„Mit Sicherheit nicht psychotisch“
Zwei Psychiater, zwei Meinungen. Der eine hielt Mollath für völlig gesund, der andere schickte ihn in die geschlossene Psychiatrie. Der zwölfte Verhandlungstag. (Alle Prozessberichte gibt es hier.)
Mit Spannung war die Aussage von Dr. Klaus Leipziger am Donnerstag vor dem Landgericht Regensburg erwartet worden. Er ist Leiter der forensischen Psychiatrie am Bezirksklinikum Bayreuth und eine der Schlüsselfiguren bei der Unterbringung von Gustl Mollath in der geschlossenen Psychiatrie. Sein Gutachten war es, das Mollath beim Prozess 2006 in Nürnberg als wahnkrank und gemeingefährlich einstufte. Und während er aussagt, muss Richterin Elke Escher das Publikum doch einmal sanft darauf hinweisen, dass Gelächter, Stöhnen oder Zwischenrufe nicht erlaubt seien. „Das hier ist kein Theater.“
„Flapsig ausgedrückt: psychisch angeschlagen“
Am Donnerstag räumt Leipziger ein: Richtig gesprochen hat er mit Mollath nie. Zumindest könne er sich nicht daran erinnern und in seinen Unterlagen sei auch nichts dokumentiert. Das hätten wohl seine Mitarbeiter getan. Gestützt auf Gerichtsakten, Schriftstücken aus Mollaths Feder und Aussagen seiner Ex-Frau vor Gericht sei er schließlich zu dem Ergebnis gekommen, dass Mollath „flapsig ausgedrückt: psychisch angeschlagen“ und eine „wahnhafte Störung“ die „wahrscheinlichste Diagnose“ sei.
Der Erkenntnisgewinn, den das Gericht am Donnerstag aus Leipzigers Aussagen ziehen kann, ist recht gering. Als der 61jährige versehentlich, weil er „um ein paar Zeilen verrutscht“ sei, aus dem Befund eines anderen Klinikums vorliest und unter anderem von „fragilen Halluzinationen“ Mollaths die Rede ist, greift dessen Rechtsanwalt Gerhard Strate ein. Er zieht die zuvor gegebene Entbindung von der Schweigepflicht für Leipziger zurück. Bei einer solchen Verfahrensweise stelle sich die Frage, „wer hier die Halluzinationen hat“, so Strate.
Unterbringung 2005 war rechtswidrig
Über einen Großteil seiner Erfahrungen mit Mollath darf Leipziger ohnehin nicht aussagen. Das Landgericht hat ein weitreichendes Beweisverwertungsverbot ausgesprochen. 2005, also vor seiner Verurteilung, war Mollath unter der „Obhut“ Leipzigers fünf Wochen zur Zwangsbegutachtung in der Forensik Bayreuth untergebracht. Rechtswidrig sei das gewesen, so die Haltung des Landgerichts Regensburg, das sich dabei auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2001 beruft. Demnach darf ein Beschuldigter während eines Verfahrens nur dann länger zur Beobachtung in der geschlossenen Psychiatrie untergebracht werden, wenn er zustimmt. Als Leipziger später von Mollath auf dieses sogenannte FlowTex-Urteil angesprochen wird, erklärt er: „Dem habe ich keine grundlegende Bedeutung beigemessen. Das war ein Einzelfall.“
„so weit ich mich erinnere“, „das könnte schon sein“, „möglicherweise“
Einzig zum Verfahren vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth weiß Leipziger das eine oder andere zu berichten. Doch trotz Notizen, die er sich gemacht hat und die er am Donnerstag, wie er selbst sagt, „interpretiert“ sind seine Schilderungen permanent von Erinnerungslücken durchdrungen. Kaum eine Aussage, die nicht durch Floskeln wie „so weit ich mich erinnere“, „das könnte schon sein“ oder „möglicherweise“ eingeschränkt wird. Mehrfach gerät er ins Stammeln und scheint jedes Wort genau abzuwägen.
Der vom Landgericht Regensburg bestellte psychiatrische Sachverständige Professor Norbert Nedopil stellt denn auch nicht eine einzige Frage an jenen Psychiater, der Mollath in die Forensik brachte. Der Zeitraum, über den Leipziger bei all den Einschränkungen berichten könne, sei zu kurz, um eine fundierte psychiatrische Einschätzung geben zu können.
„Sie war damals nur nicht so entspannt wie heute.“
Bereits am Vormittag hatte Hans Simmerl ausgesagt. Der Leiter der Psychiatrie Mainkofen hatte Mollath im Jahr 2007 im Rahmen eines Betreuungsverfahrens begutachtet und war zu dem Schluss gekommen, dass Mollath zu diesem Zeitpunkt „mit Sicherheit nicht psychotisch“ war. „Ich habe mich bewusst gegen eine wahnhafte Störung entschieden.“ Die Vorwürfe seiner Frau habe Mollath bestritten, sagt Simmerl. Mit Blick auf Mollaths Schilderungen zu den Schwarzgeldvorwürfen sagt der Psychiater: „Für mich war das etwas übertrieben und nicht so extrem sensationell wie für Herrn Mollath.“ Ansonsten habe er dessen Schilderungen aber durchaus für möglich gehalten. „Sie war damals nur nicht so entspannt wie heute“, meint Simmerl fast scherzhaft, als Mollath ihn später befragt. „Könnte das daran gelegen sein, dass ich so lange eingesperrt war?“, fragt Mollath gleichfalls lächelnd zurück. „Ja. Schon“, meint Simmerl und wir gelobt: „Es wäre schön, wenn es mehr von Ihrer Art gäbe.“
Am morgigen Freitag ist Norbert Nedopil an der Reihe, sein psychiatrisches Gutachten über Mollath vorzustellen.