„Mollath kann nichts für eine hohe Idiotendichte“
Am Mittwoch hat Gustl Mollath sich entgegen seiner Ankündigung doch vor Gericht geäußert. Anlass waren die Schilderungen seines früheren Pflichtverteidigers. Der sprach von Angst vor Mollath und seinen Unterstützern. (Alle Prozessberichte gibt es hier.)
Es ist kurz nach 18 Uhr, am dritten Verhandlungstag vor dem Landgericht Regensburg. Eben hat Gustl Mollath kurz Rücksprache mit seinem Verteidiger Gerhard Strate gehalten. Und nun gibt er – entgegen seiner ursprünglichen Ankündigung – doch ein etwas längeres Statement ab. Anlass sind die Aussagen seines früheren Rechtsanwalts Thomas Dolmány. Er war Mollath 2003 als Pflichtverteidiger zugeordnet worden, als dieser sich zunächst vor dem Amtsgericht und später vor dem Landgericht Nürnberg wegen der Körperverletzungsvorwürfe seiner damaligen Ehefrau Petra M. verantworten sollte. Am heutigen Tag ist er der sechste Zeuge.
„Ich werde massiv bedroht.“
Er habe, abgesehen vom Urteil und Briefen Mollaths, keine Unterlagen mehr, schickt Dolmány voraus. Aus Notizen, die er sich damals gemacht, versucht der Rechtsanwalt dennoch die Fragen der Vorsitzenden Richterin Elke Escher nach dem damaligen Prozessverlauf zu rekonstruieren. Ein Richter und ein Staatsanwalt, die vor Dolmány dran waren, hatten bereits eingeräumt, dass sie sich an nichts mehr erinnern können.
Etwas anders Dolmány. Woran er sich insbesondere erinnern kann, ist das von Anfang an schwierige und später regelrecht zerrüttete Verhältnis zu seinem Mandanten. Mollath habe mit ihm nie über die Vorwürfe gesprochen. „Ich habe ihn zum ersten Mal bei der Gerichtsverhandlung gesehen.“ Dort habe Mollath am Zeugentisch Platz genommen, Literatur zu den Nürnberger Prozessen ausgebreitet, und sich während der Verlesung der Anklage demonstrativ zurück gelehnt und in einem dieser Bücher gelesen, erzählt Dolmány, während er selbst mit dem Stuhl nach hinten kippt, um diese Szene zu demonstrieren. „Das war so auffällig. Das habe ich mir gemerkt.“
Mehrfach erwähnt Dolmány, dass er Angst habe. Vor Mollath, vielmehr aber vor dessen Unterstützerkreis. Im Internet werde er mit „Fäkalien“ überzogen und massiv bedroht. Erst vor kurzem sei ihm ein Reifen zerstochen worden. Er glaube nicht, dass Mollath das gewesen sei. Aber für den Hass, der ihm entgegen schlage, macht Dolmány dennoch zu einem Gutteil seinen früheren Mandaten verantwortlich. Mollath habe ihn in der Vergangenheit als „wildgewordenen Nazi-Staatsanwalt“ bezeichnet, als stromlinienförmig und als einen, der eher für Richter und Staatsanwälte als für seine Mandanten arbeite. „Ich bin nicht so einer“, sagt Dolmány aufgebracht.
„Wie geht’s?“ „Gut.“ „Aber nicht mehr lange.“
Im Jahr 2006 habe er an einem Freitagabend, um 20.30 Uhr, noch in seiner Kanzlei gearbeitet, als plötzlich Sturm geklingelt worden sei. Kurz darauf habe Mollath massiv gegen die Tür geklopft und Einlass gefordert. Er wolle jetzt mit ihm reden. „Da habe ich richtig Angst gekriegt.“ Erst um 23 Uhr habe er sich getraut, sein Büro zu verlassen. „Das war echt krass.“ Später räumt Dolmány ein, dass diese Angst nur sein subjektives Empfinden gewesen sei mag.
Zwei Mal habe er Mollath anschließend in der Fußgängerzone getroffen, wo man sich freundlich gegrüßt habe. „Herr Mollath hat mich gefragt: ‘Wie geht’s?’ Und als ich gesagt habe: ‘Gut.’, hat er gemeint: ‘Aber nicht mehr lange.’“ Mollath habe außerdem ausgeforscht, wo er wohne, so Dolmány weiter. „Das war echt der Hammer. So etwas habe ich noch nicht erlebt.“
Gericht verweigerte Entbindung von Mollath-Mandat
Mehrfach habe er anschließend beim Landgericht Nürnberg beantragt, von seinem Mandat entbunden zu werden. Das gleiche tat auch Mollath. „Das habe ich auch verstanden. Er hat mir eben nicht getraut“, sagt Dolmány. „Wir hatten keinen Draht zueinander.“
Doch die dortige Kammer lehnte diese Ersuchen durchweg ab. Begründung: Mollath sei wahrscheinlich psychisch krank. Deshalb könne dies auch jedem anderen Pflichtverteidiger passieren. Damit müsse er als Rechtsanwalt klarkommen. Er selbst, das sagt Dolmány mehrfach, halte seinen früheren Mandanten nicht für krank. Sein Eindruck sei gewesen, dass Mollath unbedingt zuerst die Schwarzgeldvorwürfe aufgeklärt haben wollte und sich vorher zu den Anklagevorwürfen nicht äußern wollte. Das Problem sei gewesen, wer die Regie in diesem Verfahren führe. „Was mich aber stört, ist diese Hetze der ganzen Bekannten und Freunde von Herrn Mollath, auch wenn ihm das vielleicht gut tut.“
Mollath: „Ich habe das Gefühl, Sie brauchen Hilfe.“
Da interveniert Mollaths Rechtsanwalt Gerhard Strate. Sein Mandant sei für die Drohungen von Trittbrettfahrern nicht verantwortlich. Dolmány sei nicht der einzige, der darunter zu leiden habe, „dass es in diesem Land eine hohe Idiotendichte gibt“.
Dann meldet sich auch Gustl Mollath zu Wort: „Mich bestürzen Ihre Angstzustände“, sagt er in Richtung Dolmány. „Sie brauchen vor mir keine Angst zu haben. Ich habe das Gefühl, Sie brauchen Hilfe. Ich weiß nicht, wo sie wohnen und ich habe Sie auch nicht ausgeforscht. Sie müssen dringend ihre Ängste abbauen.“ Er verwahre sich dagegen, „wenn angebliche Unterstützer Sie bedrohen“, so Mollath. Er stehe für Deeskalation.
Arzt: Schilderungen der Ex-Frau „durchweg glaubhaft“
Erster Zeuge am Mittwochnachmittag war zuvor der Nürnberger Arzt gewesen, der 2001 das Attest unterzeichnet hatte, aus dem die Verletzungen hervorgehen, die Gustl Mollath seiner Ex-Frau Petra M. zugefügt haben soll. Hämatome, Würgemale, Kratz- und Bissspuren werden ihr darin bescheinigt. Sie leide an einer Erschöpfungsdepression, heißt es weiter darin. Die Schilderungen von Petra M., laut denen Mollath sie unter anderem bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt haben soll, seien „durchweg glaubhaft“, schrieb der Mediziner damals. Im ersten Verfahren diente dieses Attest als ausschlaggebender Beweis für Mollaths Gemeingefährlichkeit. Der ausstellende Arzt selbst indes wurde in keinem Verfahren vernommen. Lange war nicht einmal klar, dass er und nicht seine Mutter, die damalige Praxisinhaberin, es ausgestellt hatte.
„Ich bin Kampfsportler. Da weiß man, wie Würgemale aussehen.“
Am Mittwoch sagt der Mediziner nun zum ersten Mal deshalb vor einem Gericht aus. Auch er hat nur wenig aktive Erinnerung an die damaligen Ereignisse. Das meiste könne er nur aus der Aktenlage rekonstruieren. Petra M. sei „irgendwann vor über zehn Jahren“ auf Drängen ihrer Schwägerin, seiner Sprechstundenhilfe, in die Praxis gekommen, schildert der Nürnberger Arzt. Petra M. hätte wohl Angst vor ihrem Ex-Mann gehabt und wollte „etwas in der Hand haben für den Fall, dass das nochmal passiert“. Von seiner Sprechstundenhilfe sei er bei der Ausstellung des Attests in keiner Weise beeinflusst worden.
Angesprochen darauf, weshalb er die Glaubwürdigkeit der Schilderungen im Attest eigens erwähnt habe, räumt der Arzt ein, dass er das heute wohl nicht mehr so formulieren würde. Damals sei er anderer Meinung gewesen. „In einer Arztpraxis hat man es oft mit Leuten zu tun, die einem die wüstesten Dinge erzählen.“
Bei den Nachfragen des vom Gericht bestellten Sachverständigen Professor Wolfgang Eisenmenger muss der Arzt anschließend zugestehen, dass er damals noch keine große Erfahrung mit solchen Attesten besaß. Wie er zu der Einschätzung gekommen sei, dass es sich bei den Blutergüssen am Hals von Petra M. um Würgemale gehandelt habe, fragt Eisenmenger. „Ich bin Kampfsportler. Da weiß man, wie Würgemale aussehen.“ Warum er die Farbe der Hämatome nicht beschrieben habe? Das müsse nicht ins Attest, sagt der Arzt. Die Blutergüsse hätten „frisch“ ausgesehen.
„Dieses Attest belegt die Glaubhaftigkeit nicht“
„Ihnen ist bewusst, dass dieses Attest Ihre Einschätzung glaubhaft nicht mit einem objektiven Befund belegt“, hakt Eisenmenger nach. Der Arzt zuckt mit den Schultern. Es handle sich doch um ein allgemeinverständliches Attest und nicht um ein Gutachten. Ob er die Schilderung vom „Würgen bis zur Bewusstlosigkeit“ durch die Suche nach typischen Einblutungen überprüft habe? Der Arzt verneint.
Als Rechtsanwalt Strate anschließend fragt, ob es mehrere Atteste mit verschiedenen Inhalten gegeben habe, räumt der Allgemeinmediziner ein, dass er dass „für möglich“ halte. Er müsse zusehen, ob er sie in der Patientenkartei noch finde.
Als der dritte Verhandlungstag fast zu Ende ist, teilt Richterin Escher mit, dass der Arzt die drei Dokumente bereits durchgefaxt hat. Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt.