Mollath-Prozess: Zwischen Freund und Feind unterscheiden
Ein spektakuläres Zerwürfnis zwischen Gustl Mollath und seinen Verteidigern bleibt für den Prozess folgenlos. Für das öffentliche Bild von Mollath ist es fatal. Und manche Unterstützer sollten sich fragen, ob sie tatsächlich in seinem Sinn agieren. (Alle Prozessberichte gibt es hier.)
“Wir befinden uns auf der Siegerstraße”, hatte Mollaths Verteidiger noch vor wenigen Tagen erklärt. Und tatsächlich sieht es nach dem derzeitigen Prozessverlauf auch so aus.
Die Misshandlungsvorwürfe seiner Frau sind nicht nachzuweisen. „Es kann so gewesen sein, beweisen lässt es sich keinesfalls“, so der medizinische Sachverständige Wolfgang Eisenmenger vergangene Woche.
Ebenfalls wird immer klarer, dass der Prozess vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth, der 2006 zu Mollaths Einweisung führte, gelinde gesagt schlampig ablief. Zahlreiche Fehler im Urteil. Ein Richter, der die Verhandlung lautstark binnen kürzester Zeit durchgezogen hat. Ein Richter, der den einhelligen Wunsch von Staatsanwaltschaft, Mollath und Pflichtverteidiger nach der Entbindung von seinem Mandat schlicht ignoriert hat.
Reifenstechereien: “Keine gefährliche Situation”
Ähnlich positiv für Mollath fiel am Mittwoch auch der Bericht des technischen Sachverständigen Hubert Rauscher zu den Reifenstechereien aus. Insbesondere damit war 2006 Mollaths Gemeingefährlichkeit begründet worden.
Zum einen gebe es aus seiner Sicht keinen Beweis für Mollaths Täterschaft, so Rauscher. Zum anderen habe sich bei keinem der geschilderten Fälle eine gefährliche Situation ergeben. Meist seien die Reifenschäden am geparkten Fahrzeug bemerkt worden. Und einen Fall, demnach jemand mit 200 auf der Autobahn gefahren sei, während der Reifen kaputt ging – wie im Urteil von 2006 geschildert – habe es nicht gegeben.
Den ebenfalls vom damaligen Gericht gezogene Schluss, dass jemand einen Reifen so anstechen könne, dass dieser erst bei der Fahrt kaputt gehe, hält der Sachverständige nach zahlreichen Versuchen für „sehr theoretisch“, eigentlich unmöglich.
Ein lesenswertes Gutachten
Auch ein psychiatrisches Gutachten aus dem Jahr 2010, dessen Verfasser ebenfalls am Mittwoch vernommen wurde, spricht eher für Mollath. Auch wenn er darin erneut als krank und gemeingefährlich eingestuft wurde.
Der Psychiater Friedemann P. hatte mit Mollath am 30. November 2010 im Rahmen der alljährlichen Anhörung acht Stunden lang gesprochen. Er habe es nicht als seine Aufgabe gesehen, eventuelle Fehler im Urteil zu hinterfragen, so P. am Mittwoch. Auch habe er Mollaths Schilderungen über die Zustände in der Forensik Bayreuth und Straubing nicht für glaubwürdig gehalten. Aus diesen Gründen habe er Mollath erneut eine Wahnerkrankung attestiert. Dass er die Frage nach seiner Gefährlichkeit bei der damaligen Anhörung vor Gericht nochmal mündlich bejahen musste, sei aber „atmosphärisch blöd“ gewesen. „Diese Frage des Richters war unangemessen. Das wäre ja seine Aufgabe gewesen.“
Aus heutiger Sicht indes lesen sich Mollaths Schilderungen in dem Gutachten zwar weitschweifig, aber auch weitgehend plausibel und nachvollziehbar. Jedenfalls nicht wie die Verschwörungstheorien eines gemeingefährlichen Wahnkranken. (Das Gutachten ist hier im kompletten Wortlaut abrufbar.)
Selbst die Vorsitzende Richterin Elke Escher räumte am Mittwoch ein, dass man es mit einer „schwierigen Beweissituation“ zu tun habe. Auch das hört sich also eher positiv für Mollath an – aus juristischer Sicht.
Verteidiger legen Mandat nieder
Das Zerwürfnis mit seinen Verteidigern am selben Tag aber war – auch wenn es für den Prozess selbst folgenlos bleibt – ein Schuss ins Knie. Verfestigt es doch in der öffentlichen Wahrnehmung genau jenes Bild eines besessenen Verschwörungstheoretikers.
Unmittelbar nach der mittäglichen Verhandlungspause hatte Rechtsanwalt Gerhard Strate erklärt, dass er sein Mandat niederlegen werde. Strates Kollege Johannes Rauwald schloss sich dem an. Mollath habe kein Vertrauen mehr in seine Verteidiger, so Strate. Für ihn, Mollath, sei es „angesichts der belastenden Situation manchmal nicht mehr ganz einfach zwischen Freund und Feind zu unterscheiden“.
Anlass war eine Erklärung, die Mollath unmittelbar vor der Mittagspause abgegeben und in der er Gericht und Staatsanwaltschaft scharf kritisiert hatte. Er sei „nicht nur befremdet, sondern entsetzt über die Auswahl der Zeugen in diesem Verfahren“. Auch habe er mehr als 30 Beweisanträge gestellt, die von seinen Verteidigern nicht eingebracht worden seien. Dabei seien dies alles Zeugen, die in enger Beziehung zu seiner Ex-Frau stünden und die ein anderes Bild der damaligen Situation zeichnen könnten. Es gehe doch darum, zu erklären, welches Motiv diese gehabt haben könne, ihn derart zu belasten und in die Psychiatrie zu bringen, so Mollath gegenüber Medienvertretern.
Die Schwarzgeldvorwürfe und die Strafprozessordnung
Richterin Escher hatte im Gegenzug erklärt, dass Mollaths Wunsch nach der Aufklärung der Schwarzgeldvorwürfe nicht in Einklang mit der Strafprozessordnung stehe. „Dies ist ein Strafverfahren und kein Ort, wo alles aufgeklärt werden kann, was vielleicht aufzuarbeiten ist.“
In der Verhandlungspause gingen Mollath und seine Verteidiger nach einem kurzen Wortwechsel getrennte Wege. Es folgte die Niederlegung des Mandats.
Er teile die Kritik seines „bisherigen Mandanten“ am Landgericht Regensburg nicht, so Strate. In seinen 35 Jahren als Rechtsanwalt habe er selten ein Gericht erlebt, dass so sorgfältig vorgehe. Einen mangelnden Aufklärungswillen könne man hier keinesfalls unterstellen, „auch wenn es sicherlich noch viel mehr aufzuklären gäbe“. Mollath zeigte sich „am Boden zerstört“, als Strate sein Mandat niedergelegt hatte und bekundete, dass er nach wie vor Vertrauen zu seinen Verteidigern habe.
Vielleicht ging es Strate bei der Mandatsniederlegung vor allem um seinen Ruf. Er weiß, dass es in dem Wiederaufnahmeverfahren darum geht, die gegen Mollath erhobenen Vorwürfe – Misshandlung seiner Ex-Frau und Reifenstechereien – aufzuklären, auszuräumen und einen Freispruch für seinen Mandanten herauszuholen.
Die Schwarzgeldvorwürfe gegen Mollaths Ex-Frau können hier – wenn überhaupt – allenfalls am Rande eine Rolle spielen. Dann nämlich, wenn das Gericht die Misshandlungsvorwürfe als plausibel ansähe, es um die Glaubwürdigkeit von Mollaths Ex-Frau gehen würde und deren Motive für eventuelle Falschbehauptungen ins Spiel kämen.
Diese Einschätzung teilt neben dem Gericht, der Staatsanwaltschaft und Strate auch der Regensburger Strafrechtler Professor Henning Müller. Entsprechend zurückhaltend agierte Strate denn auch in der Vergangenheit, wenn es darum ging, dieses Thema in den Prozess einzuführen.
Mollath-Unterstützer: „Ich habe diese Auseinandersetzung mit Strate befeuert.“
Für Mollath hingegen sind es die Schwarzgeldvorwürfe gegen seine Ex-Frau, die er selbst als Anfang aller Auseinandersetzungen mit ihr sieht und die er vom Gericht aufgeklärt wissen will. Darin bestärken ihn – das wird am Rande des Prozesses immer wieder klar – auch einige seiner Unterstützer. Es geht um die CSU, um Rüstungskonzerne, um irgendwelche Verflechtungen, die Mollath selbst so nie erwähnt, die aber vielfach in sein Verfahren hineininterpretiert werden.
„Ich habe diese Auseinandersetzung mit Strate via Twitter etwas befeuert“, räumte etwa ein Vertrauter Mollaths am Mittwoch gegenüber unserer Redaktion ein. „Das hätte eine richtig große Nummer werden können, aber der Strate zieht einfach nicht so richtig mit.“ Ein Anwalt habe aber auch die Wünsche seines Mandanten zu berücksichtigen.
Mit diesem Wunsch nach einem Schauprozess hat er Mollath einen Bärendienst erwiesen. Denn während juristisch alles danach aussieht, als könnte am Ende ein Freispruch für Mollath stehen, hat sein Bild in der Öffentlichkeit durch dieses Zerwürfnis einige Schrammen erlitten.
P.S.: Strate und Rauwald werden Mollath auch weiterhin verteidigen. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft bestellte das Gericht sie zu Pflichtverteidigern. Er werde die Verhandlung „ohne Abstriche fortführen“.