„Musterbild des Mitläufers“
Ist der BVP-NSDAP-Politiker Hans Herrmann ein geeigneter Namenspatron für eine Schule? Zwei Historiker, die im Auftrag der Stadt eine Stellungnahme abgegeben haben, beantworten diese Frage nicht. Das sei ein „politisches, kein geschichtswissenschaftliches Unterfangen“.
Aus welchem Grund werden Schulen nach historischen Persönlichkeiten benannt? Weil sie es verdienen, dass an sie erinnert wird. Weil sie Schülerinnen und Schülern als Vorbild dienen sollen. So könnten zwei gängige Antworten darauf lauten.
Ist der der frühere Regensburger Oberbürgermeister Hans Herrmann vor diesem Hintergrund ein geeigneter Namenspatron für die Grund- und Mittelschule im Stadtnorden von Regensburg? Seit 1959 trägt sie Herrmanns Namen. Und die Frage, ob sie umbenannt werden soll, beantwortet die Stellungnahme, die die Stadt Regensburg dazu am Freitag veröffentlicht hat, nicht.
„Zu Hans Herrmann gibt es keine gründliche wissenschaftliche Analyse“
Stadtheimatpfleger Dr. Werner Chrobak und Prof. Dr. Bernhard Löffler vom Lehrstuhl für bayerische Landesgeschichte an der Universität Regensburg haben sich im Auftrag der Stadt Regensburg auf 16 Seiten mit dem BVP-NSDAP-CSU-Politiker beschäftigt. Auslöser war eine Stellungnahme des bayerischen Kultusministeriums vom August 2013, das zu einer Umbenennung der Schule geraten hatte.
Hans Herrmann hatte von der Weimarer Republik bis zur BRD eine ungebrochene Verwaltungskarriere hingelegt. Als Bürgermeister war er zunächst für die BVP, anschließend die NSDAP und wurde 1952 schließlich CSU-Oberbürgermeister von Regensburg. Er ist Ehrenbürger, neben der Schule trägt auch noch ein Park seinen Namen.
Es ist bezeichnend für die Regensburger Vergangenheitspolitik, wenn Chrobak und Löffler nun feststellen: Eine „gründliche wissenschaftliche Analyse von Person, Karriere und Lebenswerk Hans Herrmanns“ sei „nach heutigem methodischem Standard ein Forschungsdesiderat“. Anders ausgedrückt: Es gibt keine solche Analyse. Dies „wäre wohl Thema einer eigenen Dissertation“, so Chrobak und Löffler. Ihre Stellungnahme wollen beide nur als „Diskussionsbeitrag“ verstanden wissen wollen. Mehr ist es auch nicht.
„Weder ungewöhnlich böse, noch ungewöhnlich gut“
Denn auch wenn Chrobak und Löffler betonen, dass es nicht Aufgabe des Historikers sei moralische Bewertungen abzugeben, so sind auch sie nicht vor solchen gefeit. Und stellenweise ist es auffällig, dass Herrmann in ihrer Stellungnahme in ein durchaus positiveres Licht gerückt wird, als in Arbeiten des Regensburger Historikers Helmut Halter („Regensburg unterm Hakenkreuz“) oder Regensburg-Digital-Autor Robert Werner. Doch das nur am Rande.
Löfflers und Chrobaks abschließendes Fazit:
„Hans Herrmann repräsentiert einen sozial- und politikgeschichtlich durchaus gängigen biographischen Phänotypus des 20. Jahrhunderts: einen Verwaltungsprofi und Juristen im Beamtendienst, der über alle politischen Systembrüche hinweg agierte und sich entsprechend anpasste; einen eifrigen, peniblen, aus kleinbürgerlichen Verhältnissen stammenden Aufsteiger durch Ausbildung, der weniger durch Außergewöhnlichkeiten, sondern weit mehr durch Normalität gekennzeichnet ist; insgesamt einen Charakter von eher unspektakulärer Mittelmäßigkeit.“
Hans Herrmann sei „weder ungewöhnlich böse, noch ungewöhnlich gut“ gewesen, das „Musterbild des vielfach verbreiteten Mitläufers, allerdings eines in aktiver und im kommunalen Rahmen hoher Funktionsstellung befindlichen“.
„Benennung ist eine politische Frage“
Bei der Frage, ob er als Namensgeber nun weiter tragbar sei oder nicht, spielen die beiden Historiker den Ball zurück ins Feld der Politik.
„Was die Frage nach der heutigen Erinnerung an Herrmann und, noch konkreter, nach der Benennung von Schulen nach ihm angeht, so ist deren Beantwortung ein politisches, kein geschichtswissenschaftliches Unterfangen.“
Es gehe dabei nämlich „nicht oder nicht nur um historische Realitäten, sondern vor allem um die heutige, tagesaktuelle erinnerungs- oder geschichtspolitische Einordnung Hans Herrmanns, seines ‘Lebenswerkes’ und insbesondere seiner Rolle im Dritten Reich“.
Lediglich ödp und Grüne haben in der Vergangenheit erklärt, dass sie Hans Herrmann als Vorbild für ungeeignet halten, wenngleich sie die Entscheidung der Schule überlassen wollen. Die CSU, zu deren Gründungsmitgliedern Herrmann zählt, hatte eine Diskussion dazu jahrzehntelang unterdrückt. Noch 2011 hatte der damalige Oberbürgermeister Hans Schaidinger Herrmann gegen jedwede Anwürfe per Basta-Statement verteidigt.
Der Oberbürgermeister hält sich bedeckt
Oberbürgermeister Joachim Wolbergs dagegen zieht es vor, seine Haltung dazu vorerst für sich zu behalten. „Ich möchte der Diskussion, die jetzt sicher in Gang kommen wird, nicht vorgreifen“, lautet seine Erklärung zu der nun vorliegenden Stellungnahme. Auch wie sich die Stadt zur Ehrenbürgerschaft Herrmanns und dem nach ihm benannten Park verhalten will, lässt der OB offen. „Es ist jetzt erst einmal wichtig zu wissen, was die Schülerinnen und Schüler, die Eltern und die Lehrerschaft der Hans-Herrmann-Schule möchten.“ Am 10. Oktober will er sich mit Vertretern der Schule treffen.
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Stellungnahme von Chrobak und Löffler
Ein Bürgermeister für jedes System (Eine Recherche von Robert Werner)
Vom Arisierer zum Planierer (Zu den vermeintlichen Nachkriegsverdiensten Herrmanns, von Stefan Aigner)