„Es ist mein Job, eine drauf zu kriegen.“
Er kam 2009 als Nachrücker in den Stadtrat, ist dort mit 31 Jahren der jüngste und nun gleich Oberbürgermeisterkandidat: der Grundschullehrer Benedikt Suttner (hier ein Porträt aus dem Jahr 2012). Im Stadtrat fiel die ÖDP in den letzten Jahren vor allem durch ihre Gegnerschaft zu fast allen Großprojekten auf. Im Zuge der Debatte um den BVP-NSDAP-CSU-Politiker Hans Herrmann hat sie zuletzt eines ihrer Zugpferde, Eberhard Dünninger, an die CSB verloren. Wie will Suttner mit seiner Partei bei dieser Wahl punkten? Wir haben ihn gefragt.
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Hallo, Herr Suttner. Sie sind vor fünf Jahren als Nachrücker in den Stadtrat gekommen. Dort fallen Sie vor allem durch Wortbeiträge auf, die man positiv formuliert als „äußerst differenziert“ bezeichnen könnte, etwas überspitzter aber auch als „sehr zurückhaltend“ oder „ängstlich“. Sind Sie mit der Rolle etwas überfordert?
Natürlich bringt mich Ihre Meinung zum Nachdenken. Deswegen ist mir diese Wahl so wichtig. Ich stehe als Spitzenkandidat auf der Liste der ÖDP und möchte wissen, was die Bürger zu den letzten sechs Jahren sagen. Wenn wir abgewatscht werden, müssen wir sicher auch über die Frage diskutieren, ob wir etwas plakativer und provokativer auftreten müssen.
„Der Oberbürgermeister ist ein Profi darin, andere Stadträte als Greenhörner darzustellen.“
Viel nützt Ihnen Ihre zurückhaltende Art ja nicht. Bürgermeister Weber hat Sie wegen Ihrer Fragerei einmal mit Gestapo und Stasi verglichen, Joachim Wolbergs hat schon gemutmaßt, dass Sie gern die Farbe seiner Unterhose wissen wollen und bei der Diskussion um den Mietspiegel hat man hören können, dass Sie nichts kapieren.
Der Oberbürgermeister ist ein Profi darin, andere Stadträte als Greenhörner darzustellen. Das war auch bei der Debatte um den Mietspiegel so. Meine Nachfragen sind da bis zuletzt nicht beantwortet worden. Jetzt weiß eben niemand so genau, was eine „Generalsanierung“ ist und ab wann es eine entsprechende Mieterhöhung geben darf. Ich befürchte, dass dieser neue Mietspiegel zu mehr juristischen Auseinandersetzungen führen wird. Es ist schwierig, solche Details öffentlich rüberzubringen, aber versuchen muss man es. Wenn ich dann für meine Nachfragen eine heftige Retourkutsche bekomme, dann heißt das nicht automatisch dass ich falsch gelegen bin. Außerdem muss ich eine draufkriegen. Das ist mein Job als Oppositionspolitiker. Ich glaube auch, dass die Leute den Politklamauk nicht haben wollen, sondern Stadträte, die ihre Arbeit machen.
Wie sieht denn Ihre Arbeit aus? Die ÖDP bringt man in den letzten sechs Jahre vielleicht noch mit dem Thema Transparenz in Verbindung und damit, dass sie eine Informationsfreiheitssatzung auf den Weg gebracht hat. Aber ansonsten fällt vor allem auf, wogegen die ÖDP ist: gegen die Baseball-WM, gegen das Fußballstadion, gegen die Ersatztrasse, gegen eine Stadthalle, gegen die Sallerner Regenbrücke. Als jemand, der Vorschläge und Anregungen bringt, werden Sie und Ihre Partei eher nicht wahrgenommen.
Vielleicht, weil uns keiner zuhört. Für uns ist das Thema Energiewende ganz zentral. Und das wird nicht allein mit dem Umsteigen auf Erneuerbare und Effizienzsteigerung funktionieren. Es muss viel stärker auf das Einsparen geachtet werden. Das wird viel zu wenig beleuchtet. Das ist in der großen Wirtschaft eher unattraktiv ist. Es hat ja mit weniger zu tun: weniger Gewinn, weniger Wirtschaftswachstum. Da sind wir dann bei einem Thema, das wir generell als Vision verankern wollen: eine Postwachstums-Ökonomie. Es ist doch nicht normal, wenn selbst ein Unfall für ein Plus beim Wirtschaftswachstum sorgt, oder?
„Nullemission hätte auch eine soziale Komponente“
Schon interessant. Aber was hat das jetzt mit Regensburg oder einem ganz konkreten Vorschlag von Ihnen zu tun?
Mit dem Bebauungsplan für die ehemalige Nibelungenkaserne zum Beispiel. Dort wurde schon Einiges besser gemacht als in anderen Gebieten in Regensburg. Eine versiegelte Fläche wurde für eine Mischnutzung aus Bildungseinrichtungen wie der FOS/ BOS, für Wissenschaft und für Wohnen beplant. Das ist gut. Von Anfang an habe ich aber auch darauf gepocht, dass ein Konzept für eine Nullemissionssiedlung vorgelegt wird. Leider erfolglos. Dabei gibt es das in anderen Städten schon. Voraussichtlich ab 2018 wird es EU-Standard sein, so zu bauen.
Auf der anderen Seite soll Wohnraum aber auch bezahlbar bleiben. Unter anderem Hans Schaidinger hat in einer Diskussion über solche Energiestandards darauf hingewiesen, dass diese Bauweise auch sehr teuer ist.
In der Vergangenheit wurden viel zu wenig Mietwohnungen und viel zu viel Eigentumswohnungen gebaut. Und bei letzteren hat ein Investor zunächst Mal nicht das Interesse an einem Nullemissionsbau, so lange der sich nicht auch gut und teuer verkaufen lässt. Der Mieter hätte ein Interesse daran. Für ihn würde das nämlich bedeuten, dass man die sogenannte zweite Miete, also die Energiekosten, zum Teil komplett einsparen könnte. Dadurch bekäme dieses Gebiet nicht nur einen ökologischen, sondern auch einen sozialen Charakter. Ich habe schon öfter gegen Bebauungspläne gestimmt, weil dieser Punkt viel zu wenig berücksichtigt wird. Dabei sind Bebauungspläne das Mittel, mit dem eine Kommune am Meisten Einfluss nehmen könnte. Später wird es schwierig.
„Die Verwaltung braucht mehr Freiräume.“
Wie wollen Sie denn für mehr bezahlbaren Wohnraum sorgen?
Ich habe nicht das ultimative Konzept. Ich versuche aber zum Beispiel durch viele Gespräche mit Vertretern verschiedener Organisationen mich in Details einzuarbeiten und im Stadtrat darauf hinzuweisen, dass nicht permanent Dinge, die soziale Mieten begünstigen, aufgeweicht werden. Da gibt es zum Beispiel das Problem, dass die Kappungsgrenze für Mieten in Regensburg derzeit nur bis 2015 gilt.
Da gibt es zum Beispiel die Frage, warum Regensburg nicht in eine Verordnung aufgenommen wurde, die garantiert, dass Mietwohnungen für mindestens zehn Jahre nicht in Eigentumswohnungen umgewandelt werden dürfen. Bei den Diskussionen im Stadtrat konnte mir bisher niemand erklären, weshalb Lappersdorf und Pentling in diese Verordnung aufgenommen wurden und Regensburg nicht.
Insgesamt glaube ich, dass die Stadt bei Baugebieten im Vorfeld viel genauer vorgeben muss, was und wie wir die Entwicklung dort haben wollen – etwa in punkto Ökologie und soziale Gestaltung. Es müssen mehr Möglichkeiten für kleine Baugemeinschaften und Genossenschaften geschaffen werden – etwa durch längere Bewerbungsfristen und kleinere Gebietszuschnitte. Im Moment läuft zu viel über Investoren. Da muss mehr Kreativität rein. Und in der Verwaltung gäbe es durchaus fähige Leute, die so etwas umsetzen könnten.
Sie fordern mehr Kreativität, mehr Flexibilität bei den Planungen, kleinere Zuschnitte, mehr Vorplanung unter Regie der Stadt. Wie soll das gehen? Die Stadtverwaltung arbeitet bereits jetzt am Limit.
Das ist mit ein Punkt, weswegen wir zu einigen Prestigeprojekten Nein sagen. Wenn sich eine Stadtverwaltung nicht mit einem völlig überdimensioniertem Fußballstadion beschäftigen müsste, mit einem Kongresszentrum, zu dem es nicht einmal eine Wirtschaftlichkeitsprüfung gibt oder mit einer völlig unnötigen Ersatztrasse, dann wären Geld und personelle Kapazitäten frei. Wenn wir wollen, dass die Kreativität gestärkt wird, dann müssen wir den Leuten in der Verwaltung mehr Freiräume geben.
„Was Schlegl macht ist unseriös.“
Ein anderes Thema. Sie sprechen immer wieder von einem ökologischen Umbau in Regensburg. Wie sollte der nach Ihren Vorstellungen denn aussehen?
Bei einem Vortrag habe ich von einem Städteplaner mal den Satz gehört: „Sie müssen sich entscheiden: Auto oder öffentlicher Raum.“ Und darum geht es auch in Regensburg. Wir haben hier in den zurückliegenden Jahren einen massiven Anstieg des Pkw-Verkehrs. Davon müssen wir wegkommen. Der Klimawandel wird vor Regensburg nicht haltmachen. Und wir haben auch eine globale Verantwortung.
Konkret brauchen wir in Regensburg eine Stadtbahnlinie von Norden nach Süden, zusätzlich ein Schnellbussystem und eine Überarbeitung des Liniensystems beim RVV. Dazu würde ich mir eine Vernetzung des Bahnsystems mit dem innerstädtischen ÖPNV vorstellen, ergänzt durch einen Carsharing-Aktionsplan, bei dem zum Beispiel bestimmte Parkflächen zuförderst für Carsharer ausgewiesen werden. Zusätzlich könnte man dann noch ein E-Bike-System installieren. Ich glaube, dass unsere Generation inzwischen so flexibel ist, dass so etwas innerstädtisch eine attraktive Alternative wäre. Vor allem, wenn man damit Geld spart. Aber wenn man auf Staus immer mit Plänen für Brücken und neue Straßen reagiert, wird man immer mehr Verkehr ernten.
„Die Distanzierung von Dünninger war eine der schwierigsten Entscheidungen.“
Auch CSU-Kandidat Christian Schlegl will eine Stadtbahn bzw. eine Schnellbuslinie. Und er verspricht, fünf Millionen Euro für den Radverkehr auszugeben. Da sind Sie wohl etwas spät dran.
Mit der U-Bahn-Variante von Christian Schlegl will ich mich nicht beschäftigen. Das ist einfach völlig daneben. Das macht er als Wahlkampfaktion, damit er im Gespräch ist. Dabei weiß er selbst, dass das nicht geht. Das ist doch völlig unseriös. Genau so ist das mit den fünf Millionen für den Radverkehr. Wir und auch andere haben zig Anträge zum Radverkehr gestellt. Von der Koalition wurde alles immer wieder vom Tisch gewischt. Da hat man sich eben darauf verständigt, dass kein Antrag der Opposition durchgehen darf. Ich setze darauf, dass die Leute sich daran erinnern, wer hier sechs bzw. 18 Jahre lang regiert und nichts gemacht hat.
Auch wenn Sie so optimistisch sind, ist wohl dennoch davon auszugehen, dass entweder Joachim Wolbergs oder Christian Schlegl Oberbürgermeister werden. Welche Chancen rechnen Sie sich mit der ÖDP aus? Die 6,9 Prozent vom letzten Mal werden Sie nur schwer wiederholen können. Ihr Zugpferd Eberhard Dünninger haben Sie an die CSB verloren. Und mit der Zerstrittenheit der CSU, von der das letzte Mal alle kleinen Parteien profitiert haben, ist es auch vorbei.
Natürlich hatten wir das letzte Mal eine andere Konstellation. Aber unser Erfolg lag nicht nur an der Zerstrittenheit der CSU oder an Dr. Dünninger. Es war auch nie unser Ziel, ihn aus der Fraktion oder der ÖDP zu vertreiben. Aber in der Debatte um Hans Herrmann mussten wir reagieren. Vorher haben wir intensiv das Gespräch mit ihm gesucht. Daraufhin haben wir uns sachlich distanziert. Es ging darum, klar zu machen, dass nicht nur seine Meinung als ÖDP-Haltung im Raum steht, sondern dass der Kreisverband und die beiden anderen Stadträte das anders sehen. Jetzt hat Dünninger die Partei verlassen und wir haben unseren Fraktionsstatus verloren. Aus machtpolitischen Aspekten hätten wir also besser unseren Mund gehalten. Aber das würde uns nicht gerecht werden. Für mich war die Veröffentlichung unserer Distanzierung eine der schwierigste Entscheidungen in den letzten fünf Jahren. Aber ich kann das mit meinem Gewissen gut vereinbaren. Das war richtig.
Was bindet Sie eigentlich, abgesehen von familiärer Tradition (Benedikt Suttners Vater Bernhard ist Mitbegründer der ÖDP, Anm. d. Red.), an die ÖDP? Flapsig ausgedrückt ist das doch die Partei für CSUler, die sich keine Grünen zu wählen trauen.
Mich hält in der ÖDP, dass hier viele Ehrenamtliche arbeiten, die sich nicht von Posten oder Karriere abhängig machen. Wir haben ein ganz klares Programm auf Landes- und Bundesebene nach dem wir auf kommunaler Ebene arbeiten und uns dabei nicht abhängig machen von kurzfristigen Wahlerfolgen. Das ist Unabhängigkeit. Dasselbe gilt für die Konzernspendenfreiheit. Ich möchte meine Gewissensentscheidung unbeeinflusst von einem Fraktionszwang und von finanziellen Abhängigkeiten treffen können. Das ist gerade auf kommunaler Ebene wichtig. Dann hat man vielleicht mal keinen kostenlosen Infostand in den Arcaden und verliert dadurch die Möglichkeit, sich darstellen zu können. Aber ich will auch in Zukunft in dem schwierigen Feld Altstadt – Arcaden unabhängig entscheiden können.