Die Basis für den Krieg ist da
Ausladende historische Analysen, wenig Zeit für ein Fazit: Anlässlich des Antikriegstages am 01. September lud der DGB am Samstag zu einem Vortrag ins Gewerkschaftshaus.
Von David Liese
„Uns liegt es am Herzen, die Rolle der Arbeiterbewegung vor dem 1. Weltkrieg auch kritisch zu reflektieren.“ Katja Ertl, Jugendsekretärin vom DGB Ostbayern, eröffnet mit knappen Worten den Abend. Allzu viel Zeit will sie dem Referenten nicht nehmen – eine gute Entscheidung, wie sich später zeigt.
Denn Wolfgang Veiglhuber hat sich viel vorgenommen für die Dreiviertelstunde, in der er am Samstagabend über „Die Arbeiterbewegung 1914 – Internationale Solidarität und Friedenspolitik am Vorabend des 1. Weltkriegs“ sprechen soll. Der Mitarbeiter des DGB Bildungswerks Bayern will den gut 40 Zuhörern im Gewerkschaftshaus „zur besten Sportschau-Zeit nicht allzu viel zumuten“. Lieber ist es ihm, Zeit für Diskussionen zu lassen.
Arbeiterbewegung, SPD, Kriegseintritt
Die gab es auch am politischen Aschermittwoch 2013, als Veiglhuber in Regensburg ebenfalls als Referent geladen war. Damals hatte er mit seiner forschen, direkten Art für einigen Unmut bei manchen Zuhörern gesorgt. Davon ist heute jedoch nichts zu spüren. Veiglhuber formuliert scharf, ist an mancher Stelle seines Vortrages polemisch, aber nie unangenehm.
So schlägt er den Bogen vom Zustand der Arbeiterbewegung 1914 über die Sozialistische Internationale, die in den Kriegswirren zusammenbrechen sollte, bis hin zur Zustimmung der SPD-Reichstagsfraktion zu den Kriegskrediten und damit zum Kriegseintritt Deutschlands.
Unterstützung “bedingungslos und unabhängig von der Art des Krieges”
Immer wieder macht er dabei deutlich, dass weder die Gewerkschaften noch die Sozialdemokratie einer kriegerischen Auseinandersetzung grundsätzlich abgeneigt waren – eher im Gegenteil. „Die Gewerkschaften haben bereits 1913 erklärt, dass sie einen Krieg des Vaterlandes bedingungslos und unabhängig von seiner Art unterstützen würden“, erklärt Veiglhuber. Als erster Schritt zu einem „Burgfrieden“, also des „Zurückstellen des Klassenkampfes zugunsten der Vaterlandsverteidigung“, sei Streikverzicht erklärt worden.
Ähnlich habe es sich letztlich auch mit der SPD verhalten. Dort habe „wie so oft in der Sozialdemokratie die Analyse nicht zu den Konsequenzen gepasst.“ Die Stilisierung von Russland als Hauptfeind durch die deutsche Regierung habe letztlich dazu geführt, die SPD zu gewinnen. Maßgeblich beeinflusst sei die Stimmung auch von der „freiwilligen Gleichschaltung“ der Presse gewesen. „Blätter, die zwei Tage zuvor links waren, betrieben plötzlich massive Kriegspropaganda.“ Als Beispiel führt Veiglhuber die Bremer Bürgerzeitung an, die am 2. August 1914 mit dem Aufmacher „Tut eure grausame Pflicht“ erschien.
„Ein imperialistischer Krieg ist menschengemacht, eine Sturmflut ist eine Naturgewalt.”
Letztendlich habe die Entwicklung in der „zynischen“ Erklärung Hugo Haases im Reichstag am 04. August 1914 gegipfelt. Haase, eigentlich einer der Kriegsgegner innerhalb der SPD, habe eine „unglaubliche Parteidisziplin“ besessen. Veiglhuber liest aus dessen Rede: „Die Folgen der imperialistischen Politik (…) sind wie eine Sturmflut über Europa hereingebrochen.“ Da sei schon, so Veiglhuber, „der Hammer im ersten Satz. Tut mir leid, da muss ich jetzt polemisch sein. Ein imperialistischer Krieg ist menschengemacht, eine Sturmflut ist eine Naturgewalt.“
Der Referent zitiert Haase weiter. Der sprach von „ehernen Tatschen des Krieges“, von der „zwingenden Pflicht“, an die „Volksgenossen“ zu denken. Und: „Wir lassen in der Stunde der Gefahr das eigene Vaterland nicht im Stich.“ Letztlich habe der Reichstag einschließlich der SPD den Kriegskrediten mit zwei Enthaltungen zugestimmt.
Analyse ohne Konsequenz?
Mittlerweile ist die Dreiviertelstunde, die sich Veiglhuber als Rahmen gesetzt hat, ausgeschöpft. Aus Zeitgründen verzichtet er deshalb auf seine Schlussthesen. In der anschließenden Diskussion gibt es neben Fragen zum Vortrag auch allerlei ausschweifende Wortmeldungen, die scheinbar eher das eigene historische Faktenwissen zur Schau stellen sollen. Ein Vertreter des Arbeiterbundes für den Wiederaufbau der KPD liest eine in Teilen offensichtlich vorformulierte Rede vor, mit der er für eine am Montag stattfindende Kundgebung am Neupfarrplatz werben will.
Auf seine Einschätzung der heutigen Lage angesprochen, lässt sich Veiglhuber dann schließlich doch noch auf eine Art Fazit seines Vortrages ein und liefert damit zumindest in Teilen eine Konsequenz aus seinen Analysen.
„Grundsätzliche Staatskritik” statt oberflächlicher Aufreger
Er wolle und könne sich über Auslandseinsätze der Bundeswehr „nicht aufregen“, sagt Veiglhuber. Aber nicht, weil er ihnen zustimme, sondern weil ihm diese Kritik nicht tief genug gehe. „Wenn man sich auf das Konzept Nation und Vaterland einlässt, dann wächst man automatisch rein in die Akzeptanz eines Staates und des Rechts. Das ist bis heute nicht anders.“
Insofern sei es auch „überhaupt kein Wunder, dass der DGB kein ablehnendes Verhältnis zur Bundeswehr hat. Ich kann mich darüber nicht aufregen, genauso wenig wie darüber, dass Bundeswehroffiziere in Schulen werben. Wenn man das kritisiert, kann man das schon machen, aber dann muss man grundsätzlich ran. Dann muss man grundsätzlich an eine Staatskritik. Die Basis ist doch vorausgesetzt: Die grundsätzliche Zustimmung zur Ordnung.“