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Jubiläum

50 Jahre städtische Migrationsgeschichte: der a.a.a.

1971 gründete sich in der Regensburger Ostengasse der a.a.a. Einst als unterstützender „Arbeitskreis für ausländische Arbeitnehmer“ gestartet, nimmt der Verein bis heute eine wichtige Rolle in der Stadt ein: Als wichtiger Anlaufpunkt für Familien mit Zuwanderungshintergrund und stets mahnende Stimme gegen Rassismus und für Integration.

Beim a.a.a. ist seit 50 Jahren jeder willkommen. Über 100 Kinder werden dort mittlerweile unterstützt. Foto: bm

Der 50. Geburtstag ist etwas ganz Besonderes und meist auch ein markanter Punkt im Leben, um einmal etwas genauer die zurückliegenden Jahrzehnte zu reflektieren. Der „Arbeitskreis für ausländische Arbeitnehmer“, kurz a.a.a., nahm das diesjährige Jubiläum zum Anlass, einen Blick in alte Dokumente und damit auf eine bewegte Vergangenheit zu werfen. Und die ist auch für die Stadtgeschichte nicht unerheblich gewesen.

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Die Geschichte des a.a.a. hat ihren Ursprung gewissermaßen schon in den 1950er Jahren – der Zeit des Wirtschaftswunders. Auch dank der umfangreichen Unterstützung der Alliierten gelingt unter Bundeskanzler Konrad Adenauer und Wirtschaftsminister Ludwig Erhard bald nach der Gründung der BRD 1949 der rasche wirtschaftliche Aufbau. Bis 1963 nimmt die Industrieproduktion um 185 Prozent zu. Mit den Kriegsrückkehrern gibt es zunächst einen großen Pool an Arbeitskräften. Berufstätige Frauen hingegen, am Ende des Krieges und danach kurzzeitig noch in vielen Bereichen tätig, passen nicht so recht ins Familienbild der Union.

Wirtschaft schielte auf ausländische Arbeitskräfte

Doch der weiter stark wachsenden Industrie gehen bald die Arbeiter aus. Und so wird 1955 das erste Anwerbeabkommen mit Italien unterzeichnet. Es folgen Abkommen mit Spanien, Griechenland und im Oktober 1961 mit der Türkei. Dessen 60. Jubiläum nahmen viele Medien kürzlich zum Anlass über die Geschichte der sogenannten „Gastarbeiter” zu berichten.

Mit der Hoffnung auf gute Bezahlung zieht es Millionen von Menschen damals nach Deutschland. Wie im Rahmen eines digitalen Stadtrundgangs zum Thema „Wirtschaftswunder in Regensburg“ auf der Seite der Universität Regensburg ausgeführt wird, fehlt es der Politik jedoch an Engagement und somit an Angeboten, diese „Gäste“ bei der Integration zu unterstützen.

a.a.a. als Reaktion auf politische Leerstellen

Stattdessen sorgen mangelnde Sprachkenntnisse, fehlender Kontakt zur Stadtbevölkerung und die meist monotone Arbeit auch in Regensburg bei vielen für Probleme und depressive Verestimmungen. Der wöchentlich für zwei Stunden abgestellte Mitarbeiter des griechischen Konsulats kann den etwa 1.000 griechischen „Gästen“ in der Region nur bedingt helfen. Anders als von der Politik vorgesehen beginnen die Menschen dennoch in der Folgezeit ein neues Leben in Deutschland. Manche verlieben sich, gründen hierzulande Familien und bleiben auch nach dem Ende der Anwerbeabkommen 1973 hier.

In der Erhardigasse werden heutzutage gemeinsam Hausaufgaben gemacht, die Zähne geputzt und die Freizeit verbracht.

Zwei Jahre vorher gründen Regensburger Schüler und Studentinnen in der Ostengasse den a.a.a. Der Name „Arbeitskreis für ausländische Arbeitnehmer“ wird dabei in bewusster Abgrenzung zum Begriff der „Gastarbeiter“ gewählt. Man will die Menschen nicht allein als arbeitende Gäste verstehen, sondern als Personen, die ein Leben führen und gleichberechtigt an der Gesellschaft partizipieren wollen.

Statt großem Geburtstagsfest bekam das Stadtarchiv ein Geschenk

Viel ist über die Gründungsgeneration des a.a.a. heute nicht mehr bekannt. „So viele Menschen sind hier ein und aus gegangen“, sagt Michael Waffler, Vorstand des Vereins. Er ist selbst seit mehreren Jahren ehrenamtlich tätig. „Wir Aktuellen haben aber kaum noch Bezug zu denen, die früher hier aktiv waren und das alles mitbegründet haben.“ Auch deshalb hätte der Verein das 50-jährige Bestehen gerne groß gefeiert, was der Pandemie geschuldet nicht möglich war. „Wir wollen das eventuell kommendes Jahr nachholen.“

Künftig finden sich die Dokumente über die Geschichte des a.a.a. im Stadtarchiv. Hier bei der Übergabe: v.l. Baibl, Preussner, Wagner, Waffler.

Trotzdem wollte man das Jubiläum nicht einfach verstreichen lassen und die Arbeit der letzten fünf Jahrzehnte auch einmal offiziell wertschätzen. Deshalb übergaben Waffler und Frank Preussner, Leiter des a.a.a., kürzlich dutzende alte Ordner mit Protokollen von Sitzungen, Zeitungsartikeln von anno dazumal und veröffentlichten Texten an das Stadtarchiv. Dort wurden sie mittlerweile gesichtet und ein Teil für die Bestände aufbereitet.

a.a.a. schlägt ein neues Kapitel im Archiv auf

Eher zufällig waren der Leiter des Stadtarchivs, Lorenz Baibl, und Preussner vor einiger Zeit bei einer Veranstaltung im Thon-Dittmar-Palais ins Gespräch gekommen. Dabei habe Preussner die alten Unterlagen im Keller erwähnt. Der Archivar wurde „gleich hellhörig“. Er und sein Kollege Ferdinand Wagner sehen darin einen ersten wichtigen Baustein für die Aufarbeitung der Migrationsgeschichte Regensburgs.

Denn der a.a.a. ist der erste archivierte Verein „im Bereich der Ausländerbetreuung“, wie Baibl anmerkt. Während es heute eine Vielzahl an Vereinen und Initiativen der migrantischen Community gibt, sei der a.a.a. wie kaum ein anderer Name tief mit diesem Teil der Stadthistorie verbunden. Der Stadtrat hat vor einiger Zeit  beschlosse, künftig die Migrationsgeschichte Regensburg stärker herauszuarbeiten.

„Als Ausländer wird einem beim a.a.a. geholfen.“

Viele Jahre bemühte sich der Verein fast alleine um das Thema Zuwanderung. Denn politisch, sagt Preussner, sei das in der Donaumetropole „lange kein Leuchtturmprojekt“ gewesen. „Als Ausländer wird einem beim a.a.a. geholfen“, das habe sich dafür bald herumgesprochen. Und so wurde die Ostengasse 1 für viele Menschen zentraler Anlaufpunkt. Deutschhilfe, Hausaufgabenbetreuung, Begleitung zu Ärzten und Kommunikationshilfe mit Ämtern sowie bei der Wohnungssuche. Wo immer Hilfe benötigt wurde, suchte man beim a.a.a. nach einer adäquaten Lösung.

Auch Nihat Firat fand in den 80ern in der Ostengasse lange Zeit ein zweites Zuhause. Seine Eltern zogen Mitte der 1970er Jahre von der Türkei nach Regensburg. Wenig später kam hier dann der heute 48-Jährige zur Welt und wuchs zunächst in der Altstadt auf. „Ich war ein Fischmarktkind“, sagt Nihat heute selbst von sich.

In  der Ostengasse 1 war jeder willkommen

Mittlerweile leben mit seinen Kindern und den Enkeln seiner älteren Schwester bereits die dritte und vierte Generation in der Stadt. Das Leben jeder einzelnen sei auf ganz unterschiedliche Weise mit der Frage der Integration verbunden. Seine Eltern hätten – wieviele der damals Zugewanderten – außerhalb der Arbeit und der Familie kaum Kontakte gehabt. Seine Kinder wiederum seien natürlich ganz anders in die Stadt hineingewachsen als der Vater.

Er selbst sei irgendwann in der dritten Klasse über einen Kumpel mit dem a.a.a. in Berührung gekommen. „Wenn wir nicht wussten wohin mit uns, dann sind wir eben zum a.a.a.“ Dort sei immer etwas los gewesen. Bunt und lebendig sei es zugegangen, erinnert er sich gerne zurück. Egal welche Familiengeschichte, ob mit oder ohne Migrationshintergrund, betont der gelernte Lackierer, hier hätten alle dazu gehört. Gemeinsam habe man gespielt oder in der Werkstatt gebastelt.

Ein Spiegel der jeweiligen Zeit

Später zog die Stätte in die Erhadigasse um. Dort gibt es einen eigenen Hausaufgabenraum, Büroräume und ein Spielzimmer samt Kicker. Auch Zahnputzbecher der Kinder werden hier aufbewahrt – für das tägliche Zahnputztraining. Im W1 unweit des Alten Rathaus sowie am Hohen Kreuz und ab kommendem Jahr auch in der Hermann-Geib-Straße existieren mittlerweile Zweigstellen. Nach wie vor baut das Angebot auf der Arbeit von zahlreichen Ehrenamtlichen auf. Mit der Zeit konnten aber auch mehrere bezahlte Stellen geschaffen werden, die auch für einen pädagogischen Rahmen sorgen und zusätzliche Ferienfreizeitangebote organisieren. (Über die Schwierigkeiten des Homeoffice sprachen wir mit den Verantwortlichen vergangenes Jahr – hier zu lesen).

Ab kommendem Jahr soll mit dem Projekt SuPortA eine „Soziale und Psychologische Anlaufstelle“ für Geflüchtete in Regensburg geschaffen werden. „Geflüchtete sind im Herkunftsland, auf der Flucht und selbst im Ankunftsland starkem psychischem Stress und oftmals traumatischen Erfahrungen ausgesetzt“, heißt es von Vereinsseite. Betroffene seien folglich einer „großen zusätzlichen Belastung auf ihrem Weg in ein gleichberechtigtes Leben“ ausgesetzt. Hier wolle man Unterstützung leisten. Die  Entwicklung des Vereins ist somit auch heute noch ein Spiegel der gesellschaftlichen Entwicklungen.

Integrationshilfe: Stets eine Frage der Finanzen

Ob das Vorhaben gelingen kann, hängt noch von der Finanzierung ab. Die Kassenlage des Vereins ist stets etwas eng bemessen und fußt seit Jahren zum einen auf der Unterstützung der Stadt und zum anderen auf Spenden. Auch Einnahmen auf dem Bürgerfest und dem Ostengassenfest spielen normalerweise eine wichtige Rolle, fielen coronabedingt zuletzt jedoch weg.

„Der a.a.a. ist doch der geilste Verein in der ganzen Stadt.” Das hat Karlheinz Ossovsky kurz vor seinem Tod noch gesagt. Foto: Archiv

Im Gespräch mit unserer Redaktion kommt Nihat immer wieder auf den 2008 mit 51 Jahren verstorbenen Karlheinz Ossovsky zu sprechen. Der war lange Jahre ein wesentlicher Faktor beim a.a.a. Mit seinem voluminösen Bart und seiner Statur sei „Karlheinz schon eine Erscheinung“ gewesen, mit einem großen Herz. „Alle Eltern haben ihm blind vertraut, jeder kannte ihn und wir Kinder waren begeistert von seiner Art“, sagt Nihat mit glänzenden Augen.

Kein Platz für Rassismus und Ausgrenzung

Als Praktikant hatte Ossovsky beim a.a.a. angefangen und ihn lange mitgeprägt. Zeit seines Lebens setzte er sich für Integration und Toleranz ein. „Dass wir einander fremd sind, dürfen wir uns ruhig eingestehen”, soll er einmal gesagt und damit verbunden mehr Teilhabe für Migranten am öffentlichen Leben gefordert haben.

Ein Grundgedanke des a.a.a., der immer wieder in die Öffentlichkeit getragen wird. Mit Veranstaltungen etwa im Rahmen der Internationalen Wochen gegen Rassismus oder der Beteiligung an Demonstrationen wie zum Jahrestag der rassistischen Morde in Hanau macht der Verein Zuwanderung, Rassismus und Diskriminierung regelmäßig zum Thema.

Eine Geschichte mit Zukunft

Auch bei der Initiierung des Ausländerbeirats, dem Vorläufer des Integrationsbeirats (hier ein Text anlässlich der letzten Wahl), war der a.a.a. maßgeblich beteiligt. Das zeigen unter anderem die im Stadtarchiv künftig zugänglichen Dokumente. Auch Nihat gehört mittlerweile dem Beirat an. Er wisse nicht, „wo ich heute stehen würde, wenn es damals den a.a.a. nicht gegeben hätte“. Sollte es im kommenden Jahr dann wirklich ein großes Fest geben, wird auch Nihat vermutlich dabei sein. Der Verein hofft, dann möglichst viele Ehemalige begrüßen zu dürfen und ihre ganz eigenen Geschichten von ihrer Zeit in der Ostengasse und den heutigen Standorten zu erfahren.

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