindertes Kind. Eine Pflegeversicherung zur rechten Zeit kostet nicht viel Geld.
Meine Angehörigen und ich haben sowas. Wir sind “sicher”, daß wir selbstbestimmt in unserer gewohnten Umgebung bleiben können.
Mein Tip: selber (voraus) denken. Ich wüßte keine Partei, die hier ein passendes Konzept hätte.
semmeldieb
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Ich hoffe, dass ich in der lage sein werde, mich rechtzeitig umzubringen, wenn es an der zeit ist.
R.B.
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Das ist ein Fall für den Bischof von Regensburg. Der muss auch bitte zum Thema anständig den Mund aufmachen.
Lars
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Der Artikel zeigt ja nichts neues auf… ich arbeite selbst in der Pflege zwar in der fachpflege (intensiv) dort ist es auch nicht anders Krankenhäuser und Altenheime einfache solange melden wie es geht so als Tip… wir sind chronisch unterbesetzt meine sehr gut ausgebildeten Kollegen und ich suchen ständig nach neuen Jobs im der Industrie oder im Ausland z.b. Schweiz weil wir dort anständig gemäß unserer Qualifikation bezahlt werden … Deutschland ist im Pflegebereich vor allem im hochqualifiziertem fachpflegebereich (Anästhesie Notfall Med intensiv Usw..) niedrig lohnland blöd für die Patienten…. also lebt gesund und passt auf euch auf
Lars
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Mist hab ganz schön viel falsch geschrieben :-( man sollte nicht hastig mit Autokorrektur am Smartphone schreiben hiermit entschuldige ich mich.
berufsbetreuer otmar spirk
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@Lars:
Wie ich lese, fehlen im Krankenhaus-Bereich 36000 Pflegekräfte.
Wobei die AltenpflegerInnen im Schnitt 30 % weniger verdienen als KrankenpflegerInnen.
Die Erkenntnis ,Die beste Medizin für den Menschen ist der Mensch”(Paracelsus) spielt offenbar im neoliberalisierten , auf deutsch :profitorientierten Heil- und Pflegebereich keine Rolle mehr.
Lars
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@berufsbetreuer otmar spirk
Vollkommen richtig erkannt. In meiner Klinik, wie mittlerweile auch in jeder anderen, geht es darum Gewinne zu erwirtschaften, Rendite zu generieren, teils sind die Kliniken auch durch die Politik dazu gezwungen teils auch durch private Unternehmen wie z.B. SANA.
In der Altenpflege ist dies genau so wenn nicht sogar schlimmer.
Eigentlich sollten Pflegekräfte die Anwälte der Patienten und Bewohner sein. Werden aber durch Ausbeutung und die Strukturen so unter Druck gesetzt das ihnen oft nichts anderes übrig bleibt als bei diesen menschenverachtenden System mitzuwirken.
Ich kann ihnen versicheren das ich trotz eines gewissen Grad an Abstumpfung, mich selbst teils verabscheue bzw. unglaubliche Wut in mir habe, da ich teil dieses Systems bin, und wenn ich daran denke, dass ich den Menschen der vor mir liegt und für den ich einen gewissen Zeitraum die Verantwortung habe, nicht so professionell Pflegen kann wie es sich eigentlich gehört und es wäre mein Sohn oder mein Vater Bzw. Tochter oder Mutter wird mir schlecht. Darum möchte ich raus aus diesem System. Nicht aus dem Beruf eigentlich sondern ich möchte dort Arbeiten wie ich es eigentlich sollte und könnte und auch die Wertschätzung dafür erfahren. Wenn alle profesionellen Pflegekräfte nur z.B. für 2 Stunden in ganz Deutschland Streiken würden, würde das komplette Gesundheitsystem zusammenbrechen….
semmeldieb
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@Lars: ja, das sehe ich ähnlich, bis auf den aufruf zum streikt. Wie viele leben würde der Zusammenbruch kosten?
Das muss gehen, aber anders.
xy
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Es ist falsch, nur die Altenheimmisere anzuprangern. Genauso angeprangert gehören die Angehörigen, die sich nicht mehr oder kaum noch um Ihre Eltern etc. kümmern und denken, wenn die Mutter im Heim ist, dann ist die Kindespflicht erledigt. Dazu gehört auch die “Kurzzeitpflege”. Warum schickt der so überaus gutmenschelnde Autor seine Mutter überhaupt in die “Kurzzeitpflege”?
Berufsbetreuer Otmar Spirk
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@ xy: Die Akternative zum Gutmensch ist der Schlechtmensch.Sind Sie ein schlechter Mensch ?
Nach meinem Eindruck sind Sie jedenfalls ein verbitterter Mensch. ich wünsche Ihnen, dass Sie vergeben können, sowie den Splitter im eigenen Auge sehen können, oder jedenfalls ihren eigenen Beitrag zum Geschehenen. Und zwar nicht, weil ich mich für einen guten Menschen halte, sondern weil es sich schlecht mit verbitterten Menschen lebt…
In die Kurzzeitpflege ins Altenheim kommen Menschen nach einem Krankenhausaufenthalt, damit sie dort aufgepäppelt werden und/oder weil es Zeit braucht, eine häusliche Pflege für sie zu organisieren.
R.G.
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@xy schrieb
” Warum schickt der so überaus gutmenschelnde Autor seine Mutter überhaupt in die „Kurzzeitpflege“?”
Den Satz möchte ich gerne zerlegen, zuvorderst in,
“der so überaus gutmenschelnde Autor”.
Was finden Sie denn an ihm über das Maß hinaus?
Grinst er von Wahlplakaten?
Wandelt er in purpurnen Gewändern, vernebelt Weihrauch, und predigt Wasser, während er Wein trinkt?
Nichts dergleichen habe ich von ihm gelesen, nur für meine Begriffe biederes und vernünftiges Mittelmaß, ein wenig gewürzt mit immer noch höflichem Hinweisen auf Fehlentwicklungen.
Keine Revolution.
Wenn Ihnen das schon als ein Übertreiben vorkommt, welche Gesinnung mögen Sie dann?
Zu Ihrer Frage, warum der Autor seine Mutter in Kurzzeitpflege schickt:
Das angeblich hervorragende Angebot nutzen Angehörige im Allgemeinen, wenn sie hin und wieder die eigene Gesundheit und Kraft wiederfinden müssen, Umbauten für den zu pflegenden Menschen tätigen, oder beruflich unaufschiebbare Verpflichtungen haben.
Nur so mit dem Hausverstand geantwortet.
Angelika Oetken
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Ich möchte im Folgenden eine Lanze für all die Alten- und Krankenpflegekräfte, PflegehelferInnen, sonstigen MitarbeiterInnen und die Ehrenamtlichen brechen, die sich in den stationären Senioreneinrichtungen um alte Frauen und Männer kümmern. Ja, auch Sexualität im Alter ist ein Thema und damit wird mehrheitlich sehr professionell und wie es in diesen Berufsständen üblich ist, verantwortungsvoll umgegangen. Und zwar ohne großes Gewese und das, obwohl bei diesem Thema ganz konträre Bedürfnisse und Gegebenheiten aufeinander prallen http://www.pflege-ich.de/demenz-sexualitaet/
Die Mehrheit der alten Menschen, die in solchen Einrichtungen lebt, ist in der Lage, sexuelle Bedürfnisse, soweit vorhanden, so zu befriedigen, dass Andere im Zuge dessen unbehelligt bleiben. Manche der Senioren werden in ihrem bisher gewohnten Sexualleben beeinträchtig, einfach deshalb, weil sie nicht mehr für sich, sondern in einer Gemeinschaft leben https://www.alzheimer-bw.de/fileadmin/AGBW_Medien/Dokumente/Demenzen/Menschen_mit_Demenz_begleiten/Sexualit%C3%A4t%20im%20Alter%20bei%20Demenz.pdf Das geht Menschen aber in anderen Lebensabschnitten auch so. Wenn Jüngere eine (intime) Beziehung miteinander eingehen, müssen sie ihr Sexualleben auch aufeinander abstimmen. In einer hellhörigen Wohnung oder in einer Wohngemeinschaft, habe ich, was meine sexuellen Gewohnheiten angeht, auf die anderen BewohnerInnen Rücksicht zu nehmen.
Es gibt aber auch Personen, die aufgrund einer lebensgeschichtlich bestehenden Störung im Umgang mit der eigenen Sexualität außerordentlich stark agieren und eine regelrechte Gefahr für ihre Mitmenschen darstellen, im oben verlinkten Artikel heißt es dazu:
„Sollte die Demenz zu einem gänzlich enthemmten sexuellen Verhalten führen, leiden nicht nur der demenziell Erkrankte selbst, sondern auch sein gesamtes Umfeld. Männer neigen eher hierzu, und besonders bei Menschen mit einer frontotemporalen Demenz können Sie diese Entwicklung wesent- lich häu ger beobachten. Positiv betrachtet kann Sexualität im Rahmen der Demenz häufig erstmals offen gelebt werden. Sie kann zudem eine gute Möglichkeit für Nähe und Austausch sein, besonders wenn die Sprache bereits verloren gegangen ist, und bietet besonders Ehepartnern die Möglichkeit, sich auch bei einer schweren Demenz nahe zu sein.“ Nicht zu vergessen: auch SexualstraftäterInnen werden alt. Und die wenigsten von ihnen im Laufe ihres sexuell übergriffigen Lebens gefasst und zur Rechenschaft gezogen.
Es gibt Hinweise darauf, dass die Gruppe der SeniorInnen, die in Kindheit oder Jugend Opfer von Traumatisierungen im Zusammenhang mit Sexualpraktiken, die erwachsene Frauen und Männer oder ältere Jugendliche an oder in ihnen vollzogen haben, in Einrichtungen der Altenhilfe größer ist als unter den Älteren, die außerhalb dieser Institutionen leben. Das hat damit zu tun, dass Kindheitstraumata Gesundheit und Lebensperspektiven eines Menschen beeinträchtigen. Einsamkeit, Krankheit, Armut sind unter Missbrauchsopfern weit verbreitet. Die Generation der Menschen, die vor den Babyboomern geboren ist, hatte besonders wenig Gelegenheit, das aufzuarbeiten. Stand aber, im Hinblick auf die Erfüllung sozialer Normen, auch was Partnerschaft und Sexualität angeht, unter einem großen Anpassungsdruck. D.h. unter diesen Personen, die die so genannten Kriegsgenerationen bilden, werden wir relativ viele finden, die froh sind, ein Alter erreicht zu haben, wo man sie in sexueller Hinsicht nicht mehr behelligt. Oder die nicht besonders um ihren „Partner“ trauern, weil sie seine sexuellen Forderungen und Zudringlichkeiten als belastende Zumutung empfunden haben. Für solche Seniorinnen und Senioren ist die Vorstellung, irgendwo hilflos und ggf. verwirrt in einem Bett zu liegen und den Sexualhandlungen einer anderen Person ausgesetzt zu sein, ein absoluter Horror. Es versetzt sie in ihre Kindheit. Täterinnen und Täter schlagen oft nachts zu. Ihre kindlichen Opfer sind nirgends sicher. Erst recht nicht in ihrem Bett. Eine furchtbare Situation, die diese Menschen, alt geworden, nicht wieder erleben möchten und die wir ihnen auch ersparen sollten. Auch wer dement ist, bleibt ein Mensch mit Empfindungen und hat das Recht auf persönliche Intergrität und Würde. Wozu der Schutzt vor sexuellen Grenzüberschreitungen gehört. Um sexuelle Übergriffe, die in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen von MitpatientInnen, BewohnerInnen, Personal und BesucherInnen begangenen werden, gab es lange ein großes Tabu. Es ist an der Zeit, dass wir es brechen und über Sexualität offen, realistisch, sachlich und befreit von falschen Vorannahmen und unnötiger Romantik sprechen. Damit die, welche heute wach und stark sind, die Schwachen schützen können.
Angelika Oetken, Berlin-Köpenick, eine von 9 Millionen erwachsenen Menschen in Deutschland, die in ihrer Kindheit und/oder Jugend Opfer schweren sexuellen Missbrauchs wurden
Mathilde Vietze
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Zu Otmar Spirk: Das Gegenteil vom Gutmenschen ist der
gute, realitätsbezogene Mensch, der hilft, wo er kann,
sich gegen Mißstände wehrt, aber nicht alles so hinstellt,
wie es in sein gedankliches Raster paßt.
blauäugig
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@Vietze Sie wissen auch, dass der Begriff “Gutmensch” dazu dient, diejenigen lächerlich zu machen, die sich für Humanität, soziale Gerechtigkeit und Solidarität einsetzen. Auch wenn Sie SPD-Mitglied sind, wählen Sie die Sprache des rechten Randes. Das wird der SPD die Stimmen nicht zurückbringen.
Übrigens kann es Wikipedia objektiver und anschaulicher erklären als ich. https://de.wikipedia.org/wiki/Gutmensch
Mr. T
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Das Gegenteil vom Gutmenschen ist das Arschloch. Leider benutzen viele Kreise den Ausdruck Gutmensch diffamierend für einen Menschen mit Empathie, der sich Gedanken über Umwelt, Zukunft, Nachhaltigkeit und andere Menschen macht und stellen ihn, wie Frau Vietze hier auch, als naiven Deppen hin, der sich in einer Blümchenwelt bewegt und noch davon träumt, dass ein lieber Gott mit den Fingern schnippt und alles gut wird und alle sich lieb haben.
Für mich ist ein Gutmensch jemand, der sich engagiert für andere einsetzt ohne auf seinen Vorteil zu achten, der aufsteht gegen Ungerechtigkeiten, der das Unanständige beim Namen nennt und vieles mehr. Herr Spirk beispielsweise scheint so jemand zu sein.
Else.E
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@ alle vor mir, nach mir und überhaupt: Das Thema scheint viel Betroffenheit, Angst, Aggression auszulösen. Kein Wunder, denn wer nicht jung sterben will, wird eines Tages wahrscheinlich alt sein.
Um so nachdenklicher werde ich, wenn sich die Basis nur in wenigen Fällen sachlich zum Thema äußert, sondern sich mit persönlichen Angriffen begegnet. Die sinnvolle Zielrichtung ist doch wirklich eher der Aufschrei in Richtung Politik, wie es Otmar Spirk vorschlägt. Oder das eigene Engagement für Senioren – im Besuchsdienst oder wie auch immer, um einen scharfen Blick auf ihre Situation zu haben und bei Bedarf für die alten Menschen einzutreten .
Nicht zuletzt das Nachdenken über und das Planen für das eigene Alter bringen uns eher ins Handeln als Schlammschlachten. Fühlt und träumt mal, wie ihr alt werden und sein wollt. Und lasst daran mehr Leute teilhaben – sogar die Politik. Das wär mein Vorschlag.
Berufsbetreuer Otmar Spirk
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@Else E : Ja, wie und wo wollen wir unser Alter leben ? Entweder wir werden hier klar, oder andere entscheiden das für uns
@ oetken :.danke für diese Aspekte.
Ich habe in den Altenheimen hier drei Gruppen gesehen:Viele, die mit ihrem Leben einschließlich ihren Bedürfnissen nach Nähe/Sexualität ,abgeschlossen, hatten und nur noch vegetierten .
Dann die, die gerne Nähe und evt Sexualität gehabt hätten, aber nicht unterstützt wurden. Und von ihren Ängsten hin und her gerissene, die auch nicht unterstützt wurden.
Da mangelt es bereits an simplen Dingen wie abschließbare Zimmer
Die ,Lanze,, die die AltenpflegerInnen brauchen, um nicht nur Verwahrer der Alten, sonder Helfer sein zu können, heisst humane Arbeitsbedingungen und gute Bezahlung und ein humanes Konzept für Leben im Alter
Mathilde Vietze
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Um das Ganze an einem Beispiel zu untermauern:
Der Gutmensch erzählt dem, der sich sein Leben
selbst versaut hat, daß daran nur die Gesellschaft
schuld ist. Der gute Mensch engagiert sich z.B.
für Flüchtlinge oder übernimmt sonstige Ehren-
ämter.
Else.E
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2015 wurde der “Gutmensch” zum Unwort des Jahres ernannt, habe ich eben in Wikipedia gelesen, unter anderem weil das Wort zum “Kampfbegriff gegen Andersdenkende” geworden ist. Und jeder verwendet es ein bisschen anders – seltenst jedoch im freundlichen Sinne. Möglicherweise wäre die Welt ohne solche Diagnosen und Schubladen ein Ort, an dem sich wertschätzend über gemeinsame Lösungen kommunizieren ließe.
Mr. T
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Und was, Frau Vietze, ist das für ein Mench, der den Menschen, die sich ihr Leben versaut haben, erzählt, dass sie selber schuld sind?
So z.B.: “Es ist noch niemand aus Be-
hördenwillkür obdachlos geworden. Nur, manchen ist alle
scheißegal und wenn sie dann in der Tinte sitzen, wird drauf-
losgeschimpft und natürlich sind immer die anderen schuld.”
http://www.regensburg-digital.de/man-kann-menschen-auch-mit-einer-wohnung-toeten/14082017/
R.G.
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@Mathilde Vietze
Liebe und werte Frau Vietze!
Ich liiiebe das kleine tägliche Leben, selbst den Hund des rechten Nachbarn, der ellenslang keifend anschlägt, wenn ich nur ein Mal nicht mit ihm wie mit einem Baby spreche; den linken Nachbarn, der bis morgens früh hinter den Gardinen alles beobachtet und abwertend berichtet; den jeden Tag “nur heute ausnahmsweise” grantigen Paketboten… -alles verlässlich Wiederkehrende eben!
Weil es das zum einzigen Leben gehört, das ich habe.
Zu den vertraut gewordenen traurigen Sicherheiten in *regensbur-digital* zählt Ihr engagierter Einsatz für die Bewertung der Ausgestoßensten als Selbstschuld-Spezies.
In mir stärkt das das Bedürfnis, schon um nicht später altersgeizig zu werden in einem Maß, das an ANDERE kein Mitgefühl mehr verschenkt sehen möchte, noch mehr soziales Miteinander zu üben.
Üben, üben, üben!
Bis es im Schlafe sitzt, und hoffentlich noch funktioniert, wenn ich schon altersdement werde!
Herr RA Spirk?
Ich halte ihn für einen verlässlich Übenden.
1.Korinther 13
Mathilde Vietze
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Es ist doch völlig klar, daß Hilfe für alle – ohne Ansehen der
Person – da sein muß. Aber, der, dem geholfen werden muß,
muß auch selbst mitmachen, um etwas zu ändern. Sobald
man das aber laut sagt, ist man “ohne Emphatie” und wirft
allen Randgruppen Selbstverschulden vor. Manche lesen
halt aus Kommentaren nur das heraus, was in Ihr krudes
Weltbild paßt.
R.G.
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@Mathilde Vietze
Wenn Senioren mit Haldol vollgestopft im Heim nur mehr mit Mühe sitzen können, ist von ihnen “Mitarbeit” zur Verbesserung ihrer Situation, wohl nicht zu erwarten. Die Chemikalien verhindern genau das,
Es wäre sinnvoll, sich bei jedem Beitrag ausschließlich auf die konkret geschilderte Situation zu beziehen
Mathilde Vietze
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Zu “R.G.” – Danke für Ihre Belehrung. Ich kenne auch
Leute, die im sich im Seniorenheim befinden und
nicht diese Erfahrungen gemacht haben.
Und beim “Mithelfen zur Verbesserung der Situation”
habe ich bestimmt nicht demente Senioren gemeint.
Mann sollte halt aus meinen Kommentaren nur das
herauslesen, was drinnen steht und nicht das, man
gemeint haben könnte.
R.G.
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@Mathilde Vietze!
Die Artikel des Herrn Berufsbetreuer Otmar Spirk mag ich deshalb gern, WEIL sie mich lehren, wie traurig die Situation Hilfsbedürftiger ausssehen kann.
Bekanntlich darf das zweifellos rundum überforderte Personal im System keine nennenswerte Kritik anbringen, deshalb ist es wichtig, dass ein Sozial – Fachmensch von außen auf die Abläufe schaut und menschlichere Bedingungen fordert.
Der Personalstand für die physische Arbeit mit den alten Menschen wird nur dort augestockt werden, wo es gemäßigt artikulierenden Menschen gelingt, systembedingte Mängel publik zu machen.
An die Öffentlichkeit kommt es ohnehin, besser durch Leute wie ihn, die aus Gründen der Fairness die Not der Bewohner und des Personals abwechselnd berichten.
Mathilde Vietze
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Kommentar gelöscht. Bitte vermeiden Sie Redundanz und bleiben Sie beim Thema.
Mathilde Vietze
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Kommentar gelöscht. Bitte keine persönlichen Angriffe.
Giesinger
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“Da hilft nur eins: Rechtzeitig sterben oder rechtzeitig für ein menschenwürdiges Leben im Alter auf die Barrikaden gehen, solange wir noch Saft in den Knochen haben. War ich jetzt etwa unsachlich, gar böse und polemisch? Ganz ehrlich: Ich habe einfach nur die Hosen voll, mal selber in die pflegenden Hände der Altenheimindustrie zu fallen.”
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Sehr geehrter Herr Spirk oder Herr Aigner, jetzt weiß ich nicht recht wessen Artikel das ist, aber egal.
Im Alter von 16 Jahren wurde ich wegen einer jugendlichen Verfehlung mal zu 30 Stunden Sozialdienst in einem (schlimmen) Altenheim verdonnert und habe da meine ersten Erfahrungen mit den geschilderten Zuständen gemacht. Als später für mich als einer der letzten geburtenstarken Jahrgänge die Zeit des 20 monatigen Zivildienstes kam, war für mich klar, Altenheim geht gar nicht, die Stellen waren rar, und so bin ich wenigstens beim Roten Kreuz gelandet. Ich will nur sagen:
Sie sind nicht böse, nicht polemisch und nicht unsachlich.
Ich sehe die Situation genauso und zwar nun seit meinem 16. Lebensjahr. Jetzt bin ich 51 und nichts hat sich gebessert.
Es hilft wirklich nur, und das wünsche ich mir “Rechtzeitig zu sterben”.
Leider wird einem in Deutschland der rechtzeitige Freitod noch immer wehement verwehrt. Man muß dazu in die Schweiz reisen und alles akribisch Vorausplanen. In einem Internet-Forum in dem ich seit langen Jahren unterwegs bin hat sich dessen Betreiber wegen seiner aussichtslosen Lage zu diesem Schritt entschlossen, was ich absolut respektiere! Nur bitte nicht in ein Pflegeheim, sage auch ich. Leider kann einem in Deutschland da kein Arzt helfen. Bis zum letzten Atemzug werden Sie da mit Chemikalien am “Leben” gehalten. Was für ein Leben?
Entschuldigung, bin ich vermutlich in ein Plädoyer für würdevolles Sterben bzw. Sterbehilfe geraten? Wenn dem so ist, ja, ich bin dafür.
Besser wie die Verwahrung in den Altenheimen.
Piedro
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Mathilde Vietze
25. September 2017 um 17:27 | #
Um das Ganze an einem Beispiel zu untermauern:
Der Gutmensch erzählt dem, der sich sein Leben
selbst versaut hat, daß daran nur die Gesellschaft
schuld ist. Der gute Mensch engagiert sich z.B.
für Flüchtlinge oder übernimmt sonstige Ehren-
ämter.
Und wie nennt man jene Mitmenschen die anderen sagen, was “der Dingsmensch” tut, denkt, meint und will? Andere als Gutmenschen zu bezeichnen ist immer abfällig und soll nur verhindern, dass vorgetragene Argumente reflektiert werden. Mit den Ansichten von Gutmenschen muss man sich ja nicht abgeben, schließlich ist man selbst nicht nur gut, sondern realistisch auch noch.
Herzlichen Glückwunsch.
Die “Gutmenschen” sind bei diesem Thema wirklich nicht das Problem. Der Notstand ist seit Jahrzehnten bekannt und inzwischen schlimmer denn je. Das ist für uns alle beschämend, für die Betroffenen und ihre Angehörigen ist es dramatisch, unwürdig, verstörend. Für die Beteiligten, die Pfleger und die Firmenkonstrukte, für die sie arbeiten, ist es ein täglicher Kampf an verlorener Front, unterbezahlt, immer unzureichend, zum Teil unverantwortlich. Die meisten dürften sowas wie realitätsleugnende Gutmenschen sein, wenn sie den Job auf sich nehmen.
Piedro
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R.G.
25. September 2017 um 19:57 | #
Ich liiiebe das kleine tägliche Leben, …
Das ging runter wie Öl. Du weißt, dass du ein Dichter bist? Poeten kommen gleich nach den Gutmenschen…
Wegen des Haldol musst du dir keine Sorgen machen. Keiner kriegt so viel, dass er nicht mehr sitzen kann, es sei denn er soll im Bett bleiben. In Dauerwirkung lässt sich dieses Werkzeug des Pflegealltags passgenau dosieren, wenn keine ethischen Hindernisse in Form von Gutmenschen der chemotherapeutischen Alltagsorganisation entgegen stehen.
Angelika Oetken
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Sehr geehrter Herr Spirk,
ich möchte dazu anregen, zwischen dem Wunsch nach Nähe, inklusive körperlicher, Zuwendung und Sexualität zu differenzieren. Ganz besonders, wenn es um die Menschen geht, die aktuell zu den SeniorInnen gehören. Ein erheblicher Teil dieser Menschen hat den sexuellen Kontakt mit anderen Menschen als belastend, sogar bedrohlich erlebt. Trotzdem aber ein Bedürfnis nach menschlicher Nähe und Gesellschaft. Und zwar explizit unter Verzicht auf Sexualisierungen. Vielen erfahrenen Altenpflegekräften ist das klar und deshalb bieten sie den ihnen anvertrauen Menschen eine Unterstützung, die es denen erlaubt, auf die jeweils individuell passende Art zu Altern und schließlich auch zu sterben. Was ich als höchst problematisch ansehe ist, dass dieses Wissen aus strukturellen Gründen nicht mehr an die nachfolgenden Generationen der professionell Pflegenden weiter gegeben wird.
“Die ,Lanze,, die die AltenpflegerInnen brauchen, um nicht nur Verwahrer der Alten, sonder Helfer sein zu können, heisst humane Arbeitsbedingungen und gute Bezahlung und ein humanes Konzept für Leben im Alter”
Genauso ist es. Deshalb möchte ich dazu anregen, die berechtigte Kritik an den Zuständen in Form von konstruktiven Vorschlägen zur Verbesserung der Situation an die politisch und ökonomisch Verantwortlichen zu richten. Die befinden sich in der Bundes-, Landes- und Lokalpolitik, bei den Kostenträgern und bei den Heimträgern.
Unabhängige Sozialverbände weisen seit Langem auf den sich immer rasanter entwickelnden Pflegenotstand hin. Auch diese Verbünde können Unterstützung von der Basis gebrauchen. Wenn die Kritik in den Medien sich vor allem gegen die in der Pflege und Betreuung tätigen Menschen richtet, dann befürchte ich, dass vielen von denen der letzte Rest an Motivation schwindet. Mittlerweile entwickelt sich in immer mehr Regionen eine scheinbar paradoxe Situation: wer als (Alten-)Pflegefachkraft über eine positive Routine verfügt, arbeitet lieber bei einem Personaldienstleister, als in einer Festanstellung. Was die Verbindlichkeit in der Arbeit und die Weiterentwicklung und -gabe von Wissen angeht, ist das eine katastrophale Fehlentwicklung.
VG
Angelika Oetken, Berlin-Köpenick
Angelika Oetken
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“Nun sind sie alle tot – meine Betreuten in Altenheimen.”
Wenn ich Sie richtig verstehe, dann ist von den von Ihnen in Ihrer Funktion eines Berufsbetreuers begleiteten Menschen aktuell niemand in einem Altenheim untergebracht Herr Spirk. Mich würde interessieren, ob sich aus Ihrer Erfahrung heraus, das Leben in einer Seniorenwohngemeinschaft als Alternative zum Leben in einem Heim eignet.
VG
Angelika Oetken
hutzelwutzel
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@semmeldieb: Sie vertun sich etwas. Warum sich selbst umbringen, wenn andere, hier Verantwortliche genausogut vorher “hängen” können. LOL
Oder macht man es nach “französischer Art”?
@R.B.: “Eine Angelegenheit für den REGENSBURGER Bischof?”
Sie vergessen wohl, dass uns die Geldgier dieser Ritualdienstleister diese Misere in Deutschland erst eingebrockt haben.
Blicken Sie mal dahinter und erkennen Sie, dass auch dort wo außen nicht “Kirche” draufsteht, dennoch “Kirche” drin ist.
R.G.
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@Piedro
Aktuell habe ich einen Menschen im Heim (nicht in Regensburg), der Haldol so hoch dosiert bekommt, dass er nicht mehr gehen, nicht hörbar sprechen, und nicht sitzen kann.
Der Anlass ist mir bekannt, der Grund auch.
Sätze wie: “Ich mag ihn nicht, weil er mich nicht mit Namen grüßt!”, aus Fachmenschen-Munde über den dementen Herrn gesagt, der seiner Krankheit gemäß Gesichter sich nicht mehr merken kann, aber weil ihm keine Brille ermöglicht wird, ohnehin nichts mehr erkennen könnte, lassen mich schier an der menschlichen Kompetenz verzweifeln.
Berufsbetreuer Otmar Spirk
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Frau @ Oetken, ich kann dazu nichts beitragen, ausser dass ich selber als End-Ziel eine Alten-WG habe.
Aber vlt haben andere rd -Leser hier Erfahrung mitzuteilen ?
R.G.
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@Berufsbetreuer Otmar Spirk
Das ist sehr klug von Ihnen, dass Sie sich früh für eine gute Betreuungsform entscheiden.
Wenn Sie irgendwann immobil oder eventuell etwas dement und dadurch zu mobil würden, entschiede dann die WG, ob sie aktuell noch zur Gemeinschaft passen. Dabei wird nicht nur berücksichtigt, wie sehr man sie mag, sondern eine lange Liste an noch knackigeren gesünderen und besser situierten auf ihren Platz Wartenden.
Da kann es geschehen, dass Sie sich plötzlich in einem Heim wiederfinden, mit etwas Glück in einem, wo sich noch eine Pflegeperson (die Ihre gute Absicht nicht verstand) an Ihre Artikel erinnert…
Ich mache ähnliche Szenen seit einem Jahrzehnt mit einem jetzt im Pflegeheim befindlichen Menschen durch.
Habe ich die alle paar Jahre auftauchenden Verwandten erwähnt, die plötzlich nach seiner Habe suchen, dies nur, damit ich nichts nehmen könne; die Sekte, die bevor er noch recht agil in seine Alten-WG siedelte, plötzlich in seiner Wohnung residierte; den Priester, der im Erstgespräch (angeblich um ihm ehrenamtlich gegen die Sekte zu helfen) einen guten Tausender Spenden von ihm einnahm, von ihm, dem Atheisten? Soll ich die lieben östlichen Freunde der Betreuungshelferin seiner Exfrau (seit 60 Jahren von ihr geschieden) noch einbringen, die auch noch Ansprüche entdeckten?
Mein Problem dabei: Jeder der auf einmal auftauchenden Nahepersonen wird bezüglich seiner Lebensumstände mehr zugehört als ihm. Er äußerte zu jedem Zeitpunkt seinen Willen, und wo er ihm gerade nicht einfiel, dass nur ich alles wisse, wie er seinen Lebensabend haben wolle.