Koalitionsbruch mit Hintertürchen
Man wolle eine „stabile Mehrheit ohne SPD“. Unter dieser Überschrift verkünden Franz Rieger und OB-Kandidat Christian Schlegl am Freitagabend den Bruch der großen Koalition. Nach der Wahl suche man andere Partner. Ganz kategorisch. Irgendwie jedenfalls. Joachim Wolbergs erklärt dazu: „Die haben panische Angst vor der Wahlniederlage“. Und daneben bezichtigen sich beide der belegbaren Lüge.
Der rote Saal im Haus Heuport ist schon geraume zeit mit Journalisten gefüllt als Kreisvorsitzender und OB-Kandidat eintreffen. Bereits am Morgen, um kurz nach neun Uhr, hat die CSU für den Abend recht geheimnisvoll zu einer Pressekonferenz zu einem „wichtigen kommunalpolitischen Thema“ geladen. Und nun, nachdem sie Schals und Jacke abgelegt haben, verliest Franz Rieger unter den zustimmenden, aber nichtsdestotrotz ernsten Blicken eine Erklärung, die der CSU-Kreisvorstand, soeben „einstimmig und einmütig“ beschlossen habe: „Die CSU sieht in der kommenden Stadtratsperiode für eine Zusammenarbeit mit der SPD keine Basis mehr.“ Es gebe „inhaltlich unüberbrückbare Differenzen“ und nach der Wahl strebe man „eine stabile Mehrheit mit einem Bündnis ohne SPD an“. Als mögliche Partner werden Grüne, Freie Wähler und FDP genannt.
Umfallerei, Konzeptlosigkeit und Lüge
In einer strengen Suada spricht OB-Kandidat Schlegl Wolbergs die wirtschaftspolitische Kompetenz ab, bezichtigt ihn – wie schon in einem Interview mit unserer Redaktion – der „Umfallerei“, Konzeptlosigkeit und der Lüge. Bei der Frage zum Kultur- und Kongresszentrum am Ernst-Reuter-Platz habe Wolbergs im Rahmen einer öffentlichen Podiumsdiskussion behauptet, als einziger gegen diesen Standort gestimmt zu haben. Das sei, ausweislich eines Protokolls der betreffenden Stadtratssitzung falsch, schimpft Schlegl. Nach längeren Ausführungen, in denen Rieger versuchen, den Ernst der Lage und ihre klare Haltung mit Worten, Gesten und strengen Blicken zu untermauern, ist schließlich die Reihe an den Medienvertretern, die nun Fragen stellen dürfen.
Wenn’s wirklich gar nicht anders geht, dann vielleicht schon…
Und – das kristallisiert sich dabei heraus – so ganz grundsätzlich und absolut – will man natürlich eine Zusammenarbeit mit der SPD dann doch nicht ausschließen. Ein kleines Hintertürchen lässt man sich offen.
Zwar gebe es, wenn die CSU stärkste Fraktion und Christian Schlegl Oberbürgermeister werde, „genügend mögliche Partner“, aber, so Schlegl: Wenn die Wahl natürlich eine Konstellation bringe, in der eine „stabile Mehrheit“ nur mit der SPD hinzukriegen sei, werde man sich „einer demokratischen Partei“ nicht verweigern. „Aber da müssen die sich gewaltig bewegen.“
„Die haben doch panische Angst vor einer Wahlniederlage“
Wir erwischen Joachim Wolbergs kurz nach der CSU-Pressekonferenz im Dollingersaal, kurz vor einer Podiumsdiskussion – Schlegl ist nicht da. Dort, er hat schon von dem der Ansage des Nun-Ex-Koalitionspartners gehört, reagiert Wolbergs mit einem sarkastisch-verzweifeltem Lachen: „Die haben doch panische Angst vor einer Wahlniederlage“, sagt er. Dass Oberbürgermeister Hans Schaidinger offenbar an der Entscheidung zum Koalitionsbruch beteiligt war, quittiert Wolbergs mit einem kurzen ungläubigen Blick. Dann fängt er sich wieder.
Am Dienstag, 13 Uhr, werde es eine Pressekonferenz geben. Dort will er die Kritik an ihm Punkt für Punkt zerpflücken. Die vermeintlichen Belege, die die CSU für ihre Kritik an ihm auflistet, seien, das sagt er vorab, zum Teil aus dem Zusammenhang gerissen oder verzerrend zitiert. Dass er in punkto Ernst-Reuter-Platz gelogen habe, das sei eine glatte Lüge, erklärt er. Und auch er könne dies anhand von Stadtratsprotokollen beweisen. Dann beginnt die Podiumsdiskussion.
Es scheint, als habe der Kampf um den Oberbürgermeistersessel nun tatsächlich begonnen. Und es ist wieder einmal erstaunlich, dass die CSU dafür in die Offensive gegangen ist.