Irgendwo nach Afrika
Ein Flüchtling, der behauptet, aus Sierra Leone zu stammen, soll seit Jahren nach Guinea abgeschoben werden. Am Freitag wehrte sich der Mann gerichtlich gegen eine Vorführung vor einer guineischen Delegation.
Von David Liese
Solomon K. (Name geändert) kommt aus Sierra Leone. Das sagt er zumindest selbst – beweisen kann er es den deutschen Behörden nicht. K. hat nämlich keinen Pass. Das ist für ihn gut und schlecht zugleich. Gut, weil der Mann, der 2005 nach Deutschland kam, ein Asylverfahren anstrengte und damit letztlich erfolglos blieb, im Augenblick nicht abgeschoben werden kann. Schlecht, weil er nicht arbeiten und seine Partnerin nicht heiraten darf.
Die Botschaft von Sierra Leone in Deutschland fühlt sich nicht für K. zuständig. Dort vermutete man, der Mann könnte vielleicht aus Guinea stammen. Seitdem versuchen die Behörden, K.s guineische Nationalität „positiv nachzuweisen“ – bislang ohne Erfolg.
Behörde erkennt Bescheinigung des Konsuls von Guinea nicht an
Zu diesem Zweck soll Solomon K. nun einer Delegation aus Guinea vorgeführt werden. Vor dem Verwaltungsgericht Regensburg wehrt er sich am Freitag gegen den entsprechenden Bescheid der Stadt. Sein Anwalt sieht dafür „gute Gründe“.
Erstens habe K. bereits den guineischen Konsul in Berlin aufgesucht und sich von ihm schriftlich bestätigen lassen, dass er nicht aus Guinea komme. Die Ausländerbehörde der Stadt Regensburg erkennt diese „Negativbescheinigung“ jedoch nicht an.
Zweitens sei K. einer guineischen Delegation gegenüber misstrauisch. Das kommt nicht von ungefähr: Vor einigen Jahren wurden Korruptionsvorwürfe gegen Gesandte des Landes laut, die in Deutschland Flüchtlinge begutachteten. Ein 2006 vom auswärtigen Amt bestellter Vertreter Guineas etwa soll in seiner Heimat als „skrupelloser Schleuser“ gegolten haben. Ein anderes Mal kaufte die Hamburger Ausländerbehörde guineische Papiere an, um Abschiebungen „zu optimieren.“
„Nur noch Schikane“
Eine Sprachanalyse bescheinigt indes, dass K. gar kein Französisch spricht – immerhin die Landes- und Amtssprache Guineas. Der Gutachter hält es aber für ebenso unwahrscheinlich, dass K. aus Sierra Leone stammt. Er vermutet stattdessen Gambia als Herkunftsland.
„Warum schicken Sie ihn eigentlich nicht zur gambischen Botschaft?“, will der Rechtsanwalt K.s von den Vertretern der Stadt, einer Oberrechtsrätin und einem Rechtsinspektor, wissen. Im Umgang mit seinem Mandanten sieht er „nur noch Schikane“.
„Sierra Leone ist nicht die Stadt Regensburg“
Dem Gericht legt er eine Dokumentenkopie vor, die von der Einwanderungsbehörde in Sierra Leone stammen soll. Solomon K.s Cousin habe dort eine Passausstellung für ihn beantragt. Der Richter zweifelt an der Echtheit der Bescheinigung. „Die wird man schwer nachweisen können“, räumt der Anwalt ein. „Zumindest bestätigt es aber doch das Bemühen meines Mandanten.“
Die Vertreter der Stadt zeigen sich noch skeptischer. Man „habe schon befürchtet, dass heute plötzlich so etwas kommt.“ Die Oberrechtsrätin will wissen, ob es vielleicht auch eine Kopie des restlichen Schriftverkehrs mit den Behörden in Sierra Leone gäbe, den man nachvollziehen könnte. „Sierra Leone ist nicht die Stadt Regensburg“, antwortet der Anwalt trocken.
Stadt will sich nicht an Gerichtskosten beteiligen
Der Richter bemüht sich indes um einen Vergleichsvorschlag. Die Stadt solle versuchen, die „Existenz des Passausstellungsverfahrens in Sierra Leone zu verifizieren.“ Bis dahin könne der Bescheid, der K.s Vorführung vor einer guineischen Delegation vorsieht, aufrecht erhalten, aber nicht vollstreckt werden.
Dass ein solcher Vergleich auch eine Teilung der Gerichtskosten bedeuten würde, passt den Vertretern der Stadt überhaupt nicht. Der Richter versucht ihnen gut zuzureden. „Das würde Regensburg doch sicherlich nicht umbringen“, meint er. Der Anwalt von Solomon K. macht einen anderen Vorschlag: Der Bescheid soll aufgehoben werden, im Gegenzug ziehe er die Klage zurück.
„Es ist ja auch schön am Haidplatz.“
Ganz glücklich sind die städtischen Vertreter zwar auch mit dieser Lösung nicht, dennoch stimmen sie zu. „Irgendwie habe ich das Gefühl, dass wir uns hier nicht das letzte Mal sehen“, sagt die Oberrechtsrätin leicht resigniert. „Es ist ja auch schön am Haidplatz“, antwortet der Richter.
Das Verfahren wird eingestellt. Solomon K. spart sich damit die Vorführung bei einer guineischen Delegation – vorerst.