„Abnehmende Scham, sich als arm zu outen“
Die Fürstliche Notstandsküche ist seit 1945 ununterbrochen in Betrieb und versorgt Bedürftige mit Essen. Auffällig ist in den letzten Jahren ein immer höherer Altersdurchschnitt bei den Gästen.
Von David Liese
Prinz Albert lächelt leicht ertappt. Die Fotografie auf der Internetseite derer von Thurn und Taxis, auf der über das soziale Engagement der Fürstenfamilie informiert wird, ist ein Schnappschuss. Ganz anders das Bild seines Urgroßvaters Albert I., das rechts daneben prangt. Ein strenges schwarz-weiß-Portrait, durchstilisiert und würdevoll. Es hat sich einiges verändert, seit dieser Mann im Jahre 1919 die Fürstliche Notstandsküche einrichtete, um etwas gegen die Armut und das Elend nach dem ersten Weltkrieg zu tun.
Das betont auch der Haus und Hof-Historiker Dr. Peter Styra, als er die Geschichte der Institution nachskizziert. Seit dem Ende des zweiten Weltkriegs wird die Fürstliche Notstandsküche ununterbrochen betrieben, serviert fünfmal in der Woche ein dreigängiges warmes Mittagsmenü für ihre Gäste.
Bedürftigkeit und Regelmäßigkeit der Teilnahme ausschlaggebend
„Gäste“ will man sie hier ganz bewusst nennen – nicht etwa „Bedürftige“. Die Berechtigungsscheine für die Teilnahme, die in früheren Zeiten noch vom Fürstlichen Hofmarschallamt vergeben wurden, teilt heute die Caritas zu. 180 Essen werden aktuell jeden Tag ausgegeben. In den 50er Jahren waren es etwa 400.
Diese Zahl sei in den vergangenen zehn Jahren etwa gleich geblieben, teilt die Caritas auf Nachfrage mit. Im Drei-Monats-Rhythmus prüft sie die Berechtigungen der Teilnehmer – individuell, nicht nach festgeschriebenen Kriterien. Was das genau bedeutet, ist nicht so ganz klar. „Ausschlaggebend sind die Bedürftigkeit und die Regelmäßigkeit der Teilnahme“, sagt Alfred Damberger von der Allgemeinen Sozialberatung der Caritas.
Früher mehr Studenten, heute mehr Rentner
Mit Ende der 60er seien es viele Studenten gewesen, die in die Notstandsküche kamen. Deren Zahl sei in den letzten Jahren aber stark zurückgegangen. Das führt Damberger jedoch nicht auf eine Verbesserung ihrer Einkommenssituation, sondern auf den höheren Studienaufwand und Anwesenheitspflichten zurück.
Dafür steigt nun der Altersdurchschnitt. „Die Scham der Alten, sich als arm zu outen, nimmt ab”, so Damberger. 54 Prozent der Gäste sind zwischenzeitlich älter als 45, immerhin 17 Prozent älter als 65. Etwa ein Viertel bezieht Rente, mehr als die Hälfte Hartz IV. Ebenfalls bemerkenswert: 13 der 180 Berechtigungen werden an Personen vergeben, die einen geregelten Lohn verdienen.
Wie viel das Haus Thurn und Taxis jährlich für die Einrichtung zahlt, ist nicht genau zu erfahren. In den 1990er Jahren gab man 350.000 Mark aus. „Heute haben sich diese Kosten etwa halbiert“, sagt Peter Styra.
Frisch und regional – und ein Veggie Day
Das Fürstenhaus kauft das Essen von der Seniorenresidenz, die im Schloss untergebracht ist, und bezahlt dafür laut Angaben des Kochs Helmut Seitz „deutlich weniger als fünf Euro“ pro Menü. Dabei ist man von einer Suppenküche weit entfernt: Vorspeise, Hauptgericht und Dessert werden aus frischen, regionalen und saisonalen Zutaten bereitet.
Der Anteil an Convenience-Produkten, also an vorgefertigten, meist tiefgefrorenen Nahrungsmitteln, liegt hier deutlich unter dem Schnitt in der Gastronomie. Einmal die Woche kommt vegetarisches Essen auf den Tisch – und das wird „sehr gut angenommen“, sagt Seitz.
Die Fürstliche Notstandsküche steht übrigens auch für alle offen, die über keinen Berechtigungsschein verfügen. Dann kostet das tagesfrische Drei-Gänge-Menü, das im fürstlichen Mönchsrefektorium in barocker Kulisse genossen werden kann, gerade einmal 5,10 Euro.