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Jahrelanger Zermürbungskampf gegen Schwerkranken beendet

Adriano M.: Endlich! Das Jobcenter lenkt ein

Nach jahrelangen juristischen Auseinandersetzungen mit einem schwerkranken Mann hat das Jobcenter Regensburg nun nachgegeben. Regensburg Digital hatte mehrfach über den Fall berichtet.

Jobcenter

So wie es aussieht, wird Adriano M. künftig nicht mehr jedes halbe Jahr darum bangen müssen, ob er sein Existenzminimum bewilligt bekommen wird. Er wird nun nicht mehr regelmäßig vor Gericht ziehen müssen, um seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II geltend zu machen.

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Im Rahmen eines Schnellverfahrens auf Arbeitslosengeld II-Leistungen vor dem Sozialgericht lenkte das Jobcenter Regensburg vor wenigen Tagen gegenüber dessen Anwalt Otmar Spirk ein und bewilligte dem 54jährigen Leistungen für das kommende halbe Jahr. Den Ausschlag für diese wohl grundsätzliche Kehrtwende der Behörde dürfte insbesondere eine Stellungnahme des Ausländeramts der Stadt Regensburg gegeben haben.

Jobcenter: “Wir haben keinen Ermessensspielraum.”

Wie berichtet, hatte das Jobcenter dem aus Italien stammenden Adriano M. konsequent Leistungen verweigert und seine Anträge auf ALG II abgelehnt. Vor den Sozialgerichten bekam er jedes Mal recht.

Geschäftsführerin Birgitt Ehrl hatte dieses absurd anmutende und jedes Mal mit der Übernahme von Gerichtskosten verbundene Vorgehen ihrer Behörde mit der „Weisungslage der Bundesagentur für Arbeit und den gesetzlichen Regelungen“ begründet. Entsprechende Anträge „müssen vom Jobcenter abgelehnt werden“, so Ehrl Anfang September gegenüber unserer Redaktion. „Nur im Falle erfolgreicher Klageeinreichung sind Leistungen vorläufig zu gewähren.“ Da gebe es keinen Ermessensspielraum. Neuerdings führte das Jobcenter auch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom September 2015 gegen arbeitslose EU-Bürger in Deutschland an, bei dem allerdings zweifelhaft ist, ob es auf den Fall von Adriano M. überhaupt anwendbar wäre.

Angesichts des psychischen Drucks brach der schwerkranke Mann – er leidet an Chorea Huntington – irgendwann zusammen und war fast ein Jahr obdachlos. Der Pentlinger Rechtsanwalt Spirk, den Adriano M. zufällig kennenlernte, nahm sich seines Falls an. Er erwirkte bei der Stadt eine Wohnung für ihn und führte zahlreiche juristische Auseinandersetzungen mit dem Jobcenter, das unter anderem jedes halbe Jahr Leistungen verweigerte und dann vor dem Sozialgericht unterlag, nur um sich ein halbes Jahr später wieder genau so zu verhalten.

Ausländeramt lehnte Abschiebung ab

Nach seinen Niederlagen vor Gericht regte das Jobcenter schließlich mehrmals eine Prüfung der Aufenthaltsberechtigung und möglichen Abschiebung von Adriano M. durch das Ausländeramt der Stadt Regensburg an. Der Hintergrund: Der 54jährige stammt aus Italien, lebt seit über 20 Jahren in Deutschland und hat sich hier bereits den Anspruch auf eine Regelaltersrente erarbeitet. Allerdings hielt er sich zwischendurch auch für zwei Jahre in Italien auf. Durch diese Unterbrechung habe er sein Daueraufenthaltsrecht möglicherweise verwirkt und damit auch den Anspruch auf Sozialleistungen, so die Argumentation des Jobcenters.

Diese Auffassung hat das Ausländeramt nun am 8. Oktober zurückgewiesen. „Unter Ausübung pflichtgemäßen Ermessens“ stellt die Behörde fest: Adriano M. besitzt trotz Unterbrechungen seines Aufenthalts in Deutschland weiterhin ein Daueraufenthaltsrecht.

Bereits einen Tag später erkannte das Jobcenter an, dass Adriano M. Hartz IV-Leistungen zustehen – zumindest für das nächste halbe Jahr. Dann steht ein neuerlicher Antrag an.

Ende eines vierjährigen Zermürbungskampfs

Das Jobcenter hat allerdings bereits erklärt, dass es sich gegenüber Andriano M. gegenüber nicht mehr auf § 7 SGB II berufen werde, wonach Ausländer, die allein zum Zweck der Arbeitssuche in Deutschland sind, kein Recht auf Sozialleistungen haben. Tatsächlich haben nach zwei Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom Juli 2012 Ausländer in Deutschland unmittelbar auf Grund der Artikel 1 und 20 des Grundgesetzes das Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum.

Rechtsanwalt Spirk ist sich daher relativ sicher, dass es nun auch künftig keine Probleme mehr geben dürfte. Damit wäre eine zermürbende Auseinandersetzung für Adriano M. beendet, die sich über annähernd vier Jahre hingezogen hatte.

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Kommentare (6)

  • ANDi

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    Ich fürchte, in einem halben Jahr geht das Theater von vorne los…

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  • Lothgaßler

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    Das nächste Ziel des Jobcenters ist die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit. Darauf folgt die Verrentung. Verrentung bedeutet, dass nun nicht mehr das Jobcenter zahlt, sondern die Rentenkasse. Damit ist dann das Jobcenter auch zufrieden.

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  • Grips

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    Liebe Alles-ist-Scheiße-und-wird-Scheiße-sein-Leserbrief-Fraktion ! Aufgewacht ! Nicht immer in den Abgrund schauen ! Hier ist einem Menschen durch das Zusammenspiel von Anwalts-Engagement, Kampagne von regensburg-digital und der Weigerung des Ausländeramts, den Exekutor für das Jobcenter zu machen, die Haut gerettet worden.
    Ja, vielleicht ist in einem halben Jahr alles anders. Wenn etwas sicher ist im Leben, dann die Veränderung . Den Tatsachen ins Auge schauen, klar. Was hat man euch angetan, dass ihr so selbstaufgegeben auf mich wirkt ? Was würde daran etwas ändern ? Und vor allem: Was können wir selber gemeinsam mit anderen tun ? Da ist derLebenssaft drin, nicht im Zelebrieren des Negativ-Seins.

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  • ANDi

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    Gibt einem Menschen (Amt) Macht, und sieh, was er daraus macht…
    Mir wurde das Jobcenter angetan!
    Ich würde mich zum Beispiel gerne selbständig machen, Ideen wären jede Menge da! Allein die Unterstützung durch die Ämter fehlt… Hätte man nicht voreilig die Ich-AG wieder abgeschafft und wären die Hürden (wie z.B. die hohen Steuer- und Sozialabgaben und die Bürokratie) für solche Kleinunternehmer nicht so hoch gewesen…
    Aus verschiedenen Gründen wäre der Idealfall inzwischen für mich z.B. Heimarbeit… nur: welcher seriöse Arbeitgeber bietet mit so einen Job an???

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Kommentare sind deaktiviert

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