Alle Facetten des Regenbogens
Die Queer-Streifen gehen ab 5. November in die vierte Runde. Von Schwulenheilern, Filmen, bei denen es zur Sache geht und Angst vor der Schmuddelecke.
„Unzähmbar!?“ Auf den Werbeaufklebern, die beim Christopher Street Day verteilt wurden, war es noch nicht da. Aber am Ende haben sie doch noch ein Fragezeichen hinter das Motto des diesjährigen Queer-Streifen-Festivals gesetzt. Denn mancher will sie schon zähmen und der Herrschenden Norm unterwerfen – Schwule, Lesben, Bisexuelle, Transgender, Asexuelle… – Menschen, die sich mit dem Adjektiv „queer“ richtig bezeichnet fühlen, auch wenn es nicht jeder von ihnen „schrill“ mag. Die früher eher abfällig gemeinte Bezeichnung hat man beginnend mit den 80ern einfach übernommen und neu definiert. Und seitdem hat sich auch Einiges andere zum Positiven geändert.
Doch auch in Deutschland gibt es sie noch – sogenannte „Schwulenheiler“. Menschen, die glauben, dass man Homosexualität wegbeten könne, leben in Regensburg sogar im fürstlichen Schloss. Und wie weit es her ist mit der Akzeptanz von Homosexualität – von anderen Geschlechterrollen, -identitäten oder Lebensweisen, die von der heterosexuellen Norm abweichen ganz zu schweigen – zeigte just dieser Tage der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer mit dem Ausspruch:
Was wäre wohl passiert, würde man das Wörtchen „homosexuell“ durch „dick“, „blond“, „dunkelhäutig“ oder „weiblich“ ersetzen? „Einen Riesenaufschrei hätte es gegeben“, sagt Johannes Kochs, der mit im Team des Queer-Streifen-Festival sitzt. Und die Frage,„Braucht’s das überhaupt – so ein Festival, das Filme mit ausschließlich nicht-heterosexuelle Themen zeigt?“ beantwortet er auch bei der vierten Auflage der Queer-Streifen mit einem klaren Ja. „Wir sind noch längst nicht so weit, dass das im Mainstream angekommen wäre.“ Daran haben auch Filme, wie „Brokeback Mountain“ oder – den kennt man vielleicht auch noch – „Blau ist eine warme Farbe“ nicht wirklich was geändert.
Natürlich sei es auch bei größeren Produktionen so, „dass es den Schwulen gibt, der da noch rein muss“. Und beim neuen James Bond sei immerhin schon mal der Macher des Titelsongs, Sam Smith, schwul. „Aber bei lesbischen Filmen wird es schon schwierig“, weiß Isa Sontheim. Frauen hätten es in der Filmbranche ohnehin nicht leicht. „Und es gibt nicht viele Lesben, die Filme machen.“ Den erwähnten „Blau ist eine warme Farbe“ hat ein Mann gedreht.
Das Festival widmet sich deshalb seit vier Jahren dem Thema „queer“ – elf längere Filme, Dokus und Spielfilme und mehrere Kurzfilmblöcke sind es in diesem Jahr (Start: 5. November, 20 Uhr, Leerer Beutel).
Mit einer Woche Dauer ist das Regensburger Queer-Film-Festival das einzige seiner Art in Bayern – ganz ohne öffentliche Förderung. Personelle und ideelle Unterstützung gibt es von der Kurzfilmwoche und dem Arbeitskreis Film, finanziert wird das Ganze über den Eintritt und Paten – Unternehmen oder Privatpersonen, von denen die Verleihkosten übernommen werden. Und da habe es schon welche gegeben, die das Festival zwar großzügig unterstützt haben, aber gar nicht erwähnt werden wollten, erzählt Jens Holzhäuser, der sich federführend um die Patenschaften kümmert. „Manche haben doch noch Angst, dass das irgendwas in der Schmuddelecke sein könnte“, sagt Isa Sontheim.
Auch unter den etwa 500 Zuschauern – so viele waren es im letzten Jahr – gibt es immer noch ab und zu welche, die sich etwas verschämt in die Filmgalerie schleichen. Aber, dass „die“ nicht beißen, merken die Leute schon. Das Publikum sei in der Vergangenheit recht gemischt gewesen, sowohl was das Alter als auch die sexuelle Orientierung anbelangt. Gerade bei Transfilmen gebe es ein großes Interesse. „Die Leute wollen darüber einfach mehr wissen.“
Und mit Schmuddelecke hat das Ganze auch nichts zu tun. „Wir wollen natürlich, dass Homo-Sexszenen wie selbstverständlich auf der großen Leinwand zu sehen sind (beim Festival: “Beautiful Something”). Und die Leute nicht nur auf’s Heimkino zurückgreifen müssen. Je nach dem, was gerade produziert wurde, ist das für uns aber kein alles entscheidendes Auswahlkriterium.“, sagt Isa Sontheim. Allerdings wird da nichts gezeigt, was man nicht jeden Tag in Filmen mit Altersfreigaben ab zwölf oder 16 Jahren sieht. In denen geht es allerdings um Heterosexualität. Sobald ein Film aber etwas von der herrschenden Norm abweicht, fühlen sich Portale wie Youtube auch schon oft bemüßigt, darauf hinzuweisen, dass hier „explizite Inhalte“ gezeigt würden.
Dass mit der Akzeptanz und den gleichen Rechten sei eben zum Einen nur teilweise wahr, sagt Johannes Kochs. „Außerdem ist das alles keine lineare Entwicklung.“ Zum Teil gebe es auch Rückschritte. Das zeigten etwa die Großdemonstrationen in Frankreich gegen die Homoehe (beim Festival: „Der Kuss von Marseille“), aber auch in Stuttgart gegen eine Reform des Sexualkundeunterrichts. Ganz zu schweigen davon, dass in anderen Ländern Homosexualität noch mit schweren Strafen bedroht wird. Der Dokumentarfilm „Stories of our Lives“ über LGBT-Jugendliche in Kenia darf in deren Heimatland nicht gezeigt werden.
Zum zweiten Mal hat OB Joachim Wolbergs die Schirmherrschaft für die Queer-Streifen übernommen. Heuer kommt er auch persönlich. Das war früher, unter seinem Vorgänger Schaidinger noch anders. „Ja. Schön. Vielen Dank. Auf Wiedersehen“, habe es da geheißen, erzählt Kochs. Ein bisschen unbezähmbarer sind sie dann ja schon geworden…