Konkretes aus dem Koalitionsvertrag
Vieles von dem, was in der Koalitionsvereinbarung zwischen SPD, Grünen, Freien Wählern, FDP und Piratin (hier als PDF) steht, sind Absichtserklärungen oder allgemein formulierte Ziele. Anderes wurde dagegen sehr konkret vereinbart. Neben Projekten für die Stadt geht es auch um das Abtreten von Ausschusssitzen und vergüteten Aufsichtsratsposten. Eine Auswahl unserer Redaktion.
Kröten für die Grünen
Gleich im ersten Kapitel findet sich Erstaunliches: Die Koalition spricht sich vorbehaltlos für die Sallerner Regenbrücke aus. In der Vergangenheit hat keine der Parteien, die sich nun hinter diesem Projekt versammeln, diese Position vertreten. Dezidierte Gegner waren insbesondere Grüne und Freie Wähler. Bei der SPD war das Projekt umstritten. Zuletzt hatte man sich auf die Formel geeinigt, dass zunächst die Wirkung der neugebauten Osttangente beobachtet werden solle, ehe man die Sallerner Regenbrücke baut. Das Projekt läuft mittlerweile unter Hoheit des Bundes. Derzeit läuft noch eine Klage gegen die Brücke.
Gebaut werden soll auch die Klenzebrücke – eine Verbindung zwischen Friedenstraße und Prüfeninger Straße. Die ist seit September 2011 Beschlusslage des Regensburger Stadtrats – damals gegen die Stimmen von Grünen und Linken. Noch bei der Debatte um den letzten Haushalt hatten die Grünen gefordert, die Mittel dafür zu streichen.
Zusätzliche Kröte für die Grünen: Die Zustimmung für den Bau eines Kultur- und Kongresszentrums am Ernst-Reuter-Platz. Zuvor hatte man sich ausdrücklich auf den Unteren Wöhrd (Altes Eisstadion) festgelegt.
Stadt soll besserer Arbeitgeber werden
Die lange versprochene tarifliche Bezahlung städtischer Pflegekräfte – etwa im Bürgerheim Kumpfmühl – wird noch in diesem Jahr umgesetzt. Generell sollen die Befristungen städtischer Beschäftigter auf „auf das personalwirtschaftlich Notwendige reduziert“ werden.
Eine weitere Änderung, die sich allerdings nicht unter dem Punkt „Arbeit“, sondern erst später im Koalitionsvertrag findet: Die Reinigung städtischer Gebäude soll wieder so weit als möglich von städtischem Personal erledigt und nicht mehr an Dritte vergeben werden.
Neue Stelle für Kulturwirtschaft
Ein Steckenpferd von Joachim Wolbergs, aber auch eine stetige Forderung der Grünen bekommt mehr Stellenwert eingeräumt: Für den Bereich Kreativ- und Kulturwirtschaft wird ein eigener Manager-Posten geschaffen, dem vor allem Beratungs- und Vernetzungsaufgaben zugewiesen werden. Auch ein eigenes „Kreativquartier“ soll es geben – wo und vor allem, wie das aussehen soll, scheint – nimmt man die recht heterogene Auswahl möglicher Orte – aber noch recht unklar zu sein.
Ausdrückliche Unterstützung der Koalition erfährt die Initiative „KOMPLEX“, die vor Monaten ein offenes Konzept für ein soziokulturelles Zentrum im – bald ehemaligen – Evangelischen Krankenhaus vorgelegt hat. Die Frage des Standorts müsse allerdings noch geklärt werden, heißt es im Vertrag.
ÖPNV auf den Prüfstand
Was lange gefordert wurde, setzt die Koalition nun um: Das ÖPNV-Konzept für Regensburg wird einer grundlegenden Prüfung unterzogen. Dafür wird ein eigenes Gutachten in Auftrag gegeben. Geprüft werden soll in diesem Zusammenhang auch die Einführung einer Stadtbahn – ein kleines Zugeständnis der SPD, eigentlich immer Stadtbahn-Gegnerin. Probeweise wird ein Nachtbus eingeführt und spätestens 2016 werden die Altstadtbusse durch kleine Elektrobusse ersetzt.
Auch die Westtrasse – als ÖPNV-Verbindung über die Donau – findet sich in dem Vertragswerk, unter Zustimmungsvorbehalt durch die UNESCO. Die Welterbeorganisation hat in der Vergangenheit aber eigentlich schon deutlich zu verstehen gegeben, dass es diese Zustimmung nicht geben wird. Das Zuckerl für die Freien Wähler: Sollte die UNESCO doch ihr Placet geben, gibt es ein Ratsbegehren, wo auch der Tunnel zur Abstimmung stehen wird. Nicht nur, aber auch mit dem ÖPNV zu tun hat der Stadtpass: Dessen Einführung legt der Koalitionsvertrag ausdrücklich fest, auch wenn noch keine Details genannt werden.
Radeln in der ganzen Altstadt
Auch der Radverkehr erfährt mehr Aufmerksamkeit. Für ein Jahr will die Koalition das Fahrradfahren in Fußgängerzonen und weiteren Teilen des Alleengürtels freigeben. Ein Radlsteg vom Unteren Wöhrd über den Gries nach Weichs soll verbindlich ins Investitionsprogramm.
Neuausrichtung der Stadtbau
Vergleichsweise allgemein gehalten sind die Ausführungen zur Stadtbau GmbH. Deren Ausrichtung solle wieder sozialer werden, heißt es. Zudem soll es Geld von der Stadt geben. Auf eine konkrete Summe – die SPD hatte im Wahlkampf noch zehn Millionen Euro jährlich ins Spiel gebracht – konnte man sich offenbar nicht einigen.
Bauen: Die Stadt plant wieder selbst
„Die Konversionsflächen im Bereich der ehemaligen Kasernenanlagen nördlich der Landshuter Straße sollen von der Stadt erworben und selbst entwickelt werden“, heißt es im Koalitionsvertrag. Wird das so umgesetzt, sind vielleicht die Zeiten vorbei, in denen ein Areal wie der Alte Schlachthof von der Stadt nicht selbst beplant, sondern zum Schnäppchenpreis an eine europaweit tätige Immobiliengesellschaft verkauft wurde, um wenig später zu zwei Drittel vom üblichen Vorzugsinvestor (Immobilien Zentrum Regensburg) bebaut und gewinnbringend vermarktet zu werden.
Großes und Kleines im Sozialen
Mehr Räume geben soll es „nach Möglichkeit“ für die Regensburger Frauenhäuser, ebenso zur Betreuung von Drogen- und Suchtkranken. Im Bereich Inklusion wird die Stelle eines hauptamtlichen Behindertenvertreters geschaffen. Die Notwohnanlagen fallen künftig in die Zuständigkeit des Sozialreferats, zuvor war – erstaunlicherweise – das Ordnungsamt zuständig. Für Flüchtlinge will die Stadt zusätzliche Betreuungsangebote schaffen und unterstützen. Zudem soll Regensburg Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge in der Oberpfalz werden. 500 Plätze sind im Gespräch.
Was gibt es dafür?
Neben inhaltlichen Diskussionspunkten gibt es natürlich noch andere Zugeständnisse, mit denen die Einheit der Koalition und das Wohlwollen eventueller Sympathisanten aus der Opposition gestärkt werden.
Wie schon berichtet, wird die Größe der Fraktionen von drei auf zwei verkleinert. Damit haben auch FDP und Linke künftig Anspruch auf ein eigenes Büro, Unterstützung durch einen Fraktionsassistenten und Zugang zu fast allen Ausschüssen. Ein Blick zurück: Bevor Christa Meier 1990 SPD-Oberbürgermeisterin wurde, brauchte es noch fünf Stadträte, um Fraktionsstatus zu erlangen.
Ein weiteres Zugeständnis: Anstelle der immer wieder kritisierten Fraktionsvorsitzenden-Konferenz tritt ein Ältestenrat, in dem alle politischen Gruppierungen zur Vorberatung und -information anstehender Entscheidungen vertreten sind.
Die Grünen bekommen mit Jürgen Huber den dritten Bürgermeister. Ihm untersteht ein neugeschaffenes Umweltreferat. Damit einher geht auch ein neuer Ausschuss für Umweltfragen, Natur- und Klimaschutz. Neben dem Umweltamt werden Huber das Gartenamt sowie das Amt für Abfallentsorgung mit Fuhrpark (Winterdienst) und die Energieagentur unterstellt.
Die zweite Bürgermeisterin, Gertrud Maltz-Schwarzfischer von der SPD, wird für Sozialamt, Jugend- und Seniorenamt sowie Jobcenter und die Regensburger Seniorenstift GmbH (RSG) zuständig sein.
Im Zuge dieser Umstrukturierung wird ein neues Referat für Bildung und Freizeit nebst Ausschuss geschaffen.
Ausschussitze und Aufsichtsratsposten
Das Wohlwollen der FDP wird insbesondere mit Posten in Aufsichtsräten gefördert. Die Grünen verzichten zugunsten der Liberalen auf ihren Sitz im Verwaltungsrat der Sparkasse, die SPD auf den Sitz Sparkassen-Verbandsrat. Dasselbe gilt für den SPD-Posten im Verwaltungsrat des Theaters Regensburg. Auch er geht an die FDP.
Im Gegenzug gibt die FDP ihren Sitz im Verwaltungsausschuss an Piratin Tina Lorenz ab, die als Einzelstadträtin sonst in keinem Ausschuss vertreten wäre. Die SPD tritt Lorenz einen ihrer Plätze im Kulturausschuss ab.