AfD will Sozialpass streichen – hält die Brandmauer im Landkreis Regensburg?
Vordergründig geht es der AfD ums Sparen in wirtschaftlich schwierigen Zeiten für den Landkreis. Doch es ist nicht der erste Versuch der Rechtsaußenpartei, das Teilhabeprojekt zu kippen, das keine zwei Prozent der Summe ausmacht, die eingespart werden müsste. Nicht nur die Landrätin und ihre Freie Wähler-Fraktion schweigen im Vorfeld der Sitzung zu dem AfD-Vorstoß.
Matthias Beer ist sauer. Als Bürgermeister von Beratzhausen sitzt der CSU-Politiker auch im Kreistag von Regensburg und in dieser Eigenschaft machte er am Donnerstag auf Facebook seinem Ärger Luft. „Weniger Respekt geht eigentlich nicht“, schreibt er. Und gerichtet ist diese Kritik zuvorderst an die Landrätin und die Landkreisverwaltung.
Der Anlass: Am kommenden Montag trifft sich das Gremium um 14 Uhr zu einer seiner wenigen Sitzungen. Auf der Tagesordnung unter anderem: ein Antrag der AfD. Die vierköpfige Fraktion der Rechtsaußen-Partei möchte den „LandkreisPass“ abschaffen, der vor fünf Jahren eingeführt wurde, als „Projekt, das einkommensschwachen Bürgerinnen und Bürgern mehr soziale Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen soll“. So formulierte es Landrätin Tanja Schweiger (Freie Wähler) hundert Tage nach der Einführung in einer Pressemitteilung.
Inhaber erhalten Vergünstigungen bei Kultur- und Freizeiteinrichtungen in Stadt und Landkreis. Die über 5.000 Inhaberinnen und Inhaber (Stand 2021) haben zudem Anspruch auf ein ermäßigtes Ökticket beim RVV. Etwa 300.000 Euro im Jahr lässt sich der Landkreis dieses Instrument der sozialen Teilhabe kosten – und die will sich die AfD sparen.
Ist die Weihnachtsgans wichtiger als Sitzungsunterlagen?
Beers Kritik richtet sich aber zunächst an Tanja Schweiger. Denn am Donnerstagnachmittag, als der Beratzhausener Bürgermeister sich auf Facebook äußerte, hatten die Kreisräte abgesehen von der Tagesordnung keinerlei Sitzungsunterlagen erhalten.
Vor dem Hintergrund der Tagesordnung müsse man sich ja zum einem oder anderen Punkt Gedanken machen, schreibt Beer. „Abgesehen davon, dass wir uns in der 24 köpfigen Fraktion auch noch beraten wollen. Ist ja nicht so, dass wir nicht auch noch andere Termine hätten bis Montag.“ Man könne nicht einmal auf Anfragen der Presse zu dem besagten AfD-Antrag reagieren. „Aber wichtig ist, dass ich zweimal angemahnt wurde, weil ich mich noch nicht zur anschließenden Weihnachtsgans angemeldet habe.“
Der Landkreis hat ein Problem
Mittlerweile, seit dem frühen Freitagnachmittag, sind die Sitzungsunterlagen für die Sitzung am Montag auf dem Online-Portal des Landkreises abrufbar. Auch jener der AfD, welche die „allgemeine schlechte wirtschaftliche und politische Entwicklung“ zum Anlass nimmt, um einer ersatzlose Streichung des Landkreispasses zu fordern. Schließlich erhielten dessen Inhaber ohnehin „bereits auskömmliche staatliche Förderungen und Vergünstigungen“.
Tatsächlich hat der Landkreis Regensburg ein Problem. Aufgrund stark gestiegener Ausgaben im Verwaltungshaushalt rechnet man laut einer Bürgermeisterkonferenz am 12. November für das kommende Jahr mit Mehrausgaben von über 22 Millionen Euro. So ein Bericht der Donaupost. Von einer Erhöhung der Kreisumlage, welche die Gemeinden an den Landkreis abführen müssen, um bis zu neun Prozent ist die Rede. „Sich in einer solchen Situation freiwillig eine weitere Ausgabe im sozialen Bereich aufzulasten, ganz besonders wenn diese nicht aus Eigenmitteln finanziert werden kann, ist kein Ausdruck guten Wirtschaftens“, schreibt die AfD.
Vorgeschobene Argumentation der AfD
Auch wenn diese Argumentation vorgeschoben ist – bereits im Sommer, als von alledem noch keine Rede war, wollte die AfD den Landkreispass abschaffen, hatte den Antrag aber nicht fristgerecht eingereicht – gäbe es also gute Gründe, sich im Vorfeld damit auseinanderzusetzen und klarzustellen, dass die vielbeschworene „Brandmauer“ im Landkreis Regensburg hält. Gerade vor dem Hintergrund, dass dies bei den Freien Wählern trotz eines entsprechenden Beschlusses beim Bundesparteitag nicht überall der Fall ist, zum Beispiel in Landshut.
Doch auf eine Anfrage, wie man sich dazu verhalten will, reagieren weder Landrätin Tanja Schweiger noch jemand aus der Fraktion der Freien Wähler. Staatssekretär Tobias Gotthardt, der auch im Kreistag vertreten ist, lässt über seinen Sprecher lediglich ausrichten, dass er bei der Sitzung am Montag wegen anderweitiger Verpflichtungen nicht da sei. Er habe die Anfrage an Fraktionschef Harald Stadler weitergeleitet, der sich aber gleichfalls nicht meldet.
ÖDP-Kreisrätin spricht von „populistischer Farce“
Anders reagiert zum Beispiel die ÖDP. Kreisrätin Claudia Wiest spricht von einer „populistischen Farce“, mit dem die AfD im Vorfeld der Bundestagswahl Stimmung gegen sozial schlechter gestellte Menschen machen wolle, vor allem Asylsuchende. Der Landkreispass sei ein wichtiges Instrument, das auch dazu beitrage, den sozialen Frieden zu bewahren. Ohnehin sei das Projekt bis 2026 befristet. Dann könne man erneut über die konkrete Ausgestaltung nachdenken.
Deutlich wird auch Bundestagsabgeordneter und Kreisrat Peter Aumer (CSU). Der kennt zwar zum Zeitpunkt seiner Stellungnahme nur die Tagesordnung. Die Übermittlung der Sitzungsunterlagen sei „mehr als unbefriedigend“ erschwere eine gewissenhafte Arbeit, merkt Aumer deshalb an. Inhaltlich räumt er ein, dass angesichts der angespannten Haushaltslage „sämtliche Positionen im Haushalt auf den Prüfstand gestellt werden“ müssten. Und dazu könne auch „die freiwillige Leistung ‘Landkreispass’ gehören“.
Für CSU kommt Zustimmung „nicht in Frage“
Er sagt aber auch: „Sollte die AfD als einzigen Vorschlag zur Konsolidierung des Haushalts den ‘Landkreispass’ sehen, hat sie die Dimension der Haushaltslage des Landkreises nicht annähernd erfasst.“ Eine Zustimmung komme schon alleine deshalb für den CSU-Kreisverband nicht in Frage. Die CSU fordere stattdessen vom Landkreis ein umfassendes Konsolidierungskonzept, das „jährliche Sparmaßnahmen im Millionenbereich“ beinhalte. Ähnlich äußert sich Aumers Fraktionskollege im Kreistag, der Landtagsabgeordnete Patrick Grossmann aus Sinzing.
Sebastian Koch, Fraktionssprecher der SPD, Koalitionspartnerin der Freien Wähler im Kreistag, spricht in Zusammenhang mit dem AfD-Antrag von „Sozialchauvinismus“. Zwar sei allen im Landkreis klar, dass in den kommenden Jahren gespart werden müsse, „aber es ist doch recht infam, hier als Erstes bei den Schwachen in der Gesellschaft anzusetzen“. Deshalb werde die SPD den Antrag ablehnen. Koch wünscht sich, die Förderung des Landkreispasses bis Ende 2026. So wie ursprünglich beschlossen. Dann könne es zielführend sein, über Reformansätze nachzudenken.
Wie die Freien Wähler und die Landrätin zu alledem stehen, wird man wohl erst am Montag bei der öffentlichen Sitzung des Kreistags erfahren. Und auch die Position der FDP und der Grünen mit deren Fraktionssprecherin Maria Scharfenberg, die auf entsprechende Anfragen per E-Mail ebenfalls nicht reagieren.
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Nebl
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Ich glaube man muss den Begriff etwas deutlicher fassen, es geht um Sozialdarwinismus. Begrifflich mag das zu hochtrabend klingen, aber wenn man sich die AfD näher ansieht, dann läuft deren Ausrichtung deutlich in die Richtung. Um wirkliche Kostensenkungsmöglichkeiten zu erarbeiten muss man sich den Kreishaushalt jedoch tiefer anschauen, um dann Reduzierungsmaßnahmen treffen zu können. Da der Landkreispass eh eine Laufzeit bis 2026 hat, wären sowieso keine kurzfristigen Kosteneinsparungen möglich. Und so bleibt dieser populistischer AfD Antrag, das was er ist, ein absolut unsozialer Antrag zulasten von Geringverdienern. Klaus Nebl, Kreisrat